Donnerstag, 5. November 1914

 

Fein den Mund gehalten! Man darf sich darüber nicht täuschen: Es leben bei uns nicht nur viele Ausländer, sondern ganz sicher - auch nach amtlicher Auffassung – zahlreiche Spione und Agenten. So ist es begreiflich, wenn die Warnung vor unvorsichtigen und leichtsinnigen Gesprächen und Mitteilungen von Zeit zu Zeit wiederholt wird, weil sie nicht überall Beachtung findet. Die „Kreuzzeitung“ schreibt in dieser Beziehung: In privaten Kreisen und auch in der Oeffentlichkeit, werden immer noch Unterhaltungen geführt, die fremden Ohren erwünschte Gelegenheit geben, Nachrichten zu sammeln, die für unsere Feinde von Interesse sind. So findet z.B. in ersten Berliner Hotels in der Teestunde eine Art Nachrichtenaustausch statt; auch in den verschiedenen Vereinigungen aller Stände, die sich in dankenswerter Weise bestreben, die Kriegsnot zu lindern, werden Neuigkeiten aus Feldpostbriefen ausgetauscht, die später aus dem engeren Kreise herausgetragen werden. Möchten doch hier die Beteiligten bedenken, daß der Krieg um unsere Existenz eine zu ernste Sache ist, um etwa über ihn in einem Kaffeekränzchen zu plaudern. Möge man sich immer wieder vergegenwärtigen, daß das Leben unserer Väter, Gatten, Brüder und Söhne auf dem Spiel steht und daß diese leichtfertige Mitteilsamkeit Tausenden braver Soldaten das Leben kosten kann! Es gibt auch einen Verrat am Vaterlande, der zwar nicht unter das Spionagegesetz fällt, aber oft mehr Schaden anrichtet, als die Preisgabe eines durch jenes Gesetz geschützten militärischen Geheimnisses. Hoffentlich wird dieser Hinweis endlich genügen, um den sich schuldig Fühlenden das Gewissen zu schärfen und ein Eingreifen des Strafrichters unnötig zu machen!

Anzeige im General-Anzeiger vom 5. November 1914Der 4. Vaterländische Volksabend, den die Bonner Sozialen Wohlfahrtsvereinigung veranstaltet, wird am Sonntag, den 8. November, abends 8 ¼ Uhr, in den Sälen des Bonner Bürger-Vereins stattfinden. Er wird einen Lichtbildervortrag über „Die deutsche Seemacht“ bringen, der in 75 Lichtbildern den Hörern vorgeführt wird. Ferner hat die Bonner Liedertafel mit 150 Sängern ihre Mitwirkung zugesagt, und auch die Herren Heinz Mirgel (Bariton) und Eduard Lenz (Tenor) haben ihre bewährte Kraft in den Dienst der guten Sache gestellt. Eintrittsprogramme sind zum Preise von 20 Pfg. in der Buchhandlung Friedrich Cohen, Am Hof, bei Jos. Schroeder, In der Sürst, sowie an der Abendkasse zu haben.

Die Firma Franz Ant. Mehlem in Bonn hat zur Unterstützung der bedürftigen Angehörigen ihrer Arbeiter, die im Felde stehen, eine Kriegsunterstützungskasse gegründet. Dieser sind vorläufig aus dem Reservefond der im Jahre 1892 von Herrn Geheimrat Guilleaume gegründeten Unterstützungskasse 35 000 Mark zugeführt worden. – Außerdem sind alle Kriegsteilnehmer, ungefähr 130 Personen, in der Kriegsversicherung der Rheinprovinz gegen Todesfall versichert.

Anzeige im General-Anzeiger vom 5. November 1914Ueber Beschaffung und Bezug von Gummireifen für Kraftwagen werden folgende Vorschriften bekannt gegeben: Gemäß Verfügung des Kriegsministerium ist der Reifenverbrauch für militärische und private Kraftwagen auf das äußerste einzuschränken. Folgende Maßnahmen werden dabei angeordnet:
   1. Der Ankauf und die Ausgabe von Reifen hat seitens der eingerichteten Bereifungslager – für Köln in Köln Deutz (Gasmotorenfabrik) und Düsseldorf – ausschließlich gegen Umtausch der alten Reifen zu erfolgen.
   2. Unnötiges, schnelles Fahren wird verboten, da der Reifenverschleiß hierbei, besonders in Krümmungen, außerordentlich wächst (bei Lastwagen nicht über 30 Kilometer). Zuwiderhandlungen werden bestraft. (...)
   3. Die Bereifungslager sind angewiesen, alle von der Front zurückkommenden schadhaften Reifen, die sich instandsetzen lassen, unverzüglich wiederherstellen zu lassen. Diese instandgesetzten oder zurückgesetzten Reifen werden an die Kraftfahrzeuge der Heeresverwaltung im Heimatgebiet verausgabt. Neue fehlerfreie Reifen erhalten nur die Kraftfahrzeuge des Feldheeres. Der Verkauf von Reifen an Privatpersonen ist verboten, außer zur Bereifung der für die Heeresverwaltung bestimmten neuen Kraftfahrzeuge.
    4. Privatpersonen, welche Reifen zu kaufen wünschen, werden an die Bereifungsstellen – Ziffer 1 – verwiesen, die in Einverständnis mit der Verkehrsabteilung des Kriegsministerium entscheiden werden, ob und in welchem Maße der Privatbedarf aus wieder instandgesetzten oder zurückgesetzten Reifen befriedigt werden kann.
Köln, den 1. November 1914
Der Guvernör der Festung Köln
Gez. v. Held

