Mittwoch, 23. Dezember 1914

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 23. Dezember 1914Weihnachtsfeier bei den Verwundeten. Am gestrigen Abend fand im Reservelazarett in der Rosenstraße hierselbst für die dort untergebrachten Verwundeten bei prächtig geschmückten Tannenbaum eine schöne Weihnachtsfeier statt. Dieselbe ging von der Wohltätigkeit einiger ungenannter hochherziger Damen der Poppeldorfer Allee aus. Dieselben hatten einen jeden dieser tapferen Krieger recht reichlich beschert. Mit sehr wirkungsvollen und zu Herzen gehenden Worten schilderte Herr Zahnarzt Heyden, der gleichzeitig leitender Arzt ist, das „Weihnachtsfest 1914“, wobei er u.a. die einzelnen gegen uns kämpfenden Nationen charakterisierte und hierbei die Vorzüge des deutschen Soldaten markant hervorhob. Jeder Teilnehmer war von den vortrefflichen Worten und den ganzen Darbietungen feierlich ergriffen und diese ließen die Schwergeprüften eine Zeitlang ihr trauriges Los vergessen. Die hochherzigen wohltätigen Damen mögen sich durch das ausgesprochene Dankesgefühl der Verwundeten für ihre Opferwilligkeit belohnt fühlen. Für dieses wie auch für alle anderen bisher jenen Schwergeprüften gewährten Zuwendungen sei ihnen hier nochmals der Dank ausgesprochen.

Die Gesellschaft für Literatur und Kunst veranstaltet am Sonntag, 27. Dezember, nachmittags 6 Uhr in der Lese einen Legendenabend. Dr. Richard Benz aus Heidelberg wird aus seinen oft gerühmten Nachdichtungen mittelalterlicher deutscher Legenden vorlesen.

Meldepflicht aller in Privatpflege befindlichen Verwundeten. Das Garnisonskommando gibt folgendes bekannt. „Alle in Bonn in Privatpflege befindlichen Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften haben sich, wenn noch nicht geschehen, unverzüglich persönlich – und falls dies ihr körperlicher Zustand nicht erlaubt -, schriftlich beim Garnisonskommando anzumelden.“

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 23. Dezember 1914Einschränkung der Neujahrskarten für Feld und Heimat. Der Feldpostbriefverkehr nimmt dauern an Umfang zu; nur mit Aufbietung aller Kräfte ist es bis jetzt gelungen, ihn ordnungsmäßig zu bewältigen. Ihm drohen aber neue Gefahren, wenn ein Austausch von Neujahrskarten in dem in Friedenszeiten üblichen Umfange zwischen der Heimat und den Angehöriges des Heeres in diesem Jahre stattfindet. Es ist unmöglich, im Felde Aushilfspersonal einzustellen. Durch solche Massenversendungen würde nicht nur der Dienstbriefverkehr, sondern auch der persönliche Privatbriefverkehr leiden; aus diesen Gründen ersucht die Heeresverwaltung das Publikum dringend, die Absendung von Neujahrsglückwünschen durch die Feldpost zu unterlassen. Auch die Versendung von Glückwünschen in die Heimat sollte man einschränken. Die hierdurch ersparten Summen würden, wie dies auch bereits in früheren Jahren vielfach geschehen ist, wohltätigen Zwecken zuzuführen sein.

Die Weihnachtsbescherung der Verwundeten hat in der Kapelle des Friedrich-Wilhelm-Stift würdig und schlicht bei gemeinsamen Weihnachtsgesängen, Schwesternchören und einer Ansprache des Herrn Superintendenten Bleibtreu stattgefunden. Dann gingen die Leichtverwundeten mit zur Bescherung ihrer schwerverwundeten Kameraden in die große Baracke. Ein Bonner Student trug ein den Schwestern, Hilfsschwestern und freien Hilfen im Friedrich-Wilhelm-Stift gewidmetes Dankgedicht vor.
   An die Feier schloß sich ein gemeinsames Abendessen, wozu das Kuratorium, die Aerzte mit ihren Damen, Offiziere, Mannschaften und Schwestern des Lazaretts, sowie eine große Anzahl Bonner Damen, die die Speisung der Ambulanten übernommen haben, sich eingefunden hatten. Darbietungen aller Art hielten die Teilnehmer noch lange zusammen. Superintendent Bleibtreu brachte ein Kaiserhoch aus, während Leutnant Füchtjohann allen dankte, die ihr Scherflein zur Feier beigetragen haben.

