Dienstag, 8. September 1914

Am Tag zuvor hatte eine Schlacht an den Masurischen Seen begonnen, die die russischen Truppen schließlich zum Rückzug aus Ostpreußen zwang.

 

Sammlung von Kriegsbriefen, Tagebüchern und Soldatenliederbüchern. Bekanntlich hat der Unterrichtsminister die Behörden und Vereine usw. gebeten, Kriegsbriefe, Tagebücher, Soldatenliederbücher und sonstige Schriftstücke aus Kriegszeiten zu sammeln, damit sie später einmal Kunde von dem Geiste geben können, der im deutschen Heere und in der Bevölkerung daheim herrschte. Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß in Bonn derartige Schriftstücke aus Kriegszeiten an das Oberbürgermeisteramt eingesandt oder im Militärbüro des Rathauses abgegeben werden können. Die Schriftstücke brauchen nicht in der Ursprache abgegeben werden; eine beglaubigte Abschrift genügt. Die Besitzer können auch ihr Eigentumsrecht vorbehalten.

Auf dem Feld der Ehre sind fürs Vaterland gestorben: Amtsrichter Dr. Rudolf Schierenberg, Oberleutnant d.R. – Chemiker Ernst Wasserfuhr, Leutnant d.R. – Gerichtsassessor Dr. Wilhelm Möbius, Leutnant d.R. – Referendar Fritz Hoeler, Leutnant d.R. – Kapellmeister Kurt Bohler, Einjährig-Freiwilliger.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Anzeige in der Deutschen Reichszeitung vom 8. September 1914Hoflieferant. Der Firma Gustav Coblenz, Münsterplatz, ist der Titel eines Hoflieferanten des Fürsten Adolf zu Schaumburg-Lippe verliehen worden.

Die Verlustliste Nr. 21 ist erschienen. Aus Bonn und Umgebung sind folgende Namen darin enthalten: Vom Infanterie-Regiment Nr. 70 in Saarbrücken Musk. Lorens Fuchs aus Niederpleis schwer verw., Musk. Jos. Köp aus Bonn schwer verw., Musk. Jos. Weißenfeld aus Bonn leicht verw.
Den Heldentod für das Vaterland starb Dr. Rudolf
Schierenberg, Amtsrichter.
Als vermißt wird aufgeführt der Dragoner Josef Will aus Bonn von der 3. Eskadron des Dragoner-Regiments 15 (Hagenau.)

Ein Dankeswort. Frau Pritzel aus Breslau, deren Mann im gefecht beide Hände verlor, dankt allen Wohltäterinnen von ganzem Herzen für die Reiseunterstützung, die es ihrermöglichte, nach Bonn ins Lazarett zu ihrem verwundeten Mann zu kommen, sowie für die liebevolle Aufnahme bei einer hiesigen Dame.

 

Vaterländische Reden und Vorträge. Der gestrige Abend bewies, wie sehr der Bürger in dieser eisernen, waffenklirrenden Zeit ein ernstes, besinnliches Wort zu schätzen weiß. Die Aula des Städtischen Gymnasiums war überfüllt: Soldaten, Gelehrte, Kaufleute, Beamte, Arbeiter, Frauen und Jugendliche. Es war eine Heerwanderung zur Doetschstraße, von der viele wieder umkehren mussten. Die sich im geräumigen Saal, in den Gängen bis weit in die Tür, auf der Galerie und auf der Galerietreppe ein Plätzchen erobert hatten, wird der Abend unvergesslich sein.

Zunächst wies der frühere Universitätsrektor, Geheimrat Prof. Schulte, mit knappen Worten auf den Ernst dieser Zeit hin und meinte, daß alle die, die nicht mit hinausgezogen seien, fast das Gefühl einer Scham hätten, so sehr drängte das Innere in uns hinaus zum Kampf, zur Tat um unsere gerechte Sache. Da sei für uns Zurückgebliebene der Gedanke aufgetaucht, sich von Zeit zu Zeit nach der Tagesarbeit zusammenzufinden, um bei vaterländischen Reden und Vorträgen uns zu erbauen, zu erheben und das vaterländische Gefühl in unserer Brust zu helleren Feuern anzufachen.

