Donnerstag, 26. November 1914

 

Bei der letzten Aussprache über Gefangene und Vermißte wurden Mitteilungen über das Los der Gefangenen gemacht und Nachrichten von ermittelten bekannt gegeben. Aus den Mitteilungen ging hervor, daß die Behandlung unserer gefangenen Brüder in Frankreich sehr verschieden ist, ganz besonders in bezug auf schriftliche Mitteilungen in die Heimat. Während z.B. in einigen Orten die Gefangenen seit der Einlieferung nur einmal Nachricht gegeben haben, können in anderen Orten die Gefangenen unbeschränkt, oder doch in kurzen Zwischenräumen, schreiben. (...)

Benzin und Benzol ist seit langem wieder im Handel. Da noch immer Anfragen beim stellvertretenden Generalkommando einlaufen, machen wir erneut darauf aufmerksam (...)

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 26. November 1914Das Auslegen von Tageszeitungen und Witzblättern des feindlichen Auslandes an den dem Publikum allgemein zugänglichen Orten (Wirtschaften, Gasthäusern, Wartesälen, Zeitungsverkaufsstellen usw.) wird vom kommandierenden General des 8. Armeekorps vom 1. Dezember an untersagt. Zuwiderhandlungen werden auf Grund des Gesetzes über den Belagerungszustand mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft.

Das Reisegepäck von Angehörigen feindlicher Staaten ist durch Verordnung des kommandierenden Generals des 8. Armeekorps beschlagnahmt worden. Das gilt auch für das schon bei Kriegsausbruch von den Eisenbahn-, Zoll- und Postbehörden zurückgehaltene oder bei Reedereien, Spediteuren oder Privatpersonen lagernde Reisegepäck. Die Aufbewahrer sind verpflichtet, das Vorhandensein solchen Gepäcks dem stellvertretenden General-Kommando des 8. Armeekorps anzuzeigen.

Eine Sammelstelle für Weihnachtsgaben an die im Felde stehenden Soldaten hat der Vaterländische Frauenverein für den Stadtkreis Bonn im Gebäude des Oberbergamts, Konviktstraße 2, eröffnet. Die Pakete enthalten je fünf Spenden. Sie werden vorschriftsmäßig verpackt und mit dem Namen der Spenderin Anzeige im General-Anzeiger vom 26. November 1914versehen in Säcke genäht und Anfang nächster Woche nach Koblenz übergeführt, um durch die militärischen Behörden ins Feld befördert zu werden. Einigen Tausend Kriegern wird allein durch die Sammlung des Vaterländischen Frauenvereins, Stadtkreis Bonn, eine Weihnachtsfreude gemacht werden und die Krieger im Felde werden gewiß um die Weihnachtszeit dankend der Frauen und Mädchen von Bonn gedenken.

Rotwein für die Truppen. An dem ausgezeichneten Verlauf unserer Mobilmachung hat bekanntlich das Verbot alkoholischer Getränke auf den Bahnhöfen und während der Truppentransporte nach allgemeiner Meinung einen erheblichen Anteil, und bei den außerordentlichen Anstrengungen, die unseren Armeen in den Schlachten in den heißen August- und Septembertagen zugemutet werden mussten, hat es sich ebenfalls vortrefflich bewährt. Bei dem plötzlichen Eintritt nasskalter Witterung und den dadurch bei manchen Soldaten bedingten Darmstörungen war das Verlangen der Truppen nach alkoholischen Getränken, besonders Rum und Arrak, wegen der vorübergehenden Erwärmung der Haut und des subjektiven Wohlbefindens, das sie erregen, begreiflich. Sollte wegen der Witterung- oder Gesundheitsverhältnisse künftig auf alkoholische Getränke zurückgegriffen werden müssen, so wird in erster Linie die gelegentliche Ausgabe einer Weinportion, am besten Rotwein, an die Truppen erfolgen. Die Mäßigkeitsbestrebungen in der Armee werden im übrigen auch weiterhin nachdrücklich gefördert werden.

