Dienstag, 19. November 1918

   

Die durchziehenden Truppen werden in Bonn herzlich empfangen. Es ist auch ganz selbstverständlich, haben sie doch unser Land vor den Schrecken des Krieges behütet. Wie würde Bonn als Nachbarstadt der Festung Köln heute aussehen, wenn es den Feinden gelungen wäre, in unser Rheinland einzubrechen! Die Truppen sind für die ihnen erwiesenen Aufmerksamkeiten überaus dankbar; Angehörige des am Samstag hier durchgekommenen Alexander-Garderegiments haben ihre Freude darüber wiederholt laut zu erkennen gegeben. Die Straßen, die für den Durchzug hauptsächlich in Betracht kommen, sind in den letzten Tagen noch weiter geschmückt worden; überall wehen Fahnen, hängen Tannen- und Blumengewinde mit „Willkommen“ – und anderen Inschriften. Die Viktoriabrücke und die Rheinbrücke sind zu beiden Seiten mit Tannen besetzt und mit Fähnchen behängt, vor dem Rathaus ist zwischen Tannengrün zu lesen: „Herzlich willkommen, ihr tapferen Krieger! Die dankbaren Bürger.“ Große Menschenmengen waren vor allem Sonntag auf den Straßen und jubelten den heimkehrenden Kriegern zu.
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   Wie in der gestrigen Sitzung des Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrats mitgeteilt wurde, kommt die 18. Armee mit 330.000 Mann und 140.000 Pferden durch Bonn. Der Durchzug dieser gewaltigen Truppenzahl durch Bonn wird voraussichtlich am Donnerstag beginnen. Die Truppen werden in der dafür gebauten Halle an der Endenicher Allee verpflegt werden. Arbeitsfreudige Männer und Frauen können ehrenamtlich bei der Verpflegung behilflich sein und mögen sich bei dem Leiter der Verpflegungshalle melden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   

In der gestrigen Sitzung des ABS-Rates teilte Beigeordneter Schulze mit, daß Strohsäcke für Einquartierungszwecke im Hofe des Städtischen Gymnasiums für die Zivilbevölkerung zur Verfügung ständen. Wirten, die Einquartierungen übernehmen, sollen auf Antrag die Heizungskosten ersetzt werden. Wie weiter mitgeteilt wurde, ist die Spitze der 18. Armee, deren Truppen hier durchkommen, am Sonntag in Malmedy eingetroffen. Es soll auf der Etappenstraße ein Meldedienst eingerichtet werden, durch den die Stärke der täglich hier durchkommenden Truppen festgestellt wird, um deren Verpflegung und Unterbringung sicher zu stellen. Um die Gefahr der Ansteckung zu vermeiden, wird das Gesundheitsamt den Einquartierungsausschuß täglich Mitteilung machen, wo in Privathäusern ansteckende Krankheiten auftreten, damit dort keine Soldaten einquartiert werden. Es ist ein Verzeichnis sämtlicher Dienststellen des ABS-Rates hergestellt worden, das den einzelnen Ausschüssen zugestellt werden wird. Zivilanzüge für die zurückkehrenden Truppen sind in sehr beschränkter Anzahl vorhanden, weshalb es unmöglich ist, allen Anforderungen gerecht zu werden. Es wurde beantragt, militärischerseits die Bedürfnisfrage zu prüfen. In den nächsten acht Tagen können Anträge auf Anzüge nicht berücksichtigt werden. Dringend erwünscht sei, daß alle Entlassenen sofort die Arbeit aufnehmen. Direktor Vins teilte mit, daß durch das Weggehen des Plfegepersonals in den hiesigen Lazaretten unhaltbare Zustände entstanden seien. Einzelne Sanitätssoldaten gingen ganz weg, andere blieben Wochen lang aus und ließen ihre kranken Kameraden ohne Pflege liegen. Der ABS-Rat beschloß, an das Pflegepersonal der verschiedenen Lazarette eine Aufforderung ergehen zu lassen, auf ihrem Posten zu verharren. Gleichzeitig wurden zwei Herren des ABS bestimmt, die ganz energisch auf die Leute einwirken sollen, ihre Pflicht zu tun. Auch die bereits zurückgetretenen Sanitätssoldaten sollen aufgefordert werden, sofort zu ihren Lazaretten zurückzukehren, da sonst scharfe Maßnahmen getroffen würden. Ein Mitglied stellte den Antrag, man solle diese Leute wegen Pflichtverletzung verhaften und einsperren lassen. Ein Mann, der seine kranken Kameraden im Stich lasse, verdiene keine Schonung.
   Beigeordneter Piehl machte die erfreuliche Mitteilung, daß sich die Verpflegung der Truppen gebessert habe. Die Verpflegungshallen in der Endenicher Allee könnten bereits heute in Betrieb genommen werden. Das Material zur Verpflegung werde vom Proviantdepot zur Verfügung gestellt. Er schlägt vor, einen Aufruf an alle arbeitsfreudigen Männer und Frauen zu erlassen, um bei der Verpflegung der Truppen ehrenamtlich mitzuwirken. Es sollen dabei aber nur solche Personen angenommen werden, die auch tatsächlich gewillt sind, mit Hand anzulegen. Dem Antrag wurde stattgegeben.
   Auf der Rheinbrücke soll ein Wachlokal eingerichtet werden, damit die Wachhabenden nicht den Unbilden der Witterung ausgesetzt sind. Es wurde beschlossen, die Wache in dem Brückenhäuschen gegenüber der Zahlstelle einzurichten. Auf der rechten Rheinseite soll eventuell gleichfalls ein Wachlokal eingerichtet werden.
   Der Andrang zu den Sparkassen hat jetzt nachgelassen. Am Samstag war der Verkehr an der städtischen Sparkasse wieder normal. Die Angst der Sparer, ihr Geld zu verlieren, scheint also überwunden zu sein.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