Anzeigen im General-Anzeiger vom 3. September 1914Als erster Redner sprach Prof. D. Karl Sell über Recht und Würde des Krieges. Der stumme Ernst, mit dem die Menge den tiefschürfenden Gedanken des Redners bis zum Schluß lauschte, mag ihm Beweis und Dank dafür gewesen sein, wie sehr er das Publikum im innersten Wesenskern packte. Der jetzige Krieg sei gleichsam eine Wiederholung des Jahres 1813, das wir durch Erinnerungsfeiern im vorigen Jahr würdig begangen haben. Unsere Aufgabe in diesem Kriege sei der Sieg. Die Vorbedingung hierzu, – ein gutes Gewissen – hätten wir, denn wir kämpften nicht aus Habsucht, um materielle, sondern um ideelle Interessen. Deutschland als Mittelpunkt geistiger Arbeit sei von allen Seiten her bedroht. Zu seinem Schutz nehme es notgedrungen die Waffen zur Hand. Denn es handele sich um einen vorbereitenden Schlag aller Feinde Deutschlands zu einem Ueberfall auf deutsches Wesen, deutschen Handel und Wandel, seine Errungenschaften und Kolonien. „Krieg aber ist nichts anderes als eine fortgesetzte Staatspolitik mit anderen Mitteln“; ein Mittel zur Erhaltung des Staates. Der Staat habe bisher in Treue für uns alle gesorgt, nun sei es umgekehrt. Jetzt gelte es für uns alle, für einen zu sorgen, für den Staat. So tauschen wir freudig unser Leben, Hab und Gut, unser ganzes Sein ein gegen das Unsterbliche unserer Nation. Da es sich um den Staat handle, höre die innere Politik und ihre Gegensätze auf. Das habe der 4. August, der größte Augenblick in der deutschen Geschichte gezeigt. Und darum habe der Bürger die hohe Pflicht, das deutsche Reich zu schützen. Wer einen Krieg anhebt, der appelliert an das Gottesurteil des Volkes. Wer den Fehdehandschuh aufhebt, der erklärt, daß er bereit ist, das Urteil zu vollstrecken, die Niederwerfung des Feindes mit allen Mitteln ehrenhafter Kriegsführung zu vollenden. Diese Mittel sind durch das Völkerrecht bestimmt und das halten wir. Der jetzige Krieg entspringe aus dem Haß unserer Feinde gegen Deutschland und sein stetiges Voranschreiten auf allen Kulturgebieten. Da es gelte, diese Güter zu verteidigen, sei unser Krieg gerecht. Es gelte die künftige Freiheit Europas. Sie zu befreien von der russischen Knute, der französischen Prahlerei und des englischen Geldsacks, das ist das Ziel. Und also führen wir das blutige Ringen opferfreudigen Herzens, denn auf unserer Seite steht das Recht und die Würde Deutschlands, die zu verteidigen wir bis zum letzten Blutstropfen bereit sind.

Langanhaltender Beifall lohnte des Redners eindrucksvolle Worte.

 

Anzeigen im General-Anzeiger vom 8. September 1914Vom Borromäusverein , der offiziellen Sammelstelle von Lesestoff für die verwundeten Krieger erhalten wir folgende Zuschrift:

Tagtäglich laufen zahlreiche Bücherspenden bei uns ein. Wir danken dafür und bitten um weitere Gaben, da der Bedarf in den Lazaretten sehr groß ist. Wir möchten aber bitten, für unsere verwundeten Krieger nicht nur das zu geben, was man gar nicht mehr brauchen kann, wie alte Zeitschriften, schlecht erhaltene Bücher. Wir dürfen nicht vergessen, die langen bangen Stunden auf dem Krankenbett werden leichter ertragen, wenn wir den Verwundeten gute Bücher in die Hand geben. Das darf nicht wahllos geschehen. Nur das Beste ist gut genug für unsere verwundeten Krieger, die ihr Leben eingesetzt für uns und das Vaterland. Gute religiöse Bücher z.B. A. Stolz, Keppler u.a. sind sehr willkommen.

 

Den ersten Uebungsmarsch unternahm am Sonntag kurz nach Mittag der neugegrüdete Wehrbund. Unter Leitung des Turnwarts Lauser marschierten etwa 150 Teilnehmer zur Waldau. Auf dem Exerzierplatz wurden Freiübungen abgehalten. Die Märsche, die sich ausdehnen sollen, werden in den kommenden Sonntagen fortgesetzt. Montags und Donnerstags finden für ältere und Dienstags und Freitags für die jüngeren Mitglieder des Wehrbundes Uebungen statt.

 

Beim Wettspiel Borussia–Eiche zugunsten des Roten Kreuzes ergab die Sammlung 20.10 Mk., die dem Roten Kreuz überwiesen wurde.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Französische Mode! In letzter Zeit wird so sehr viel über die französische Mode in Damenkleidung geschimpft – und mit Recht –, aber da möchte ich bemerken, daß auch die Herren eine Mode fallen lassen dürften, und zwar den gestutzten „englischen“ Schnurrbart. Ich bin der Ansicht, daß der Schnurbart als Zierde des Mannes wachsen darf, ohne daß er bis auf drei Härchen unter den Nasenlöchern entfernt wird. Eine, die sich immer darüber ärgerte.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

 

Hilfsbereitschaft . Der Geh. Studienrat Dr. Weidgen, der jetzt in Bonn wohnende frühere Leiter des hiesigen Kaiserin-Augusta-Gymnasiums, der nicht weit vom 70. Lebensjahr entfernt ist, hat sich dem Provinzialschulkollegium als „Kandidat“ für das Gymnasium in Bonn zur Verfügung gestellt, falls durch den Krieg ein Mangel an Lehrkräften eintreten sollte. Er möchte nur dann verzichten, wenn er einem jungen, Beschäftigung und Vergütung suchenden Lehrer im Wege stände.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)