Donnerstag, 10. Dezember 1914

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 10. Dezember 1914Der Bonner Vereinslazarettzug „K1“ ist jetzt von der Militärbehörde abgenommen und steht abgangsbereit. Wie wir erfahren haben, ist er am 4. d.M. eingehend durch ihre Kgl. Hoh., die Frau Prinzessin Viktoria zu Schaumburg-Lippe besichtigt worden, die von Anfang an ihr Interesse an dieser vaterländischen Hilfeleistung lebhaft, auch durch Spendung wertvoller Liebesgaben, bestätigt hat. (...) Die Ausstattung des Zuges fand dabei lebhafte Billigung, der Ihre Königliche Hoheit seither besonders durch Verleihung ihres gerahmten Bildes an den Zug Ausdruck zu geben geruht hat. (...)

Bei der letzten Aussprache über „Gefangene und Vermisste“ am 7. Dezember wurden u.a. die Namen von 37 in Castres untergebrachten deutschen Kriegsgefangenen, die aus der hiesigen Gegend stammen, verlesen. Die Namen hatte der Kommandant des dortigen Gefangenenlagers auf Anfrage der hiesigen Hilfsstelle mitgeteilt. Die betr. Angehörigen wurden unverzüglich benachrichtigt. Außerdem lag eine direkte Mitteilung aus einem Hospital (Kaserne) zu Agde bei Cettes vor, wonach mehrere daselbst untergebrachte Verwundete, trotzdem sie schon lange nach Hause geschrieben, bisher keinerlei Nachricht von ihren Angehörigen erhalten haben. Letztere wurden hiervon verständigt, da allem Anschein nach die Briefe dieser Gefangenen nicht befördert worden sind.

Anzeige im General-Anzeiger vom 10. Dezember 1914Vaterländische Reden und Vorträge. Herr Prof. Dr. Immelmann hielt gestern Abend einen Vortrag über das Thema. „Der deutsche Krieg und die englische Literatur“. Der Redner gab in seinen fesselnden Ausführungen einen ausgezeichnet orientierenden Ueberblick über die Erscheinungen der neueren englischen Literatur, die er vor allem daraufhin untersuchte, wie in ihren Gestaltungen und Charakterisierungen die englische Auffassung der Deutschen und des Deutschen sich kundgibt. Das recht unerfreuliche Gesamtbild, das sich als das Ergebnis dieser Untersuchung zeigt, erklärte der Vortragende durch die Tatsache, daß die englische Literatur mehr als jede andere von außerliterarischen, in diesem Falle also von politischen Dingen beeinflusst ist. Der interessante Vortrag wurde mit starkem Beifall aufgenommen.

Neutralöle und Fette zu Schmier- und Leimseifen zu verarbeiten, ist vom 1. Januar 1915 ab verboten. Mit diesem Verbot ist beabsichtigt, eine heute bestehende Glyzerinvergeudung in Seifensiedereien zu verhindern. Den Fabrikanten werden nähere Auskünfte erteilt von der Kriegschemikalien-Aktiengesellschaft, Berlin, Mauerstraße 63+65, und vom Verband der Seifenfabrikanten Charlottenburg, Querickestraße 12.

Schlägerei. Gestern abend entstand in der Hundsgasse eine Schlägerei, wobei Verwundete, die Zivilkleider angelegt hatten, beteiligt waren. Die Polizei musste einschreiten. Ein an der Schlägerei Beteiligte wurde zur Wache gebracht.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Wöchentliche Einsammlung von freiwilligen Rote-Kreuz-Spenden; ein Vorschlag zur Güte. Jede Bonner Familie, die die Not unserer Zeit würdigt, und die schwere Aufgabe, vor die das Rote Kreuz gestellt, und gewillt und in der Lage ist, zu ihrer Linderung und Lösung beizutragen, verpflichtet sich durch Listeneinzeichnung allwöchentlich eine Mark zu bezahlen. Die Stadt würde etwa in vier Sammelbezirke einzuteilen sein; Zentrum, Südstadt, Nordstadt und Weststadt, so daß die Sammler ihren bestimmten Stadtteil hätten. Damit die Spenden möglichst ungekürzt dem Roten Kreuz zugute kämen, müsste die allwöchentliche Einsammlung kostenlos geschehen, etwa durch Schwestern, oder durch sich legitimierende Pfleger. (...)Wir (...) erfüllen damit ja nur eine Dankespflicht gegen unsere tapferen Krieger, die Beschützer unseres Vaterlandes und unserer leben Heimat. B.
   Wir unterbreiten diesen beachtenswerten Vorschlag der Oeffentlichkeit und haben dazu nur das eine einzuwenden, daß man die Arbeitslast der Schwestern und Pfleger auch noch diese allwöchentlichen Sammelgänge nicht aufbürden könnte. Es wäre aber sicher ein leichtes, für andere freiwillige Hilfskräfte zu finden. D. Red.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 10. Dezember 1914Ueber die Bonner Erfrischungsstation „Prinzeß Viktoria“ in Lille schreibt ein dort stationierter Militärbeamter an seine hier wohnenden Eltern:
  
