Samstag, 22. August 1914

In Lothringen hatten die deutschen Truppen erfolgreich die französische Offensive gestoppt. An der Drina war die österreichisch-ungarische Invasion von der serbischen Armme gestoppt worden.

 

Siegesbotschaft: Die Nachricht, daß unser tapferes Heer in Lothringen einen entscheidenden Sieg erfochten hat, verbreitete sich gestern rasch in der Stadt. Die Franzosen auf der ganzen Linie zurückgeworfen, die alte deutsche Waffenehre wieder mal glänzend gerechtfertigt, das war die Botschaft, die alle Herzen mit einer großen, starken, stolzen Freude erfüllte und zugleich mit der unerschütterlichen Zuversicht, daß der Sieg in diesem Kampfe unser ist und unser bleiben muß. Bald nachdem die frohe Kunde eingetroffen war, wehten von den Häusern die schwarz-weiß-roten Fahnen. Und die deutschen Fahnen verkündeten den Stolz Deutschlands und den Ruhm unseres Heeres.

Hilfsbereitschaft: Frl. Selma Weiß, Bonn, Lessingstraße 39, hat ihr Institut für Turnen, Heilgymnastik und Massage den verwundeten Soldaten frei zur Verfügung gestellt. Von diesem freundlichen Anerbieten werden gewiß zahlreiche Verwundete, die durch die erhaltenen Verletzungen im Gebrauch ihrer Glieder behindert sind, gern Gebrauch machen.

Amerikanische Gäste. Ein Sonderdampfer mit amerikanischen Staatsbürgern, der von Mainz kam, ist gestern abend hier eingetroffen. Die amerikanischen Gäste, die zum großen Teil im Hotel „Königlicher Hof“ abstiegen, übernachteten hier in Bonn, Sie sind auf der Reise nach Rotterdam begriffen, von wo aus ein Sonderdampfer der amerikanischen Regierung sie in ihre Heimat bringen wird. – Die Amerikaner haben heute früh 6.30 Uhr mit einem holländischen Dampfer Bonn wieder verlassen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Der erste große Sieg. Wie eine Granate platzte die Nachricht von dem großen Siege zwischen Metz und den Vogesen gestern um die vierte Nachmittagsstunde in die Stadt und riß die Bürgerschaft zu elementarer Begeisterung hin. Wo sonst ruhiges, bedächtiges Nebeneinanderhergehen, schlug die rote Flamme der Begeisterung riesenhoch empor und riß alle mit sich fort. Im Nu waren die Fahnen auf dem Rathaus und an vielen Häusern aufgezogen und auch vom Turm der evgl. Kirche wehte die schwarz-weiß-rote Flagge über der Stadt. Die Begeisterung spiegelte sich wider in den Augen der Vielen, denen die Schreibstube, der Arbeitstisch oder die Werkstatt zu klein geworden war und die hinausdrängten, um die frohe Botschaft Freunden und Bekannten zu sagen. Menschen, die sich sonst nur flüchtig kannten, drückten sich fest die Hand und sahen sich freudig an. Zu sprechen brauchte man nicht viel, die Augen sagten genug. Vor unserem Geschäftsgebäude schwoll die Menschenmenge nach der Siegesmeldung mehr und mehr an, und es kam zu patriotischen Kundgebungen. Angesichts der wogenden Begeisterung, der stolzen Zuversicht und dem Gedanken an unser tapferes braves Heer, das „mit unaufhaltsamen Drange nach vorwärts beseelt“ ist, mußte man mitunter fest auf die Zähne beißen, wenn es einem gar zu heiß werden wollte. Der erste große Sieg! Er war wie ein erfrischender Gewitterregen nach langer Dürre. Möge es so weiter gehen. Ehre unseren Tapferen im Felde. Heil dem Kaiser!

Erfrischungs- und Verbandsstelle für Verwundete. Die vom Roten Kreuz und dem Vaterländischen Frauenverein eingerichtete Erfrischungs- und Verbandsstelle für Verwundete an der Weststraße bittet dringend, Liebesgaben, wie Brot, Aufschnitt, Kaffee, Tee, Suppenwürfel, Tabak, Zigarren, Postkarten u. dergl. an der Weststraße abliefern zu wollen.

Die deutschen Mädchen wehren sich. Wir erhalten folgende Zuschrift: „In Erwiderung der vielen höchst überflüssigen (?) Artikel über unser Verhalten den Gefangenen gegenüber können wir nicht umhin, uns solche Verleumdungen für die Zukunft Anzeige im General-Anzeiger vom 20. August 1914sehr energisch zu verbitten. Es ist leider vorgekommen, daß eine Dame einem Gefangenen eine Zigarette angeboten und sich in französischer Sprache mit ihm unterhalten hat. Und es war nicht eine unter uns, die das nicht tief empört hätte. Wir deutschen Frauen und Jungfrauen wissen selbst, was wir uns und dem Vaterlande schuldig sind und brauchen uns nicht von den Anhörern und Verbreitern falscher Gerüchte darauf aufmerksam machen zu lassen. Im übrigen sind unsere Vorstandsherren und -damen dazu da, um unsere Fehler zu rügen. Daß es sich nur um Gerüchte handelt, erhellt aus der Erzählung mit dem Glase Rotwein am Kölner Hauptbahnhof, die nun schon nach dem Berichte eines Krefelder Blattes in Krefeld passiert sein soll. Und wo ist es geschehen? Höchstwahrscheinlich nirgendwo, zumal da – wenigstens hier in Bonn – kein Tropfen Alkohol verabreicht werden durfte.
Also, liebe Bonner, beruhigt Eure Gemüter und glaubt keine Geschichten, die wir Beteiligten ganz entschieden als unwahr zurückweisen müssen, ebenso wie die Behauptung einer Bonnerin, daß nur Damen aus höheren Ständen angenommen würden. Ort und Stunde der Versammlung des Hilfsausschusses waren genügend bekannt gemacht. Warum haben Sie sich nicht wie wir zur Beethovenhalle bemüht? Uns hat dort niemand nach Stand und Vermögen gefragt. Also ist auch das eine grundlose Beschuldigung. Und wir halten es in dieser ernsten Zeit für die heilige Pflicht aller Frauen und Jungfrauen, einig und verträglich zu sein und nicht sich und andern das Leben durch kleinlichen Neid und grundlose Beschuldigungen zu vergällen.

