Samstag, 12. September 1914

Seit dem 11. September befinden sich die österreich-ungarischen Truppen in Galizien auf dem Rückzug vor den siegreichen russischen Armeen.

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 12. September 1914Die Kriegsanleihe und die Vereine. Man schreibt uns: Allerwärts zeigt sich ein lebhaftes Interesse für die neue Kriegsanleihe. Auch den Vereinen, die nach ihren Satzungen ihr Vermögen lediglich zu Vereinszwecken verwenden können, die aber bezüglich Anlage ihres Vermögens nur an die nötige Sorgfalt gebunden sind, bietet sich Gelegenheit, der vaterländischen Sache zu nutzen. So hat der Vorstand des Bonner Theaterbau-Vereins seine ganzen greifbaren Mittel in der neuen Kriegsanleihe angelegt und damit gewiss im Sinne seiner Mitglieder gehandelt. Ebenso ist das bescheidenere Vermögen des Bonner Konzertverein zur Zeichnung von Kriegsanleihen verwendet worden. Andere Vereine werden gewiss folgen, denn jede Zeichnung stärkt die allgemeine Lage, und den Vereinen erwächst kein geldlicher Nachteil; sie erhalten vielmehr eine vorzügliche Verzinsung bei unbedingter Sicherheit.

Auf dem Feld der Ehre starb den Tod fürs Vaterland Dr. Philipp Helle, Leutnant der Res.

Radrennen. Für das am Sonntag, den 20. d. M., zugunsten des Rotes Kreuzes stattfindendem Radrennen der Radfahrer-Vereinigung Bonner Fernfahrer haben auch der Weltrekord- und Sechstage-Fahrer Jean Esser sowie der in Sportskreisen sehr bekannte Dauerfahrer Jakob Esser ihre Zusage gegeben. Außerdem haben auch schon viele andere bekannte Fahrer zugesagt. Bonn wird also ein Rennen sehen, wie bislang noch keines in seinen Mauern stattgefunden hat.

Das Café Königshof (Royal) wird auf vielfaches Verlangen versuchsweiseheute Nachmittag in beschränktem Maße wieder geöffnet werden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 12. September 1914Vaterländische Reden und Vorträge. Dienstag abend, 15. September, abends 81/2 Uhr, wird Pro­fessor Dr. Hashagen in der Aula des Städtischen Gymnasiums über „die Entwicklungen der Bezie­hungen zwischen Deutschland und England seit dem Jahre 1870“ sprechen. Eintrittskarten werden in den Buchhandlungen von Cohen und Hanstein und in der Musikalienhandlung von W. Sulzbach un­entgeltlich abgegeben.

Stadttheater. Die in Vertretung des Herrn Hofrat Beck Herrn Oberspielleiter Georg Wittmann un­terstellte Leitung des Stadttheaters, das am 2. Oktober seine auf drei Monate eingeschränkte Spiel­zeit beginnt, versendet eine Voranzeige, aus der ersichtlich ist, daß man Stücke in Aussicht genom­men hat, die der Zeit entsprechen und die Bühne wieder ganz ausschließlich zur moralischen An­stalt ma­chen. Wie auf allen deutschen Bühnen, so wird auch auf der Bonner jetzt Heinrich von Kleist, der verländischste unter den deutschen Dichtern, das Wort haben. Sein „Prinz von Homburg“, seine „Hermannschlacht“, werden, wie das schon in Berlin geschah, große Begeisterung auslösen. Und eindringlichst wird sich in Goethes „Faust“ und „Götz von Berlichingen“, in Schil­lers Anzeige im General-Anzeiger vom 12. September 1914„Wallenstein“-Trilogie, im „Demetius“ und „Don Carlos“, in Hebbels „Nibelungen“ und in Otto Ludwigs „Torgauer Heide“ und „Erbförster“ das Deutschtum in der Dichtung wieder auf neue herr­lich offenbaren. „Florian Gayer“ von Gerhart Hauptmann wird Zeugnis ablegen von deutscher Art, und Lessings „Minna von Barnhelm“ wird erheben und erfreuen zugleich. Ernst von Wilden­bruch soll wieder besonders zu Worte kommen und zwischendurch manch hingegangenes Stück, das wieder Klang bekam in dieser Zeit, zur Aufführung gelangen. Außerdem verspricht die Leitung, Neuheiten, die im Laufe der Spielzeit erscheinen, nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Ein Teil der früheren Schauspieler und Schauspielerinnen wird zu­rückkehren; auch werden neue Kräfte kom­men. Für die zum Heere einberufenen Darsteller ver­spricht die Leitung noch vollwertigen Ersatz zu schaffen.

Tabak-Niederlagen für unsere Truppen.
„Unsere Truppen lechzen nach absolut fehlenden Zigarren und Tabak; bitte sofort Wohltätigkeitsak­tion einzuleiten,“
so depeschierte ein Herr vom Oberkommando des deutschen Kronprinzen an die Presse.
Zur Erfüllung dieser Bitte werden von einem Mitbürger vorläufig je ein Sammelfaß für Zigarren und Zigaretten auf dem Münsterplatz, Friedrichsplatz und Kaiserplatz von Sonntag ab aufgestellt; weitere sollen folgen.
Tabak, leere Zigarrenkisten und Zigarettenschachteln zur Verpackung werden direkt an die Sammel­stelle der Diskontogesellschaft erbeten. Die Gaben sind für unsere Helden im Felde bestimmt.
Die Sammelfässer werden dem Schutze der Bürgerschaft empfohlen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 12. September 1914Lieb Vaterland, magst ruhig sein.“ Man schreibt uns: Diese Ueberzeugung wird sich gewiß man­chem unserer Bonner Mitbürger in den letzten beiden Tagen aufgedrängt haben, wenn er Gele­genheit hatte, mit unserer jüngsten Einquartierung, einer „Feld-Train-Kompagnie“ in Berührung zu kommen. „Prachtkerls“ in des Wortes wahrster Bedeutung sind diese aus verschiedenen Garde-Regimentern rekrutierten Hünengestalten, die gegenwärtig in unseren Mauern allenthalten Bewun­derung und Staunen erregen. Wie sehr diese Urgermanen „ins Gewicht fallen“, mag die Tatsache beweisen, daß ihrer ein halbes Dutzend, im Quartier „Zur Rose“, Markt 5, untergebracht, die Klei­nigkeit von ca. 15 Zentnern wiegen! Schade, daß man da die Herren Franzosen nicht zu einer „maß­nehmenden“ Besichtigung einladen darf, hocherfreulich aber, daß wir denken und fühlen dürfen: „Lieb Vaterland magst ruhig sein.“

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)