Montag, 14. Dezember 1914

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 14. Dezember 1914Eine türkische Weihnachtsliebesgabe für unser Heer. Wie uns vom Wolff-Büro aus Konstantinopel gemeldet wird, bereitet das osmanische Landesverteidigungskomitee die Sendung von zwei Millionen Paketen Tabak an die österreichisch-ungarische und deutsche Armee vor. Auf den Paketen werden die österreichische, die ungarische, die deutsche und die osmanische Fahne einander kreuzend dargestellt sein. – Auch das türkische Komitee der nationalen Verteidigung plant, zur Zeit des Weihnachtsfestes Zigaretten an das deutsche und das österreichisch-ungarische Heer zu schicken.

Der Gartenbauverein, Bonn, hält am Mittwoch, 16. Dez., abends 6½ , im Hotel „Du Nord“ seine Monatsversammlung ab. Auf der Tagesordnung steht u.a. ein Vortrag des Herrn Sandhack (Mehlem) über „Russische Verhältnisse“ und eine Aussprache: „Auf welche Weise kann der Gartenbauverein Kriegshilfe leisten?“

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Silberner Sonntag.
Anzeige im General-Anzeiger vom 14. Dezember 1914Wer gestern in den Nachmittags- und Abendstunden durch die Straßen der Geschäftsviertel ging und die große Menschenmenge an den hellstrahlenden Schaufenstern auf- und abwogen sah, und das lebhafte Treiben in den Geschäften selbst beobachtete, konnte die schweren Gedanken, die uns gegenwärtig erfüllen, für einen Augenblick vergessen und denken, alles ist wie früher, da wir noch nicht an die Nöte des Krieges zu denken hatten. Das Wiederaufleben der Geschäftstätigkeit und der Kauflust kann nur mit Freude begrüßt werden. Wenn sich auch ein großer Teil unsrer Bürgerschaft bei den Weihnachtseinkäufen mehr als in sonstigen Jahren einschränken muß, so gibt es doch dank unserer gesunden Wirtschaftslage sehr viele, die diese Rücksicht auf ihre Geldtasche nicht zu nehmen brauchen und die nach Belieben ihre Einkäufe machen können. Daß diese Kategorie beneidenswerter Mitbürger in Bonn nicht klein ist, konnte man am gestrigen silbernen Sonntag beobachten. Die Ladenbesitzer selbst werden dies am Umsatz gemerkt haben.
   Wenn eben gesagt wurde, daß das Straßenbild den Gedanken an Krieg wenig aufkommen läßt, so gilt dies mit Einschränkungen. Ein Blick in die Schaufenster nur, und sofort wird – namentlich in den Spielwarengeschäften – der Gedanke an den Krieg wach. Fast möchte man sagen, daß an dem sog. „Militarismus“, den uns unsere Feinde zum Vorwurf machen, doch etwas Wahres ist, denn die Spielwarengeschäfte sind beherrscht von Soldaten und nochmals Soldaten und alledem, was mit ihnen zusammenhängt. Einzelne Schaufenster starren sozusagen in „Wehr und Waffen“. Soldaten jeder Art und Größe, vom einfachsten Feldgrauen an bis zum Generalfeldmarschall in Paradeuniform sind in Papier, Holz, Zinn, Blei usw. zu sehen. Häufiger vertreten sieht man die sogen. Stoffsoldaten mit aufgeklebten Glasaugen und nicht allzu geistreichen Gesichtsausdrücken. Hie und da ist das Lagerleben im Felde, das Leben in den Schützengräben, beim Biwak, auf dem Kasernenhof usw. recht natürlich – mitunter humorvoll – dargestellt; es Anzeige im General-Anzeiger vom 14. Dezember 1914fehlt nicht der surrende Zeppelin, die kreisende Flugmaschine, noch viel weniger das „internationale“ Gefangenenlager. Daß sich vor diesen Schaufenstern die Menge, - insbesondere die Jugend – drängt, nimmt nicht wunder.
