Mittwoch, 4. November 1914

Beim Untergang des deutschen Panzerkreuzers SMS Yorck, der in der Jademündung in ein Minenfeld gerät, kommen mehr als 300 Seeleute ums Leben.

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 4. November 1914Stadttheater. Morgen abend findet die Volksvorstellung statt, für die Lessings ewig junges Meisterlustspiel „Minna von Barnhelm“ gewählt worden ist. Die Aufführung dieses Lustspiels hat beim Publikum wie bei der Kritik die gleiche beifällige Aufnahme gefunden. Der Besuch der Volksvorstellung ist diesmal umso mehr zu empfehlen, als in der kommenden Woche wegen des Konzertes die Volksvorstellung ausfallen muß.

 (Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Wir erhalten folgende Zuschrift mit der Bitte um Veröffentlichung: Eine Anfrage an die in Bonn lebenden Engländer. Warum kommen die Engländer erst jetzt mit dem Sammelschreiben wegen der unwürdigen Behandlung unserer Brüder in England heraus? – Ein früheres Eingreifen hätte den Eindruck nicht verfehlt. Merkwürdig, daß es erst dann geschieht, als wir selbst Gegenmittel ergreifen, um endlich dieser menschenunwürdigen Behandlung unserer Brüder in England ein Ende zu machen und an den Engländern in Deutschland Vergeltungsmaßnahmen in Aussicht gestellt sind.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 4. November 1914Ein Straßenbild. Der Kaiser-Karl-Ring ist fast menschenleer. Ich mache einen Nachmittagsspaziergang und sehe vor mir einen etwa 9jährigen Knirps mit verbundenem Bein daherhumpeln. Auf dem Rücken trägt er nach Art der Soldaten Tornister und Mantel, der kunstgerecht aus einer leeren Zigarrenkiste und einem Stück Sackleinen zurechtgedeichselt ist. Auf dem Kopf sitzt die Soldatenmütze, ein hölzener Säbel schleppt an seiner Linken. Ich vermute, daß der Junge sich beim Soldatenspiel verletzt hat und frage ihn, ob er sich weh getan hat. Der Junge aber stört sich nicht an meiner teilnahmsvollen Frage und läßt sich „patschig“ zu Boden fallen. Immer noch im Ungewissen, was der Kleine hat, beuge ich mich über den „Gefallenen“ und versuche ihn aufzurichten. Vergebene Liebesmüh’. Er gibt mir einen gelinden Schubs und tuschelt mir entrüstet zu: „Jank fott, ich ben duht!“ In dem selben Augenblick höre ich hinter mir eine Kommandostimme: „Platz da!“ Verwundert drehe ich mich um und sehe eine Anzahl kleiner Knirpse mir verwegenen Gesichtern und in „feldmarschmäßiger Ausrüstung“ auf mich zukommen. Vier Jungens schleppen ein Gestell heran, das wahrscheinlich eine Tragbahre vorstellen soll. Der Kommandierende hält mit seinem „Stabe“ vor dem „Gefallenen“ Kriegsrat. „Es er nur duht ode es er schwer verwund?“ höre ich fragen. „Der es knatsch duht,“ sagt ein anderer.
    Der „Tote“ wird nun mit großer Anstrengung auf die Bahre gehoben und mit einer alten Steppdecke (weiß der Himmel, wie die Bürschchen daran kommen) sorgfältig zugedeckt. Zwei Mann nehmen die Bahre auf und die Truppe will abziehen. Dabei hat sich ein Bahreträger verkehrt aufgestellt. Der Anführer packt ihn beim Wickel und schreit ihm zu: „Bes du verröck, Pitte, du löfst jo de Franzuse direk en de Muhl!“ Pitter fühlt sich ob dieser handgreiflichen Zurechtweisung in seiner soldatischen Ehre gekränkt, läßt die Bahre los und nimmt Reißaus. Darob große Verblüffung. Einige setzen dem Pitter nach und es entspinnt sich ein heftiger Kampf ziwschen ihnen. Plötzlich springt de „Tote“ mit einem Satz von der Erde uaf, packt, ehe sich die anderen von ihrer Ueberraschung erholt haben, die Tragbahre unter den Arm und gibt, was das Zeug hält, ebenfalls Fersengeld.

