Sonntag, 18. August 1918

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 18. August 1918Die einzuschmelzenden Denkmäler. Von den Bonner Denkmälern werden nur die Figuren des Martinsbrunnens vor der Münsterkirche und das Kekule-Denkmal vor dem chemischen Institut eingeschmolzen werden. Unser Beethoven-Denkmal kommt nach den erlassenen Bestimmungen überhaupt nicht in Betracht, weil es vor 1850 errichtet worden ist. Das Arndt-Denkmal auf dem Alten Zoll wird durch seinen Charakter als Nationaldenkmal geschützt. Auch das Simrock-Denkmal im Hofgarten wird von den zuständigen Stellen nicht in Anspruch genommen.

Entschädigungen für Fliegerschäden. Die Kriegsamtsstelle in Koblenz gibt bekannt: Die oft geäußerte Ansicht, daß das Reich oder der Staat für alle durch Kriegshandlungen veranlaßten Schäden haftbar sei oder diese vergüte, ist nicht richtig. Eine gesetzliche Verpflichtung des Staates besteht hierfür nicht. Nichtsdestoweniger werden die Kriegsschäden an Gebäuden wie auch die durch Fliegerbomben verursachten Sachschäden vom Staate Preußen vergütet. [...] Es wird damit gerechnet, daß später das Reich die von den einzelnen Staaten geleisteten Entschädigungen zurückbezahlt. Bei dieser Sachlage werden die Hausbesitzer, die mit der Möglichkeit eines Bombenabwurfes auf ihr Eigentum rechnen, gut tun, sich zu versichern. [...] Auch für die Entschädigung bei Personenschäden besteht keine gesetzliche Grundlage. Jedoch ist anzunehmen, daß die gegen Unfall versicherten Personen, die in industriellen Betrieben verletzt werden, nach den für die Versicherung bestehenden Grundsätzen entschädigt werden. [...]

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 18. August 1918Keine Wiederholung der Kleiderabgabe. Durch verschiedene Zeitungen wird die Mitteilung verbreitet, daß durch die jetzt betriebene Kleiderabgabe etwa der Bedarf eines halben Jahres gedeckt würde und man daher mit einer Wiederholung der Kleidersammlung zu rechnen habe. Die Reichbekleidungsstelle erklärt demgegenüber, daß sie die Widerholung einer derartigen Kleidersammlung für die Arbeiter nicht beabsichtigt.

Beschlagnahmt. Der Inhaber der Firma Fichtelberger, Wenzelgasse, bittet uns mitzuteilen, daß sich die von uns gemeldete Beschlagnahme von Fleisch und Butter in einem Geschäft in der Wenzelgasse nicht auf seine Firma bezieht.

Die Diebstähle von Kartoffeln und Feldfrüchten der kleinen Pächter mehren sich täglich. So kann man allenthalben Warnungstafeln angebracht sehen, deren Inhalt auf die bei mit einem eventuellen Diebstahl verbundenen Gefahren hinweisen. Ein Pächter, dem man seine Kartoffeln gestohlen hat, warnt: „Um weiteren Diebstählen zu begegnen, habe ich Fußangeln und Selbstschüsse gelegt. Auch habe ich verschiedene Kartoffelstöcke mit Gift versehen. Uebrigens: Wehe dem, den ich erwische!“ Ein weiterer Pächter warnt ebenfalls vor Eigentumsvergehen und behauptet, einzelne Gemüsepflanzen vergiftet zu haben. Und so weiter – Zeichen der Zeit.

