Mittwoch, 11. September 1918

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 11. September 1918Kartoffeln und Fleisch
Kartoffel-Versorgung.
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Leider ist die Kopfmenge auch diesmal wieder nur auf sieben Pfund die Woche festgesetzt worden. Das ist in dieser Zeit großer Versorgungsschwierigkeiten zweifellos zu wenig, und überall erheben sich Forderungen, diese Wochenmenge auf mindestens zehn bis zwölf Pfund zu erhöhen. Das wird jedoch voraussichtlich ein frommer Wunsch bleiben. Einmal läßt sich die Ernte noch gar nicht übersehen. Denn die feuchte Witterung der letzten Wochen hat der Herbstkartoffelernte zweifellos geschadet. In einzelnen Bezirken greift die Kartoffelfäule bereits um sich. Dann aber müssen neben den Speisekartoffelmengen große Bestände an Kartoffeln den Kartoffeltrocknereien zugeführt werden, um Kartoffelmehl für die Brotstreckung zu bekommen, und auch den Spiritusbrennereien, um den recht erblichen Heeresbedarf an Spiritus zu decken.
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Die fleischlosen Wochen, von denen wir die zweite erleben und noch zwei weitere vom 30. September bis 6. Oktober und vom 21. bis 27. Oktober durchzumachen haben, werden von der Bevölkerung noch viel unangenehmer empfunden, als es zunächst den Anschein hatte. Die Zulagen der Kranken und der Schwer- und Schwerstarbeiter bleiben auch während der fleischlosen Wochen bestehen, aber das genügt diesen Gruppen der Bevölkerung auch nicht. Hier in Bonn wird die fleischlose Zeit dadurch besonders unangenehm empfunden, daß unserer Bevölkerung in anderen Wochen mit Rücksicht darauf, daß die Einwohnerzahl keine 100.000 erreicht, nur 150 Gramm Fleisch wöchentlich auf den Kopf zustehen. Und diese 150 Gramm werden trotz aller Vorstellungen auch nicht einmal in vollem Umfange geliefert, denn in der letzten Woche konnten wiederum nur 135 Gramm verteilt werden. [...] Die Vorstellungen des Oberbürgermeisters, die Wochenkopfmenge für die Stadt Bonn auch auf 200 Gramm zu erhöhen, sind abgelehnt worden, da nach den Richtlinien des Landesfleischamtes die Stadt Bonn nicht als industrielle Gemeinde angesehen werden kann. Dabei wird vollends übersehen, daß die Stadt Bonn gegenüber Friedenszeiten eine erhebliche Menge von Industriearbeitern beherbergt, die die Zahl 20.000 überschreiten und vornehmlich in den rechtsrheinischen Kriegsindustrien tätig sind.
   Das Lebensmittelamt war in der Lage, in dieser fleischlosen Woche ¼ Pfund Mehl aus seinen Rücklagen als Fleischersatz abgeben zu können und ebenfalls die Kartoffelmenge zu erhöhen. Leider erhalten die Kommunalverbände keine Ersatznahrungsmittel, sondern müssen den Fleischersatz lediglich auch ihren Rücklagen geben.

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Die Kleinbeleuchtung wird in diesem Winter außerordentlich schwierig werden, da die Versorgung der bürgerlichen Bevölkerung mit Leuchtöl sich erheblich verschlechtert hat. [...] Die Sache liegt nun so, daß der Stadt Bonn nur der vierte Teil derjenigen Petroleumenge in diesem Jahr überwiesen wird, die im vergangenen Jahr verteilt werden konnte. Das bedeutet natürlich eine außerordentliche Einschränkung, und diese wird umso unangenehmer empfunden, als viele Familien mit Rücksicht auf etwaigen Fliegeralarm gern ein Petroleumlämpchen für den Kelleraufenthalt zur Verfügung haben möchten. Neben dem Petroleum werden in geringem Maße Kerzen zur Verfügung gestellt und außerdem Kalzium Karbid. Für das Karbid werden in den einschlägigen Geschäften, die noch bekannt gemacht werden, besondere Lampen bereit gehalten. Man rechnet, daß etwa 3 Kilogramm Karbid für eine Lampe vier Wochen reichen. Es sei auch darauf hingewiesen, daß unter Umständen nicht genutzte Fahrradlampen zur Aushilfe herangezogen werden können. Das Lebensmittelamt hat auch sog. Sparlämpchen beschafft und wird diese zum Vertrieb bringen. Diese Sparlämpchen bestehen aus einer mit Docht versehenen Glasröhre mit tulpenförmiger Erweiterung am oberen Ende und können auf jede Medizin- oder andere kleine Flasche aufgesetzt werden, sie brennen in der Leuchtstärke des Nachtlichts und sind äußerst sparsam im Verbrauch. [...]

