Samstag, 19. Dezember 1914

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Dezember 1914Die Kunde vom Siege in Polen wurde in Bonn erst am Spätnachmittage und in den Abendstunden des Donnerstags so recht bekannt. Das Publikum brauchte Zeit, um aus dem amtlichen Generalstabsbericht die Nachricht von den Erfolgen in Polen herauszufinden. Darin war zuerst vom westlichen Kriegschauplatz zu lesen, dann, daß aus Ostpreußen nichts Neues zu melden sei und zuletzt kamen die inhaltschweren Worte, daß die Offensive der Russen zusammengebrochen sei. Der österreichische Bericht, der später eintraf, bestätigte es, daß die Russen „vollständig geschlagen“ seien. Gegen Abend setzten die Kirchenglocken ein und gaben mit ehernem Munde die Siegesnachricht weiter. Da ging es denn wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt, die Kunde von dem großen Siege im Osten. Die siegverkündenden Fahnen herauszubringen, dazu war es schon zu spät geworden, der kurze Dezembertag war in das Dunkel des Abends versunken. Umso heller aber war die Freude in unseren Herzen. Gestern morgen erschienen die Fahnen auf den Balkonen, in den Fenstern und auf den Dächern, die dankend die Taten unseres tapferen Heeres grüßten. Verschiedentlich sah man auch die österreichischen Farben im Winde wehen; und das mit Recht, ist der Sieg in Polen doch ein deutsch-österreichisch-ungarischer Sieg. – Die höheren Schulen in Bonn blieben gestern zur Feier des Sieges im Osten geschlossen.

Vaterländische Reden und Vorträge. Der nächste Vortrag findet nicht, wie sonst üblich, am Mittwochabend statt, sondern bereits am nächsten Dienstag, den 22. Dezember um 8 ½ Uhr in der Aula des Städtischen Gymnasiums. Herr Benediktinerpater Albert Hammenstede wird über „Krieg und Soldatenstand im Lichte der katholischen Liturgie“ sprechen. Die Wiederholung dieses Vortrags findet erst nach dem Weihnachtsfeste statt.

Im Palasttheater wird heute und die folgenden Tage das Kriegsbild „Das Vaterland ruft“ vorgeführt, ein Heldenstück aus dem jetzigen Kriege.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Dezember 1914Die Münsterbibliothek im Kriege. Es wird uns geschrieben: Wenn man von dieser großen Zeit mit Recht eine Erhebung und Wiedergeburt des deutschen Volkes in mancherlei Hinsicht erwartet, so darf auch die Literatur eine Neubelebung erhoffen, insofern sich deutsche Art und deutsches Wesen auf sich selbst besinnen und von den verderblichen Einflüssen einer fremdländischen Literatur sich frei machen wird. Deshalb verdienen schon unsere Volksbibliotheken auch im Kriege eine wohlwollende Beachtung. Aber es kommt noch Wichtiges hinzu. Auch in diesen aufregenden Tagen greift man gerne zu einem schönen Buch, denn, sollen die Bücher die Freunde sein, dann dürfen sie ihn auch in schweren Zeiten nicht verlassen. Wenn man mehr denn sonst einer Aufmunterung und Ablenkung bedarf, dann sollen die Bücher erst recht dem Menschen nicht fehlen; die ihn wieder aufrichten und erfrischen; die ihn einmal für kurze Zeit der rauhen Wirklichkeit entreißen und die Gedanken auf friedlichen Gefilden sich ergehen lassen. Daher betrachtet es auch die Münsterbibliothek als eine vorzügliche Aufgabe, ihre Tätigkeit in den Dienst einer edlen Sache zu stellen und dem Lesebedürfnis des Volkes entgegen zu kommen. Sie wendet sich darum auch an die weitesten Kreise der Bevölkerung und ladet sie zur Mitgliedschaft ein. Die Bibliothek umfaßt nahezu 5000 Bände aus allen Gebieten der Literatur. In dem letzten Jahre wurden allein für ungefähr 1000 Mk. neue Bücher eingestellt und 20.775 Bücher ausgeliehen. Ihrem Grundsatz „Vom Guten das Beste“ ist die Münsterbibliothek stets treu geblieben und so werden von den Neuerscheinungen auf dem Büchermarkte nach sorgfältiger Prüfung die besten Erzeugnisse aufgenommen, so daß auch das Neueste, soweit es beachtenswert und einwandfrei, stets vorhanden ist. (...) Weihnachten steht vor der Türe, und manchem wird es schwer sein, einpassendes Weihnachtsgeschenk zu finden. Eine Mitgliedskarte der Münsterbibliothek würde vielen eine ebenso angenehme wie nützliche Gabe sein, und die geringe Auslage wird sicherlich viel Freude und Segen stiften. (...)