Vom westlichen Kriegsschauplatz wurde unter’m 22. Oktober einer Poppelsdorfer Familie u.a. geschrieben:
    Anzeige im General-Anzeiger vom 4. November 1914Wir liegen hier nun drei Wochen zur Belagerung von Toul. Alle drei Tage 1 Nacht in der Scheune, die andere Zeit im Schützengraben. Wir haben hier einen schweren Stand. Eingegraben bis überm Kopf. Die Franzosen wollen hier immer durch. Ein Stück von unserm Dorf haben sie in Brand geschossen. Liebe Eltern! Das Schaurigste war gestern am 21., des Morgens um ½ 6; da wollten die Franzmänner durch, gerade wo wir lagen auf der Linie. Die Franzosen waren von Toul mit der Bahn gekommen. Man hatte ihnen erzählt, wir seien sehr schwach und die Russen seien vor Metz. Da sollten sie uns durchbrechen und mit den Russen Metz stürmen. Dann wäre alles zu Ende. Besoffen hat man sie auch gemacht. Die ganze Nacht und den Tag vorher hatten wir bereits starkes Artilleriefeuer. Des Morgens kamen die Franzosen vor der Schützenlinie an wie die Wilden. 1 ½ Division soll es gewesen sein. Bis auf 30 Meter ließen wir sie rankommen. Dann ging es los. In einer Stunde war der Angriff abgeschlagen. 900 tote Franzosen liegen auf der Linie vor den Schützengräben. Ueber 250 Gefangene und Verletzte wurden gezählt. Da muß wohl ihr Siegesrausch verflogen sein. Man hat ihnen gesagt, die Deutschen machten alle Gefangene tot, auch hätte man uns ein großes Kruppgeschütz abgenommen, und Antwerpen hätten wir auch nicht mehr. Grüßt alle Bekannte von mir, das ganze Haus und die Poppelsdorfer.

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 4. November 1914Einen Gruß aus dem Schützengraben vor Nieuport erhielt eine Bonnerin von einem Feldwebel. Er schreibt u.a.: Wir liegen jetzt schon fünf Tage und Nächte im Schützengraben, um den Rest der belgischen und englischen Armee, der hier noch standhält, bei passender Gelegenheit ins Meer zu jagen. Der Artilleriekampf wogt ebenfalls schon fünf Tage. Die ganze Erde ringsum erdröhnt und die Luft ist erfüllt vom Getöse der Artilleriegeschosse. Aber unser gesunder Humor und das Gottvertrauen verläßt einen deutschen Krieger ja nicht. Nun sende ich Ihnen von zwei Meter unterm Erdboden die herzlichsten Grüße.

 (Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 4. November 1914Die Südschule in Kessenich hat in der vergangenen Woche ein sehr nachahmenswertes Beispiel gegeben. Bekanntlich sind größere Sammelsendungen durch die Ersatzformation an bestimmte Truppenteile stets zuverlässiger als Einzelpakete. Das Lehrkollegium der Südschule hatte nun auf Anregung seines Schulleiters, Herrn Hauptlehrer Heinrichs hin, eine Sammlung von Liebesgaben für das 1. und 3. in Kessenich einquartierte Brigade-Ersatz-Bataillon Nr. 80 unternommen, weil dort noch wenig Liebesgaben hingelangt waren. Schulkinder und Bevölkerung griffen die Anregung mit Begeisterung auf. Und aus den Sparpfennigen der Kinder und den reichlichen Spenden der Eltern war bald eine stattliche Spende zusammen. Auch zahlreiche Privatpakete an die ehemaligen Quartiergäste wurden herbeigebracht und am Allerheiligentage ging aus den unermüdlichen Händen des Sammelkommissars, Herrn Lehrers Bombell, ein großes, sorgfältig verpacktes Sortiment von Wäsche, Wollsachen und Tabak an den Kommandeur des Bataillons ab. Als Absender und Spender stand auf der Adresse: Die Schulkinder der Südschule. Im Interesse sicherer Beförderung dind diese Schul-Sammelspenden durch Vermittlung der Ersatzformation einiger Nachahmung wert.

Um die Auffindung vermißter Soldaten bemühen sich bekanntlich in Bonn in dankenswerter Weise mehrere Herren, die am Montag abend zum zweiten Male mit den Angehörigen Vermißter bei Lücking, Poppelsdorfer Allee 114, eine Besprechung abhielten. Es sind ihnen schon 200 Soldaten als vermißt gemeldet worden. Eine Liste mit der genauen Namensnennung jener Soldaten ist an die Zentrale des französischen „Roten Kreuzes“ nach Paris geschickt worden, um, wenn möglich, auf diesem Wege nähere Angaben zu erhalten. Denn man darf als sicher annehmen, daß ein großer Teil der Vermißten sich in französischen Lazaretten befindet. Nach dem Brief der Vorsteherin eines französischen Lazarettes, der Herrn Zinnicke, dem Leiter der Auffindungsarbeit, zugegangen ist, werden die in französische Gefangenschaft geratenen deutschen Soldaten gut verpflegt, sie erhielten, wenn ihre Verwundung so schlimmer Art ist, daß der Tod befürchtet werden kann, rechtzeitig die Sterbesakramente. – Herr Zinnicke teilte in der Versammlung noch mit, daß ein Professor aus Neuwied angeregt habe, die Bemühungen um die Auffindung Vermißter weiter auszudehnen, etwa über das ganze Rheinland und eine Zentrale zu errichten. Die Anwesenden sprachen sich gegen den Vorschöag aus, sie halten es für besser, wenn jede Stadt oder jede Gemeinde allein die erforderlichen Schritte unternimmt. – Wie man aus Briefen deutscher Gefangenen erfahren hat, sind die Geldsendungen und Pakete, die an sie abgeschickt wurden, angekommen. (...)

Die Ostpreußen danken. Der Oberpräsident der Provinz Ostpreußen hat dem Beueler Gemeinderat und den Einwohnern Beuels in einem Schreiben den Dank der notleidenden Ostpreußen für die Spende von 4000 Mark ausgesprochen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)