.... Heute vormittag habe ich mir auch die von Dir erwähnte Erfrischungsstation „Prinzeß Viktoria“ aus Bonn angesehen. Das ist ja eine wunderbar schöne Einrichtung! Mehrere Hundert Soldaten waren grade im Vorraum beim Verzehren einer guten, warmen Suppe, und dauernd kamen neue Mannschaften an. Ich habe verschiedene Leute befragt: alle waren glücklich, auf solche bequeme Art ein gutes und warmes Essen zu bekommen. Die Erfrischungsstation „Prinzeß Viktoria“ ist wirklich eine segensreiche Einrichtung und hier in Lille, in Feindesland, viel eher angebracht wie in der Heimat, wo ohnehin unsre braven Soldaten überreich beschenkt werden. Eure schöne Stadt Bonn darf stolz darauf sein und sich versichert halten, daß viele Tausende Soldaten ihr von ganzem Herzen dankbar für diese Einrichtung sind ....

Der Verein von Altertumsfreunden im Rheinland veranstaltete gestern abend seine Winckelmannsfeier durch einen Vortrag des Herrn Geheimrat Winter über die deutsche Archäologie seit 1870 in ihrer Beziehung zum Auslande.
   Anzeige im General-Anzeiger vom 10. Dezember 1914
Zu Eingang seines Vortrages erinnerte Geheimrat Winter daran, daß die letzte Tagung des Vereins am 30. Juli schon unter den Stürmen der politischen Lage gestanden habe und daß am zweitfolgenden Tage der Krieg ausgebrochen sei. (...) Die deutschen Unternehmungen in Kleinasien hätten in Konstantinopel zur Gründung eines türkischen archäologischen Museums geführt, das heute schon große Schätze berge. Während die französischen und englischen Museen meistens durch Raub zusammengebracht worden seien, habe die deutsche Altertumswissenschaft ihre Ausgrabungen im gesetzlichen Zusammenwirken mit der Pforte ausgeführt und alle Gegenstände rechtmäßig erworben.
   Der heutige Krieg gehe gegen das Reich. Er gelte der Vernichtung der nationalen und wirtschaftlichen Fortschritte seit dem Jahre 1870. Würden wir unterliegen, dann werde auch unsere archäologische Wissenschaft auf lange Zeit zurückgeworfen, aber das werde nicht eintreffen. Die Kraft unseres Heeres wird uns davor bewahren. Lebhafter Beifall wurde dem Vortragenden zum Schluß zuteil.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Städtischer Kartoffelverkauf. Vor einiger Zeit, als der Kartoffelkrieg die Spalten der Zeitungen füllte, erließ die Stadtbehörde eine Anzeige, worin die Kartoffelhändler (Landleute) zur Abgabe von Preisofferten aufgefordert wurden. Seitdem hört man aber nichts mehr vom städtischen Kartoffelverkauf. Alles scheint wieder eingeschlafen zu sein. Hoffentlich läßt der erwähnte Verkauf nicht mehr lange auf sich warten. Ein Familienvater, welcher noch keine Kartoffeln hat.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 10. Dezember 1914Für 800.000 Mark Goldmünzen in Bonn gesammelt. Die von der hiesigen Handelskammer gemeinsam mit einer Reihe von wirtschaftlichen und gemeinnützigen Vereinen veranstaltete Werbetätigkeit für die Zuführung des im Umlauf befindlichen Goldgeldes an die Reichsbank ist zwar noch nicht ganz abgeschlossen. Sie hat aber schon bis jetzt einen über alles Erwarten hinausgehenden Erfolg aufzuweisen. Wenn auch die Summe, welche infolge dieser Werbetätigkeit eingegangen ist, sich nicht bestimmt bezeichnen läßt, weil die Goldmünzen zum großen Teil direkt , sei es bei der Reichsbank, sei es bei den Postämtern, Sparkassen oder sonstigen öffentlichen Kassen eingeliefert worden sind und darunter auch Beträge aus der nächsten Umgebung sich befinden, so darf doch mit Sicherheit gesagt werden, daß zum mindesten von dem gesamten bei der hiesigen Reichsbank-Nebenstelle abgeführten Goldgeld der Betrag von wenigstens 800.000 Mark auf die Werbetätigkeit hin eingezahlt worden ist. Es ist dies ein treffliches Zeichen für den Patriotismus, der in allen Schichten unserer Bonner Bürgerschaft in hohem Maße beobachtet wird und es bleibt nur zu wünschen, daß auch fernerhin jeder, der Goldgeld im Verkehr erhält dasselbe der Reichsbank zuführen möge. Millionen von Goldgeld sind noch im Verkehr, sie können großen Nutzen und Segen stiften, wenn sie der Reichsbank überlassen werden.