Einige der Damen des Hilfsausschusses, die auch nicht zu den „Oberen Zehntausend“ gehören.

(Im Interesse des Ansehens und der Würde unserer deutschen Frauen und Mädchen geben wir vorstehende Zuschrift wieder, obwohl die Schreiberin nicht den Mut hatte, das Schreiben mit ihrem Namen zu decken. Red.)

 

Ein Redaktionsmitglied unseres General-Anzeigers, Herr Dr. Wilh. Hermanns, der seit Ausbruch des Krieges im Felde steht, zeigt auch angesichts der feindlichen Feuerschlünde seine starke dichterische Begabung. Der wackere junge Kollege, der uns seine von echt deutscher Männlichkeit zeugenden Verse sendet, möge uns so wiederkehren, wie es ihm in seinem hier folgenden Gedichte vorschwebt:

Das eiserne Kreuz.

Auf jedem Hügel, an jedem Hang
Und jeden Weg nach Paris entlang,
Da hängt es von eisernen Kreuzen voll,
Die warten nur, daß man sie holen soll.
Wohlauf, Kameraden, drauf und drein!
Das eiserne Kreuz muß unser sein!

Es hat die Väter im Donner der Schlacht
Zum Siege gelockt, zu Helden gemacht.
Und stürmisch brandet und braust im Blut
Auch uns, den Söhnen, der gleiche Mut.
Wohlauf, Kameraden, drauf und drein!
Das eiserne Kreuz muß unser sein!

Es ist kein Kleinod auf weiter Welt,
Das deutschem Herzen so wohl gefällt
Als schlicht das Kreuz am schlichten Band,
Des Mannesmutes Unterpfand.
Wohlauf, Kameraden, drauf und drein!
Das eiserne Kreuz muß unser sein!

Und starren die Waffen, und drängt und droht
Aus tausend brüllenden Schlünden der Tod –
Besser gefallen auf blutigem Plan,
Als feige die Ehre verspielt und vertan!
Wohlauf, Kameraden, drauf und drein!
Das eiserne Kreuz muß unser sein!

Und kehren wir heim aus dem heiligen Krieg,
Frohlocken die Glocken im Lande Sieg.
Dann schlagen die Herzen in stolzester Lust
wohl unter dem Kreuze auf unsrer Brust.

Wohlauf, Kameraden, drauf und drein!
Das eiserne Kreuz muß unser sein!

Diekirch (Luxemburg), 17.8.14.
W. Hermanns.

 

Eine amerikanische Reisegesellschaft kam gestern nachmittag mit dem Dampfer „Chriemhilde“ der Niederländischen Dampfschiffahrts-Reederei vom Oberrhein hier an. Die Chriemhilde, sowie auch der kurz darauf hier eintreffende Dampfer „Willem III“ wurden von einem militärischen Wachkommando, das sich hier an Bord begab, einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Dabei wurde ein Franzose und ein Japaner unter den Fahrgästen gefunden, die unter militärischer Bewachung zur Stadt gebracht wurden. Später wurde ihnen jedoch die Weiterreise gestattet, da sie im Besitz eines Passierscheines waren, der ihnen in Koblenz von der Militärbehörde ausgestellt worden war. Die Amerikaner, etwas 150 Damen und Herren, blieben bis heute morgen hier in Bonn und setzten gegen 7 Uhr früh die Fahrt rheinabwärts fort.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Was man nicht tun soll! Wir erhalten von geschätzter Seite nachstehende Zuschrift unter der vorgenannten Ueberschrift: „Es ist in den Tagen des Kriegszustandes so oft darauf hingewiesen worden, was man nicht tuen soll. Gerade in dieser Woche ist eine Ungehörigkeit zu Tage getreten, die mehr als alles andere öffentlich gebrandmarkt werden muß. Es ist dies das Zusammenströmen des Publikums am Güterbahnhof bei der Ankunft Verwundeter. Hauptsächlich Frauen und Kinder benehmen sich derart, daß eine öffentliche Rüge am Platze ist. Daß diese Leute nicht selbst einsehen, wie peinlich es für die Verwundeten ist, als Schaustück zu dienen und welche klägliche Rolle sie als Zuschauer spielen, wo nur Leid und Elend zu sehen ist, scheinen die meisten nicht einzusehen. Schreiber dieses hörte in einem Lazarett einen Soldaten sagen: „Hier müssen die Frauen wenig zu tuen haben, sonst wären sie nicht so außerordentlich vertreten“.

Unseren braven Soldaten, die verletzt in das Krankenhaus geschafft werden und oft nach längerem Transport hier anlangen, sollte man dieses Spießrutenlaufen wirklich ersparen. Hoffentlich genügt dieser Hinweis die müßigen Neugierigen daran zu erinnern, auch in dieser Hinsicht mehr Würde zu zeigen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)