   Aber auch andere Geschäfte lenken den Blick auf unsere Krieger. Bekleidungs- und Wollwarengeschäfte geben Winke, daß warme Kleidung für unsere Feldgrauen zunächst die bevorzugteste Liebesgabe sein soll. Diese Geschäfte, sowie Lebensmittel- und Rauchwarengeschäfte hatten ebenfalls regen Zuspruch, denn „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“, so sagt man ja wohl. Kommt dazu eine gute Verdauungszigarre oder eine Pfeife Tabak, so werden unsere braven Krieger noch einmal so gern die Strapazen des Krieges hinnehmen. Der gesteigerte Straßenverkehr machte sich natürlich auch in solchen Geschäften bemerkbar, die nicht direkt für unsere Soldaten in Frage kommen.
   Alles in allem: der Silberne Sonntag hat, so darf man wohl sagen, zum größten Teil die Erwartungen erfüllt, teilweise sogar überstiegen, die man mit Rücksicht auf die gegenwärtige Zeit an ihn geknüpft hat. Und das ist ein erfreuliches Zeichen unserer gesunden Wirtschaftslage und Volkskraft. Der Goldene Sonntag wird dies hoffentlich noch mehr bestätigen.
   Bei dieser Gelegenheit mag schon jetzt darauf hingewiesen werden, daß man mit den Weihnachtseinkäufen nicht bis zu den letzten Tagen warten soll. Dem Geschäftsmann und auch dem Käufer ist besser gedient, wenn die Weihnachtseinkäufe sich ohne Hast in Ruhe abwickeln können.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Aus dem Feldpostbrief eines Bonner 235ers.
24. Nov. 1914
Anzeige im General-Anzeiger vom 14. Dezember 1914... Hier ist jetzt starker Frost. Stärker wie sonst bei uns zu Hause; aber dessen ungeachtet wird es uns doch nicht zu kalt hier; denn wir haben jetzt jeder eine wollene Decke erhalten. Und erst die Unterstände, die wir im Schützengraben gebaut haben, da ist es so warm drin, wie im heimatlichen Bette. Die sind so mit Stroh ausgefüllt, und so luftdicht gemacht, daß es eine wahre Pracht ist, darin zu liegen. Morgens um 8 oder 7 Uhr wird aus dem Unterstand gekrochen. Dann wird Essen geholt von der Feldküche, welche ½ Stunde hinter der Front anfährt. Ist das besorgt und der Magen gefüllt, so geht es wieder durch die Verbindungsgräben in unseren Bau zurück. Dann wird das Morgengebet verrichtet aus unserem Gebetbuch. Haben wir das getan, tritt das Quartett zusammen, und es werden ein paar geistliche Lieder gesungen. Dann braust „Die Wacht am Rhein“ durch den Schützengraben, oder sonst ein patriotisches Lied, welches unsere Musikkapelle, bestehend aus zwei Ziehharmonikas und einem Stocheisen, musikalisch begeleitet. Kommt der Mittag heran, so zwischen 12 und 2 Uhr, wo die Engländer sich Ruhe wünschen, dann kommt bei uns das Kartenspiel an die Reihe, oder es wird sonst etwas gemacht, so z.B. haben wir kürzlich einen Ziegenbock eingefangen (es läuft nämlich viel Vieh hier herum), ihm einen Brief mit allerhand Drohungen an die Rothosen an den Hals gebunden, und ihm ein französisches Käppi auf die Hörner gesetzt. Dann haben wir den Gaisbock mit Steinwürfen in den feindlichen Schützengraben getrieben, so daß die Franzosen wohl dachten, ihr alter Kaiser Napoleon wäre wieder vor ihnen erstanden. So wird der Nachmittag mit allerhand Kurzweil kleingemacht. Abends wird das Kochgeschirr und die Feldflasche umgehängt und es geht nun unter dem Schutze der Dunkelheit wieder zur Feldküche, wo wir eine delikate Erbsensuppe erhalten. Dann wird die Feldflasche mit heißem Kaffee gefüllt, um nach der Rückkehr in unseren Bau als Wärmeflasche für die Füße benutzt zu werden; nun ziehen wir die Decke über die Ohren, die Zeltbahn wird vor die Bude gehängt, und so schläft der Kriegsfreiwillige den Schlaf der Gerechten, bis ihn morgens die kalten Füße wieder wecken zum Beginn eines neuen Tages. So vergeht denn Tag um Tag, bis man wieder abgelöst wird ....

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)