Montag, 17. August 1914

Der Festungsring um Lüttich war nach tagelangem heftige Beschuss durch die deutsche Artillerie zerstört worden. Die  beiden letzten Forts hatten am Vortag kapituliert.

  

Eine Warnung für unsere Krieger. Die „Dorfzeitung“ veröffentlicht folgende durchaus begründete Warnung: Die Truppen, die nach dem westlichen Kriegsschauplatze ziehen, seien darauf aufmerksam gemacht, daß in Frankreich die Häuser vielfach Falltüren nach dem Keller haben, und zwar oft mehrere in einem Bau. Auf diese Weise wurde 1870/71 unseren braven Kriegern mancher Hinterhalt gelegt, der dem Auge entzogen, im Keller lauerte. Auch vor den Wandschränken sei gewarnt. Es gibt in jedem Haus sichtbare Wandschränke, aber auch, dem hinterhältigen Wesen der Franzosen angepasst, viele versteckte Hohlräume. Und dann mögen sich die Krieger auch vor den offenen Vorräten und vor der Absynthflasche, die in jeden Haus zu finden ist, hüten. Die Angehörigen unserer Krieger mögen diese Warnung den im Krieg stehenden übermitteln. (...)

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Eine Bittprozession zur Erflehung göttlichen Segens für unser im Felde stehendes Heer ging gestern nachmittag 3 Uhr von der Münsterkirche zum Kreuzberge. Nachdem dortselbst eine Stationsandacht gehalten worden, ging es unter Gebet und Gesang zurück zum Münster, wo den Teilnehmern der sakramentale Segen erteilt wurde.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Notstandsarbeiten. Jedem, der mit den Verhältnissen vertraut ist, ist es bekannt, daß in unserer, wie auch in anderen Städten, viele hundert Arbeiter durch die Mobilmachung brotlos geworden sind. Der Andrang an den Stellen, wo noch gearbeitet wird, ist ganz ungeheuer und die geforderten Löhne sind wesentlich Anzeige im General-Anzeiger vom17. August 1914niedriger, als in gewöhnlichen Zeiten. Wäre es da nicht angebracht, wenn sich die städtische Verwaltung bereits jetzt mit der Frage befaßte, in welcher Weise die Arbeitslosen beschäftigt werden können. Ihre Unterbringung in industriellen Betrieben, bei der Erntearbeit etc. erscheint unmöglich und etwas muß doch geschehen! Sind denn keine öffentlichen Bauten geplant, für die Mittel bereitstehen? Diese zur Ausführung zu bringen, wäre jetzt der gegebene Augenblick. Auch könnte man den Ausbau der Schumannstraße, worüber so lange Jahre verhandelt worden ist, in wesentlich ausgedehnterem Maße betreiben, als dies jetzt geschieht. Vielleicht liegen auch noch andere Straßenbauten vor, die in Angriff genommen werden könnten. L.G.

Jeder Fabrikant und Geschäftsmann, der noch Ware abzugeben hat, ist durch die jetzigen Zeitverhältnisse gezwungen, nur noch gegen bar zu verkaufen, denn er muß heute auch seine Ware in barem Gelde kaufen. Dafür sind aber alle verfügbaren Mittel notwendig und es ergeht an Alle die dringende Bitte, nichts mehr auf Borg zu entnehmen und es auch nicht zu versuchen. F.

Zum Notschrei der Kellnerfrauen. Ich möchte die Kellnerfrauen einmal fragen, wenn sie nicht zurechtkommen in jetziger Zeit, was sollen dann erst die Bauhandwerkerfrauen machen, deren Ernährer auch Frau und Kinder im Stich lassen mußten und mit ins Feld sind, und wo eine ganze lange Zeit alle Arbeit still lag. Es wäre nun am Platze, daß man sich auch der Bauhandwerkersfrauen erinnerte, die es doch vielleicht nötiger haben als Kellnerfrauen. Eine schon sehr in Not stehende Familie.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

 

Verwundete, es waren ihrer etwa 40, trafen auch in der Nacht zum Sonntag hier ein. Sieben davon mußten auf Tragbahren zum Lazarett gebracht werden.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

(...) Jetzt sind wir schon acht Tage hier und glaubten, bloß einen Tag auf dem Durch­marsch hier zu sein. Infolgedessen liege ich jede Nacht auf Stroh in einem Schlafsack, der gerade so gut ist wie ein Bett. Das Luftkissen habe ich immer in der Tasche. Seit gestern regnet es, so daß ich den Papieranzug angelegt habe. Man liegt im Stroh herum, hält Instruktionsstunde ab. Mit dem Kompaniefeldwebel Schröder, der ein sehr netter Mensch ist, leiste ich mir ab und zu Hähnchen, Ente oder Kaninchen in der Wirtschaft. Im allgemeinen ist die Stimmung jetzt eine richtige nasse Manöver­stimmung. Von Krieg merkt man nicht viel. (...) Höchstwahrscheinlich werden wir nördlich marschieren. Wenn Du mal Wichtiges in der Zeitung liest von Flotte und Rußland oder Frankreich, schreib es doch bitte. Wir hören hier nur wenig.

(...) Ich wäre glücklich, wenn ich heimkommen könnte in Eure Arme) wenn ich wieder malen könnte. (Das ist mir wie ein Traum jetzt.) Aber wenn ich an die Kinder denke, dann packt mich immer eine wilde Verzweiflung, daß ich die nicht wiedersehen sollte. (...) Es ist auch dieses Wetter, was einen für Momente in solche Stimmungen bringt und die Langeweile in diesem Dorf. Kind, was werden wir aber glücklich sein, wenn dieser Krieg vorüber ist und wir sind wieder zusammen (...)

(August Macke an seine Ehefrau, Feldpostbrief aus Niedermerzig/Luxemburg)