   

An die Bevölkerung der linksrheinischen Gebiete und der Umgebung von Köln, Koblenz und Mainz.
Die Bestimmungen des Waffenstillstandsvertrages bedeuten für die linksrheinischen Gebiete und die rechtsrheinischen Gebiete innerhalb eines mit 30 Kilometer Halbmesser um die Rheinbrücken von Köln, Koblenz und Mainz geschlagenen Kreises (sogenannte Brückenköpfe) folgendes:
   1. Diese Gebiete sind durch die deutschen Armeen zu räumen, das bedeutet nur, daß die unter den Waffen befindlichen Truppen aus den Gebieten zurückgezogen werden sollen, damit der deutschen Regierung für die Dauer des Waffenstillstandes die Möglichkeit genommen wird, das linksrheinische Land als Aufmarschgebiet zu benutzen. Die gesamt Zivilbevölkerung, auch die Wehrpflichtigen und Reklamierten, können ungefährdet auch bei der nachfolgenden feindlichen Besetzung des Landes an ihrem Wohnsitz bleiben. Im Verlauf der ordnungsmäßigen Demobilmachung werden auch die aus diesen Gebieten stammenden Angehörigen des Heeres und der Marine, soweit sie von der Demobilmachung betroffen werden, in die Heimat entlassen werden.
   2. Der Räumung dieser Gebiete durch die deutschen Truppen wird eine Belegung mit feindlichen Garnisonen für die Dauer des Waffenstillstandes und nicht vor dem 1. Dezember folgen. Der Feind hat sich das Recht vorbehalten, Requisitionen mit rechtmäßiger Abrechnung vorzunehmen, jedoch ist von den Bevollmächtigten der feindlichen Regierungen erklart worden, daß diese Requisitionen das tatsächliche Bedürfnis der Besatzungstruppen nicht überschreiten würden.
   3. In allen geräumten Gebieten ist die Fortführung von Einwohnern untersagt. Dem Eigentum der Einwohner darf kein Schaden oder Nachteil zugefügt werden; niemand wird wegen der Teilnahme an Kriegsmaßnahmen, die der Unterzeichnung des Waffenstillstandes vorangegangen sind, verfolgt werden. Keinerlei Zerstörungen irgend welcher Art dürfen ausgeführt werden. Die Depots von Lebensmitteln jeder Art für die Zivilbevölkerung, Vieh usw. müssen an Ort und Stelle belassen werden, andererseits ist Deutschland verpflichtet, keinerlei allgemeine oder staatliche Maßnahmen zu treffen, noch besondere Befehle zu erteilen, die eine Einschränkung der industriellen Unternehmungen oder eine Verringerung ihres Personals herbeiführen sollen. Eisenbahnen und sonstige Verkehrsmittel werden weiter arbeiten.
   4. Der Zusammenhang der linksrheinischen Gebiete mit dem Deutschen Reich wird in keiner Weise angetastet. Der Feind macht lediglich Anspruch auf eine Gesamtkontrolle; Leben und Eigentum der Bevölkerung ist somit nicht gefährdet. Die Bevölkerung handelt klug, wenn sie ihren Wohnsitz nicht verläßt und auch sonst keine unüberlegten Maßnahmen trifft, um eingebildeten Gefahr4en zu begegnen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)