Ein „Weltreisender“ vor dem Kriegsgericht. Ein 46jähriger Mechaniker aus Düsseldorf hatte seinerzeit um 15.000 Mk. eine Wetter eingegangen, daß er in einer bestimmten Frist eine Fußtour durch ganz Europa machen werde. Der Wettbetrag wurde auf 15.000 Mk. festgesetzt und sollte zum Ankauf eines Flugapparates verwandt werden. Nach Antritt der Reise kaufte der Weltreisende in Hamburg einen Revolver, den er auf der ganzen Tour mit sich führte. Am Ende der schönen dreijährigen Reise kam er jetzt nach Köln, wo er in einer Wirtschaft von einem Wehrmann scharfe Patronen zu kaufen wünschte. Dem Soldaten kam das verdächtig vor und erließ jenen verhaften. Das außerordentliche Kriegsgericht verurteilte den Weltreisenden wegen verbotenen Waffentragens unter Berücksichtigung des erschwerenden Umstandes, daß er einen Soldaten zum Patronenverkauf anstiften wollte, zu zwei Monaten Gefängnis.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 23. Dezember 1914Die Landsturmmänner, welche Tag und Nacht im weiten Deutschen Reiche die Bahnwache versehen, bitten sehr, sie bei den Liebesgabenspenden nicht zu vergessen. Sie müssen bei Wind und Wetter, bei Regen und Kälte auf ihrem Posten ausharren und haben oft nichts, was ihnen die Beschwerden ihres eintönigen Berufes ein wenig erleichtert. Es fehlt ihnen vor allem an Tabak und Pfeifen, an Kartenspielen für die Mußestunden, gelegentlich auch an Speck und Wurst und nicht zuletzt an wärmender Unterkleidung.

Die Sammlung von Wollresten, die der Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe veranstaltete, hatte ein sehr erfreuliches Ergebnis. Es wurden gesammelt: 637½ Kilo Wolltuch, 74½ Kilo Gestricktes , 493 Kilo Gemischte Stoffe. Das entspricht einem Wert von etwa 1500 Mark.

Der Bonner Maler Seehaus stellt jetzt im Oberniermuseum einige seiner Bilder aus. Nichts konnte für Seehaus vorteilhafter sein, als die nahe Nachbarschaft mit Türoffs grünem, flachsigem Kinderbildnis. Hier stoßen sich zwei Pole ab. Türoff begnügt sich mit der bloßen Zustandsschilderung, der er allerlei Impressiönchen und Sentimentalitäten zugibt. Seehaus wurde von dem Drang nach der mythischen Version aus der alten Malweise auf den Weg zum Kubismus geführt. Ich weiß Keinen zu nennen, dem man auf diesem Wege so weit folgen kann, wie Seehaus. Er löst seine Bilder nicht wie der strenge Kubismus (über dessen Berechtigung hier nicht gesprochen werden soll) in Pyramiden und Kuben auf, er verzichtet nicht so sehr auf die Bedeutung des Materiell-Gegenständlichen, daß eine perspektivische Raumvorstellung nicht mehr zustande kommt, seine Bilder sind nicht nur „Fläche“ wie bei Picasso. Aber da sein Streben nach Vergeistigung von einer ganz persönlichen Anschauungsweise getragen wird, muß seine Kunst wohl immer eine Angelegenheit für einen kleinen Kreis stiller Menschen bleiben. Sch.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Den Bonner Damen zu Nachahmung!
Am Sonntag besuchte ich eine Freundin in Meckenheim. Am abend holte ich sie aus einer Versammlung junger Mädchen ab, welche unter dem Vorsitz eines Bahnbeamten stattfand. Und was schaute ich, als ich in den Saal eintrat? Ein Märchenbild aus „Tausend und einer Nacht!“ – Auf langen Tischen standen vierzig kleine Weihnachtsbäumchen, von den Damen allerliebst herausgeputzt, der Gefahr halber ohne Kerzen. Sie waren für die Sanitätszüge bestimmt. Jeder Wagen soll ein Bäumchen erhalten und die Lokomotive ein größeres. Und noch mehr! Für jeden Verwundeten noch eine Weihnachtstüte mit Lebkuchen, Spekulatius, Schokolade usw. Durch diese sinnige Liebesgabe wird auch in die Herzen unserer lieben Krieger süßer Weihnachtsfriede einziehen und sie für einige Stunden vergessen machen, daß sie fern sind ihren Lieben. Alle Bäumchen waren mit Wurzel eingepflanzt und so werden sie zeitlebens ein liebes Gedenken der deutschen Treue sein.
   Weiter erzählte mir der Vorsitzende, wie sehr sie für die durchfahrenden Truppen besorgt seien und seine Augen glühten vor patriotischer Begeisterung, als er hinzufügte, daß er und seine Meckenheimer Damen – die weder Mühe noch Wege scheuten – schon manchem das Leben gerettet. Davon zeugen viele rührende Dankeskarten. Doch auch Frohsinn war Gast in dem kleinen Kreise. Man spielte und sang und „Durch des Vorsitzenden ‚List und Tück’ - floß auch manches blinkende Stück – in sein Soldatensäckel.“
   Aber nun behauptete man in Meckenheim, wir Bonner Mädchen wären nicht so patriotisch. Das dürfen wir uns nicht bieten lassen und darum, liebe Bonnerinnen, frisch an’s Werk: Noch haben wir zwei Tage und manches Bäumchen können wir noch schmücken. Das „Rote Kreuz“ am Bonner Bahnhof nimmt sie sicher gerne entgegen. Eine Bonner Patriotin 

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)