Samstag, 2. November 1918

    

Ueber den Fliegerangriff vom Donnerstag wird heute vormittag folgender amtlicher Bericht ausgegeben: Bonn, 2. Nov. Amtlich. Dem Fliegerangriff auf Bonn vom 31. Oktober sind leider 26 Tote, 36 Schwer- und etwa 20 Leichtverletzte zum Opfer gefallen. Der Sachschaden ist nicht bedeutend.
   
Zu dem Fliegerangriff muß gesagt werden, daß die weitaus meisten der Toten und Verwundeten auf den Straßen getroffen worden sind, in den Häusern sind nur sehr wenige Menschen zu Schaden gekommen. Die Zahl der Opfer wäre also wohl viel geringer gewesen, wenn sofort beim Ertönen der Sirenen jeder so schnell wie möglich in einem Hause Deckung wenigstens gegen Bombensplitter gesucht hätte. Leider wird auch sehr viel darüber geklagt, daß Haustüren geschlossen gehalten und nicht geöffnet, ja daß Einlaßbegehrende sogar rücksichtslos zurückgewiesen wurden. In diesen Fällen haben die betreffenden Hausbewohner, auch ihre Dienstboten und Angestellten, gegen ihre selbstverständliche Pflicht der Nächstenliebe verstoßen und sich dabei noch strafbar gemacht.
   Die Einschlagstellen der Bomben wurden gestern sehr viel besichtigt. Wenn dabei in den meisten Fällen auch zunächst die Neugier befriedigt werden sollte, so lehrte doch der Augenschein alle, daß ein Fliegeralarm wirklich ernst zu nehmen ist.
   Ihre Königliche Hoheit die Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe hat gestern die einzelnen Unfallstellen besucht und eingehend besichtigt. Die Frau Prinzessin beabsichtigt, heute und in den nächsten Tagen auch die in den Krankenhäusern untergebrachten verwundeten Opfer des Fliegerangriffs zu besuchen. Die Verwundeten in den Krankenhäusern wurden heute früh von Oberbürgermeister Spiritus und Beigeordneten Piehl besucht.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

     

Die Totenfeier an den Heldengräbern. Auf dem Nordfriedhof schlummern 518 deutsche Soldaten. Dem Gewühl der Schlacht waren sie entzogen; die Heimat durften sie wiedersehen; doch selbst liebevollste Pflege vermochte sie nicht von ihren Wunden zu heilen, sie dem Leben und dem Vaterlande wiederzugeben. Sie starben den Heldentod im Vaterlande. Sie fanden, glücklicher wie ihre Kameraden draußen, in heimatlicher Erde eine Ruhestätte. Auf dem Nordfriedhofe ruhen auch 22 Streiter unserer Feinde, Russen, Franzosen. Sie waren durch die Gefangenschaft dem blutigen Streiten entzogen. Auch sie fand der Tod; fern der Schlacht; auch ein ehrlicher Soldatentod. Nicht vergönnt war es ihnen, ihr Vaterland wieder zu schauen. Ergreifend schlicht sind diese 340 Soldatengräber. Aus Heide ragt ein weißes Kreuz, das Zeichen der Erlösung. Lichter Birken leichte Zweige singen ihnen das Schlummerlied ewiger Natur. Ernst mahnend stehen ringsum düstere Nadelhölzer. So ehrt die Stadt die tapferen Streiter, die in ihren Mauern die Augen schlossen, in den Gräbern des Heldenfriedhofes.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Allerheiligen. Der gestrige Allerheiligentag hatte eine recht traurige Einleitung durch den am Vortage erfolgten feindlichen Fliegerangriff. Tiefer Ernst und Trauer beherrschte die Gemüter. Sie waren in echter Allerheiligen-Stimmung. Die Friedhöfe, deren Gräber neu geziert waren, wurden wie alljährlich stark besucht. Auf dem Nordfriedhof fand am Nachmittag die Garnisonsfeier wie an den Vorjahren an den Heldengräbern statt, wo sich eine große Anzahl Teilnehmer versammelt hatte. Nach einem Trauermarsch der Kapelle des Inf.-Reg. 160 hielt der Vorsitzende des Kreis-Krieger-Verbandes Bonn, Stadt: Herr Jansen, eine Ansprache und legte einen Kranz an den Heldengräbern nieder. [...] Die Bonner Liedertafel trug die „Himmelssehnsucht“ von Lindpaintner vor. Herr Pfarrer Lorenz hielt eine Ansprache, in der er an Körners Worte: „Vergiß die Toten nicht“ anknüpfte und frug, ob wir heut noch mit unserem Kleinmut der Toten wert seien. [...] Herr Dechant und Oberpfarrer Böhmer betonte ebenfalls die Pflicht treuen Gedächtnisses für die verstorbenen Helden, wies auf die Grundlosigkeit des Kleinmutes, die menschliche Eigensucht und die gewaltigen Pläne der Vorsehung Gottes hin. Zum Schluß erinnerte er an die Heldentaten des deutschen Volkes in den letzten vier Jahren und sprach die Hoffnung aus, daß deutsche Entschlossenheit, deutscher Unternehmergeist und deutsche Arbeitsamkeit dafür sorgen werde, daß unser Vaterland seinen bisherigen Platz im Rate der Völker behaupte. Die Liedertafel sang Rheinthalers „Die Träne fließt zum Staub“, die Infanterie-Kapelle spielte Kremers „Altniederländisches Dankgebet“, womit die ergreifende Feier schloß.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)