Anzeige im General-Anzeiger vom 26. November 1914Im Lazarett der Beethovenhalle finden allsonntaglich Morgenkonzerte statt, die jedes Mal für die dort liegenden Verwundeten eine große Freude bilden. Die musikalischen Darbietungen werden gewöhnlich durch ein Bach’sches Präludium eingeleitet, das der städtische Kapellmeister Herr Heinrich Sauer auf der Orgel zum Vortrag bringt, ferner gelangen katholische und evangelische Choräle auf der Orgel zur Wiedergabe. Die Kranken hören sorgfältig gewählte Teile aus unseren Meisteropern, hin und wieder wird ihnen auch ein Geigensolo oder ein Gesangsolo von künstlerisch wertvollen Kräften dargeboten, und den Schluß dieser ergreifenden Morgenkonzerte bilden immer vaterländische Lieder, insbesondere wird in brausenden Akkorden „Deutschland, Deutschland über alles“ auf der Orgel zu Gehör gebracht, wobei die Verwundeten, soweit sie hierzu nach ihrem Zustande in der Lage sind, stets frohen Herzens mit einstimmen, ja sogar selbst die Franzosen, die zu Beginn des Krieges dort lagen, sangen in dem vaterländisch-erhebenden Chorus mit. Den beteiligten Künstlern, die sich allsonntaglich der Aufgabe widmen, durch ihre Kunst den Vewundeten eine Stunde der Erheiterung und musikalischen Erbauung zu bieten, gebührt herzlicher Dank, der ihnen von den Kranken auch stets in spontaner Weise durch lebhafte Beifalls-Aeußerungen zum Ausdruck gebracht wird.

Zur Warnung für Gerüchteverbreiter. Das Kriegsgericht zu Coblenz verurteilte den Mechaniker Darder aus Rümelingen, der unwahre Gerüchte über die Kriegslage verbreitet hatte, zu drei Monaten Gefängnis.

 (Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 26. November 1914Lustiges von unseren Bonner Kriegern im Felde. Unsere Bonner Soldaten sind am Martinsabend mit „Märtenslämpchen“ durch einen französischen Ort gezogen und haben so kräftig sie konnten „De hillige Zinte Märtens“ gesungen. Am folgenden Tage, dem 11. im 11. veranstalteten sie sogar eine regelrechte Karnevalssitzung mit einem eigens zu diesem Zweck gedichteten Prolog, Büttvorträgen und Ordensverleihung. Davon erzählt der folgende Feldpostbrief, der dem Präsident der „Bonner Großen Karnevalsgesellschaft“, Herrn Fritz Mauß, zugegangen ist:

.... In B. liegt z. Z. das Feld-Lazarett 1, welches hier eine Leichtverwundetensammelstelle eingerichtet hat. Am 10. November bei Anbruch der Dunkelheit sammelten sich die Mannschaften desselben mit den Mannschaften einer nahen Proviantkolonne zu einem Martinszuge. Voran ritt auf einem Schimmel im weißen Gewande, die Bischofsmütze auf dem Kopfe, der hl. Martinus, alsdann folgte die aus 6 Mann bestehende Kapelle, als Instrumente dienten: Pappdeckelrollen als Trompete, Kesseldeckel und Kaffeedeckel als dicke Trommel. Dahinter gingen etwa 200 feldgraue „Martinskinder“, die sich aus ausgehöhlten Knollen kunstvoll Martinslämpchen hergestellt hatten, hauptsächlich waren Franzosengesichter dargestellt. Unter den Klängen des alten, lieben Bonner Martinsliedes: Der heilige Zinter-Märtens dat wor ne jode Mann, er jov de Kinder e Kerzge und stoch et selver an usw. ging es durch die kleinen Straßen des Ortes. Die noch hiergebliebenen Einwohner schauten neugierig hinter den Gardinen her: was werden sie wohl gedacht haben ... Es ging hinaus auf das freie Feld, wo schon ein großer Haufen Brennmaterial aufgeschichtet war. Oben drauf stand eine ausgestopfte Puppe, die einen französischen Soldat darstellte. Als der Haufen unter den frohen Gesängen der Martinslieder in hellen Flammen stand, als der Franzmann sich nach vorne beugte und Feuer fing, ertönte aus dem Munde der umstehenden Krieger das französische Malheur – Maleur.
   Mit dem Gefühle, ein paar Stunden heimisches Leben genossen zu haben, trennte man sich, um sich wieder der ernsten Kriegsarbeit zu widmen.