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Dezember 1914Mietezahlung von Kriegsteilnehmern. Sie brachten in der Donnerstags-Nummer einen Sprechsaal-Artikel, in dem sich die Frau eines Kriegsteilnehmers darüber beschwert, daß eon gutsituierter Hausbesitzer sich geweigert hat, 3 Mark von der Miete nachzulassen. Zudiesem Kapitel kann ich Ihnen einen Beitrag liefern, der meiner Ansicht nach die Handlungsweise dieses glücklichen Hausbesitzers noch übertrifft: Ich bin Witwe und ernähre mich durch das Vermieten möblierter Zimmer. Bei Ausbruch des Krieges kündigten mir sechs Herren die Wohnung und vier andere aus Ungarn mußten ebenfalls abreisen. Aus diesem Grunde bat ich meinen Hauswirt, die Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Dezember 1914Miete nachträglich zahlen zu dürfen. Stattdessen verklagte er mich und kündigte mir sofort die Wohnung. Durch Gerichtsbeschluß darf ich nun die Miete nachträglich zahlen, erhielt aber dafür eine Gerichts- und Anwaltsrechnung von annähernd 200 Mark. Bei etwas Entgegenkommen von seiten meines Hauswirts wären mir diese Unkosten erspart geblieben. Frau L.

Postbestellung durch Damen. Bei der großen Fülle von Paketen und Briefen zur Weihnachtszeit würde es sich wohl empfehlen, auch Damen einzustellen, da die Soldaten, die sonst herangezogen wurden, jetzt im Felde stehen. Zudem hat ein Liebesgabenpaket, das von zarter Hand gereicht wird, noch einen erhöhten Wert. Vielleicht tritt die Postverwaltung dieser Anregung einmal näher. Eine für Viele.

Zur Nachahmung. Ein rührender Anblick bot sich mir gestern, als ich unverhofft eine liebe Bekannte besuchte. Sie war damit beschäftigt, für unserer Verwundeten eine mächtige Kiste mit Liebesgaben für ein Feldlazarett sorgfältig zu verpacken. Freudestrahlend gestand sie mir, daß sie zugunsten armer Verwundeten in Feindesland auf jedes Weihnachtsgeschenk verzichtet habe. Gewiß eine schöne Tat, Deutschland kann stolz auf so edle Frauen sein. Frau Sch.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Dezember 1914Einladung der Franzosen an deutsche Soldaten. In einem Schaufenster der Geschäftsstelle der Deutschen Reichszeitung kann man eine gedruckte Einladungskarte sehen, die französische Flieger deutschen Soldaten zugeworfen haben. Der Text dieser Karten lautet:
  
„An die deutschen Soldaten! Es ist nicht wahr, daß wir, die Franzosen, die deutschen Gefangenen erschießen oder mißhandeln. Im Gegenteil, unsere Kriegsgefangenen werden gut behandelt, und bekommen gut zu essen und zu trinken. Diejenigen von euch, die dieses erbärmlichen Lebens überdrüssig sind, könne sich ohne Angst den französischen Vorposten unbewaffnet melden. Sie werden gut empfangen werden. Nach dem Krieg darf jeder wieder nach Hause.“
Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Dezember 1914   Wie die deutschen Soldaten dieser Einladung Folge geleistet haben, ist aus den Tagesberichten des Hauptquartiers bekannt.

Student und sozialpatriotische Tätigkeit. (...) Wie am 7. Dezember, so hielten auch gestern zwei Studenten, Mitglieder der Sozialstudentischen Bewegung, Zentrale Bonn, im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in je einem Saal Vorträge vor den Verwundeten. Die einfache und daher sehr ansprechende Art der Vorträge sowie der packende Inhalt, der der weltbewegenden jetzigen Zeit entnommen war – der eine Herr sprach über die Entwicklung des englischen Weltreiches und die Spannung zwischen England und Deutschland, der andere über unsere Feinde und ihre Gründe zum Eingreifen – ließ die Zuhörer aufmerksam folgen. Ein auf den ernsteren Vortrag folgendes Gedicht heiteren Charakters gab auch dem Frohsinn sein Recht. Die Anteilnahme der Verwundeten kam zum Ausdruck in dem an die Studenten gerichteten Wunsche, „noch mal wiederzukommen“.
  
Jetzt, wo das Vaterland mehr und mehr seine Kämpfer unter die Fahnen ruft, lichten sich auch mählich die Reihen unter den Mitgliedern der Sozialstudentischen Bewegung; da darf man wohl den Wunsch und die Hoffnung aussprechen, daß sich noch manche bisher weniger Interessierte finden, die bereit sind zu sozialpatriotischer Tätigkeit. Anmeldungen nimmt entgegen die Sozialstudentische Zentrale Clemensstraße 7.

Ein 15jähriger Bengel hat sich einen neuen Trick ausgedacht, um gute Gelegenheit zum „mopsen“ zu finden. Er geht in die Häuser bessersituierter Bürger, bietet Eier zum Verkauf an und benutzt einen geeigneten Augenblick, um Sachen und Sächelchen, die ihm gefallen, verschwinden zu lassen. Man hat das Bürschchen noch nicht festnehmen können. Es sei vor ihm gewarnt.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)