Der Freiwillige Hilfsausschuß für durchfahrende Truppen hat im Bürger-Verein eine öffentliche Versammlung abgehalten, in der der Vorsitzende, Herr Dr. Kranz, einen ausführlichen Bericht über die bis jetzt geleistete Arbeit des Hilfsausschusses erstattete. Die wenigsten Bonner machen sich ein richtiges Bild von dieser Riesenarbeit. Das kommt wohl zunächst daher, weil die Damen und Herren, die in dem Ausschuß tätig sind, ganz in der Stille schaffen und nur dann an die Oeffentlichkeit treten, wenn sie neue Vorräte an Speise und Trank, an Kleidern und Tabak haben müssen. Wer weiß zum Beispiel, was es heißt, an einem einzigen Tage 25000 Butterbrote fertig zu machen und an den Zügen zu verteilen, wie das in den ersten Kriegswochen öfter vorgekommen ist? Wer hat gesehen, wie viel Stunden, Tage und Wochen unermüdlicher Arbeit es gekostet hat, um die Vorbereitungen zu treffen, die zur Pflege und Hilfeleistung der Verwundeten, der Wachen und der Soldaten, die nicht in Quartieren waren, notwendig geworden sind. Tag und Nacht mußten die Helferinnen bereit sein. Das konnte nur geschehen durch Gruppenbildungen, um die sich Direktor Bins und Reinicke verdient machten. Um einen Begriff von der Größe der zu bewältigenden Aufgabe, Verpflegung der durchfahrenden Truppen, zu erhalten, erinnere man sich nur an die außerordentlich langen Truppenzüge, die in den ersten Wochen unseren Bahnhof passierten.
   Anzeige im General-Anzeiger vom 10. Dezember 1914Für die Truppen in der Eifel wurde ein Extrazug mit allem Nötigen ausgestattet. Da allmählich die Verpflegungs- und Verbandsstation an der Weststraße nicht mehr voll in Anspruch genommen wurde, richtete man nach langen Verhandlungen die Verpflegungs- und Verbandstation „Prinzessin Viktoria Bonn“ in Lille ein, über die die D. Reichs-Zeitung des öfteren berichtet hat. Die Station hat sich bis jetzt sehr gut bewährt und findet die vollste Anerkennung der Militärbehörden. Die Räume werden nicht leer von Soldaten und Offizieren, die dort eine Erquickung suchen. In den drei Wochen des Bestehens sind z.B. über 100000 Liter Suppe verabreicht worden. –
   Unterdessen war man in Bonn nicht müßig. Es wurde am Markt eine Lesehalle für die Verwundeten eingerichtet, Bücher und Zeitschriften wurden gesammelt, den Lazaretten der Stadt überwies der Ausschuß Leibwäsche für die Verwundeten, ferner Zigarren, Wein, Obst, Lektüre und Spiele, die alle durch freiwillige Liebesgaben aufgebracht wurden.
   Schließlich ließ sich der Hilfsausschuß auch die Versorgung der Truppen an der Front mit Liebesgaben angelegen sein. In mehreren Fahrten mit Autos wurden die Gaben zu unseren Bonner Regimentern gebracht. Um diese Fahrten mit Liebesgaben zu ermöglichen, wurde eine rege Sammlung unter der Bürgerschaft veranstaltet. Um ein Bild zu geben, wie gern und reichlich unsere Bonner beigesteuert haben zu dem guten Werke, sei das Resultat der Kriegswollsammlung vom 30. Oktober und 3. November bekannt gegeben. Es wurden gesammelt: 4780 Hemden, 1128 Unterjacken, 298 gestrickte Jacken, 2410 Leibbinden, 1695 Lungenschützer, 335 paar Kniewärmer, 1069 Kopfhauben, 702 Ohrenwärmer, 3685 paar Stauchen, 340 Paar Handschuhe, 611 Schals, 7584 Paar Strümpfe, 596 Paar Fußlappen, 32 Paar Fußwärmer, 59 Westen mit Aermel, 946 Westen ohne Aermel, 1313 Taschentücher, 1507 wollene Decken, 23 Steppdecken und 42 Hosenträger. Wahrlich, diese Aufstellung zeigt, von welchem Geiste der Opferwilligkeit und Gebefreudigkeit unsere Bonner beseelt sind. Von diesen Sachen ist schon ein großer Teil anfangs und Mitte November an die Front abgegangen, ein anderer kommt in Weihnachtspaketen zu unseren Truppen.
   Herr Wallasch erstattete den Geschäftsbericht, Herr Bankdirektor Weber den Kassenbericht. Im ganzen sind 50676,31 Mark eingegangen, ausgegeben wurden bis jetzt 44760 Mark, darunter 3000 Mark für Elsaß-Lothringen und 2775 Mark für Weihnachtspakete. Die Sachen wurden vorzugsweise in kleineren hiesigen Geschäften gekauft.
   Herr Dr. Kranz dankte allen Mitarbeitern im Freiwilligen Hilfsausschuß mit herzlichen Worten, besonders den wackeren Pfadfindern, die Tag und Nacht unermüdlich tätig waren.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)