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 26. November 1914In anderen Lagern fanden sich, aus Bonner Jungens bestehende Krieger zusammen, um den 11. im 11. in gebührender Weise zu feiern, obwohl es uns an Damen und Alkohol fehlte. In einer kleinen Franzosenstube, welcher man die Bezeichung „Villa Sangeslust“ gegeben hatte, saßen der „Schöppenrat“ und seine Getreuen. Aus buntem Papier waren Narrenkappen angefertigt worden. Die Feier hatte eine reiche Abwechslung, in Büttreden, Vorträgen und gemeinschaftlichen Liedern. Jeder erhielt einen aus Pappdeckel geschnitzten Orden als Auszeichnung. Ganz besonders gefiel der Prolog von Kamerad S.P. Er lautet: „Hier liegen wir im schönen B. – Zum Heil dem deutschen Feldsoldat – Uns allen fehlt heut sehr der Brandy – Damit das Fest wird delikat. – Die rheinische Art nicht läßt sie sich verbergen – Drum töne heut vom Welschen Aisne Tal – Ein närrischer Sang zu rheinischen Landen – Ein Vivat hoch dem Prinzen Karneval. – Schwingt Brüder hell die Narrenkappe – Ihr von der Stube Sangeslust – Und schwartet ordentlich die Lappen – Als Lohn wird Euch geziert die Brust. – Und singt nur frisch wie Ihrs gelernt – Daheim am heiligen Strom – Für Singen und Sagen Euch gern gebeut – Prinz Karneval Generalpardon. – Hoch lebe die fröhliche, die rheinische Art – Hoch der rheinische Damenflor  Hoch lebe der köstliche kleine Rat – Hoch der närrische fidele Humor. - - - Bis zur gebotenen Stunde schwang der Schultheis, Kamerad M.S. , in würdiger Weise sein Zepter, und so hatten wir im Feindesland einige schöne Stunden Erinnerung an rheinische Sitten und Humor. A. K.

Auch in Rußland haben die Bonner an den Karneval gedacht. Einer schreibt:
... Am meisten freut es uns, daß wir noch den Elften im Elften erleben konnten. Manches Mal haben wir daran gezweifelt. Aber : et hätt noch immer joht jejange. Grüßen Sie die Herren der „Bonner Großen“ von mir. Auf ein frohes Wiedersehen in Bonn. Paul Massart.

Ein großes Konzert für die Verwundeten. Den zahlreichen Verwundeten, die in den Anstalten unsrer Stadt liebevolle Aufnahme gefunden haben, wird am nächsten Sonntag um 3 Uhr nachmittags im Saale des Bürgervereins ein auserlesener Musikgenuß bereitet durch den Männergesangverein „Apollo“ (Leitung Herr Fr. Eschweiler) unter gefälliger Mitwirkung von Frau Landrichter Dr. Kaufmann, Frau Elly Ney van Hoogsstraaten, Herrn von Hoogsstraaten, Herrn Kapellmeister H. Sauer und Herrn Privatdozent Dr. Verweyen. Der Saal ist ausschließlich den Verwundeten eingeräumt; während die Galerie für Mitglieder und Gönner der Veranstaltung zur Verfügung steht.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)