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 5. November 1914Vaterländische Reden und Vorträge. (Neunter Abend). Frau Dr. L. Nießen-Delters: „Der Krieg und die Deutschen im Auslande.“ Ohne Zweifel, mit der Rednerin wird’s sich in einer behaglichen Kaminecke angenehm plaudern lassen. In anregendem Plauderton und viel anmutigem Beiwerk legte Frau Nießen-Delters dar, daß der Deutsche in der ganzen Welt nicht sonderlich „beliebt“ sei. Das komme vor allem von seinen Erfolgen, aber auch von dem Eindruck, den der deutsche Auslandsreisende mache. Schalkhaft spielte sie dabei an auf das berühmte deutsche „Lodenröckchen“, das „Besserwissenwollen“ und die Bescheidenheit der Deutschen im „Trinkgeldgeben.“ Aber nicht zuletzt sei auch der deutsche „Militarismus“ dem Auslande ein Dorn im Auge. Die unfreundliche Stimmung des Auslandes werde systematisch geschürt durch die Preßhetze, vor allem der englischen und französischen Blätter. (...) Deutschland werde durch diese Preßhetze außerordentlich geschädigt. Das nichtkritische Publikum bilde sich nach Zeitungsnachrichten sein Urteil über Deutschland, das sicherlich nicht zum Vorteil für uns ausfalle. Das habe sich vor allem nach Ausbruch des Krieges gezeigt. Wenn wir jetzt nach und nach einen gewissen Umschwung der Stimmung des neutralen Auslandes zu verzeichnen haben, so sei das vor allem auf die eifrige Tätigkeit der Auslandsdeutschen zurückzuführen, die mit großer Energie gegen die lügenhaften Reuter- und Havas-Meldungen vorgegangen seien. Aus alledem gehe klar und deutlich hervor, daß Deutschland mit aller Energie einen guten Auslands-Nachrichtendienst anzustreben habe.

Zur Petroleumnot. Durch die Kriegswirren ist seit nunmehr einem Monat eine Stockung in der Petroleumzufuhr eingetreten, die namentlich von kleineren Handwerkern und Familien, die ausschließlich auf dies Beleuchtungsart angewiesen sind, hart empfunden wird. Einzelne Geschäfte erhalten von ihren Lieferanten jetzt nur noch kleine Quantitäten von 20 bis 30 Litern, die dann an die Kundschaft in halben, höchstens ganzen Litern abgegeben werden. Einem hiesigen Grossisten, der im November vorigen Jahres 600 Liter benötigte, wurde für den laufenden Monat nur das halbe Quantum zugesagt. Durch die vor einigen Jahren hier eingeführte Einrichtung der Gasautomaten ist der Kreis der in Mitleidenschaft gezogenen Einwohner wesentlich geringer geworden, und gar mancher, der bis jetzt den Anschluß an das Gaswerk versäumt hat, bedauert dies, da das Gaswerk während der Dauer des Krieges keine neuen Automaten mehr aufstellt. Wie groß die Petroleumnot ist, erhellt daraus, daß in einzelnen Geschäften bis zu 60 Petroleumkannen stehen, die von Hausfrauen dort deponiert wurden, um gleich bei der Hand zu sein, falls eine neue Sendung eintrifft. Das einzig Erfreuliche ist, daß der Preis voraussichtlich keine Steigerung erfahren wird.

Ein größerer Verwundeten-Transport ist gestern hier angekommen. Der größte Teil der Soldaten wurde in das Johannis-Hospital und in die klinischen Anstalten übergeführt.

 (Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 5. November 1914Stadttheater. Aus der Theaterkanzlei wird uns geschrieben: In ernsten Zeiten macht das Bedürfnis, zeitweilig sich einmal den Alltagssorgen zu entschlagen und von den Tagesereignissen sich völlig ablenken zu lassen, sich doppelt geltend. So ist der allerorten hervorgetretene Wunsch erklärlich, daß die Theater sich nicht nur auf patriotische und kriegsgemäße Stücke verlegen, sondern auch gesundem Humor sein Recht geben mögen. Französische Ehebruchsdramen und Aehnliches sind selbstverständlich ausgeschaltet, aber neutrale Stücke, wenn sie gut sind, sollen neben unseren Klassikern zu Wort kommen. So wird morgen ein liebenswürdiges Stück: „Als ich noch im Flügelkleide“ erstmalig in Bonn aufgeführt werden. Über die erste Aufführung in Chemnitz schreibt die Presse sehr günstig.

Waffendienst der Lehrer. Der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten hat bestimmt, daß felddienstfähige Lehrer, inbesonderheit solche, die mit der Waffe ausgebildet sind, nur in ganz besonders dringenden Ausnahmefällen als unabkömmlich angesehen werden.

Strickarbeiten für Soldaten. In der Auskunftsstelle für Strickarbeiten im vegetarischen Speisehaus Gangolfstraße 3, 1. Stock, Dienstags und Freitags von 4 bis 6 Uhr, werden von jetzt ab auch Muster von Leibbinden, Brust- und Lungenschützern, Baschliks [Kapuzenhauben] und Ohrenwärmern ausgelegt, die in Flanell und anderen Stoffen ausgeführt werden, da es besser ist, wenn die vorhandene Strickwolle hauptsächlich zu Strümpfen, Knie- und Pulswärmern verarbeitet wird.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)