Lichtbildbühnen. In den Lichtspielen im Stern wird das „Tagebuch einer Verlorenen“, das wir vor einigen Tagen besonders erwähnt haben, noch bis Freitag aufgeführt. Ferner steht auf dem Spielplan u.a. das fünfaktige Schauspiel „Mr. Wu“. – Das Metropol-Theater führt auf die für den Film bearbeitete Novelle „Graf Michael“ den vieraktigen Sport- und Liebesroman „Der Sohn des Hannibal“ und das dreiaktige Lustspiel „Die fromme Helene“.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

    

Bellachini, dieser Name bewährt immer wieder seine Zugkraft bei allen, die sich gerne etwas vorzaubern lassen. Und der Träger dieses Namens, der jetzt im Bürgervereinssaal auftritt, soll allerlei los haben auf seinem Gebiet. Vielleicht kann er seinen Besuchern auch Butter und Speck vorzaubern oder die Z. E. G. [Zentral-Einkaufsgesellschaft] verzaubern.

Die Festbesoldeten im städtischen Lebensmittelausschuß unvertreten. Aus dem Kreise der Bonner Beamtenschaft tritt der Wunsch hervor, gleich der Arbeiterschaft im Lebensmittelausschuß unserer Stadt eine Vertretung zu haben. Diesem Lebensmittelausschuß gehören bis jetzt an die fachkundigen Gruppen der Kolonialwarenhändler, Metzgereien, Bäckereien usw. Außerdem gehören diesem Ausschuß Vertreter der Bonner Frauenorganisationen an. Von den Verbrauchern sind dagegen nur die beiden gewerkschaftlichen Gruppen in dem Lebensmittelauschuß vertreten, und zwar Herr Sollmann als Vertreter der christlichen Gewerkschaften und Herr Kuhnert als Vertreter der freien Gewerkschaften. Es mehren sich nun, wie man uns aus Interessentenkreisen mitteilt, die Stimmen, daß die sogenannten festbesoldeten Beamten, die heute noch weit mehr als die vielfach hochgelobten Arbeiter unter wirtschaftlichen Nöten leiden, ebenfalls im Lebensmittelausschuß vertreten sein möchten. Es wäre sicherlich, namentlich für die minderbesoldete Beamtenschaft, und zwar nicht nur für die Post- und Eisenbahnbeamten, sondern auch für die in den Privatbetrieben tätigen Beamten und Angestellten vielfach von Wert, einen Vertreter ihrer Interessen im Lebensmittelausschuß zu haben. [...]

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Erhöhung der Versicherungen. Durch den Krieg ist eine erhebliche Werterhöhung bei Gebäuden, beweglichen Sachen, Viehbeständen, landwirtschaftlichem Gerät, Erntevorräten, Maschinen nebst Zubehörteilen, Werkzeugen sowie bei Rohstoffen und fertigen Waren eingetreten. Mit weiterer Steigerung muß gerechnet werden. Infolgedessen wird auch bei Feuerversicherungen eine Prüfung der versicherten Summen erforderlich sein. Im Schadenfall wird der Schadenermittlung bekanntlich der Wert am Tage des Brandes zugrunde gelegt. Der Vorlage eines vollständigen Antrages oder eines Aenderungsantrages bedarf es meistens nicht, wenn eine Erhöhung in Prozenten beantragt wird.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)