Bowlen und Aehnliches.
Von einem alten Freunde unseres Blattes, einem guten, treu-deutschen Rheinländer, der das Herz auf dem rechten Fleck hat, wird uns mit herzerfrischender Offenheit geschrieben:
   Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht und die Riesen-Bowlen zu Schiff so lange zu Wein, bis dem Herrn Kommandierenden General der Geduldsfaden reißt. Wenn jemals eine Anordnung eitel Befriedigung und Zustimmung bei der Allgemeinheit gefunden hat, so dürfte es dieses Verbot des Bowletrinkens und dieses Gebot der Einschränkung des Weingenusses auf den Rheinschiffen sein. Der Schiffswirt, der auf unseren Rheinschiffen Restaurateur heißt, wird allerdings ein Stück Verdienst schwimmen gehen, für die fühlende Menschheit und besonders für die unter dem Kriege leidende und darbende wird aber dadurch hoffentlich ein arger Stein des Anstoßes weggeräumt. Vielleicht wird auch die sogenannte Poesie des Rheins etwas darunter leiden, die Manchem erst bei der dritten Flasche so herrlich aufging und mit der Zahl der Flaschen immer wuchs und sich verlautbarte. Es war ja so schön, und ich bin nie ein Pharisäer oder gar Spielverderber gewesen, aber man soll doch den Zeitgeist verstehen und mit ihm gehen. Für den redlichen Kriegsgewinnler wird freilich der echte Zeitgeist schwer zu verstehen sein, der ihm dauernd als frischmelkende Kuh erscheint und ihm mit wenig Mühe und ohne Sorge den Rahm von der Arbeit des ganzen Volkes abschöpfen läßt. Er mag sogar glauben, ein gutes Werk zu tun, wenn er durch sein Prahlen dem Schiffswirten, dem Restaurateur, etwas zu verdienen gibt und einen Teil seines sauber, aber nicht sauer verdienten Geldes um sich wirft. Er versteht nicht den Feldgrauen und dieser ihn nicht, selbst wenn er ihn in einem aufwallenden Gefühl von etwas Patriotismus-Ersatz zum Mittrinken etlicher Glas zu sich heraufzieht. Er kann den Eindruck nicht ermessen und hat dafür kein Gefühl, den sein schwelgerischer Genuß auf den Arbeiter ausübt, der im vaterländischen Hilfsdienst körperlich oder geistig, tags und nachts, um, im Verhältnis zu ihm, immerhin kargen Lohn schuftet. Er kann nicht, während er um vieles Geld ein üppiges Mahl schlemmt, die seelischen Qualen der armen Frau begreifen, die unten in der Vorkajüte auf einem Säckchen Kartoffeln sitzt und die mit ihrem Enkeltöchterchen ein Körbchen festhält, in dem sich ein paar Eier, ein Bierfläschchen Milch und einige Falläpfel befinden, die sie für die schwindsüchtige Mutter der Kleinen in harter Tagesarbeit glücklich gehamstert haben. Ja, ja für arme anständige Leute ist Hamstern ein sehr schwerer Kampf ums Dasein. Und nun fürchten sie und zucken jeden Augenblick zusammen, das Auge des Gesetzes könnte ihnen die kleine Beute, die sie so glücklich macht, im Namen des Gesetzes wieder entreißen. Oben aber klingelt’s: Der Herr bestellt Pfirsich in Champagner für die dicke Gattin, die für nichts anderes mehr aufnahmefähig, für sich nochmals Käse und noch eine Pulle, Zigarre mit Bauchbinde und von Kaliber entnimmt er seiner Ledernen. Ja, hart im kleinen Schiffsraum stoßen sich die Sachen. Der Protz braucht kein schlechter Kerl zu sein – es fehlt ihm nur die Seele! [...]
   Es gibt noch viele Plätze, wo der böse Geist seelenloser Gefühlsmenschen umgeht, ganze Anlagen von Augiasställen. Hoffentlich fährt der Herr Kommandierende in seiner Herkulesarbeit fort. Als Familienvater nur ein paar Punkte, die mir von Wichtigkeit erscheinen, weil sie unsere Jugend betreffen und geeignet sind, jenen abscheulichen Protzengeist in unserer Jugend zu fördern.
    Ich bin in der glücklichen Lage, meinen Kindern das Schulbrot mit dem köstlichen rheinischen Apfelkraut zu schmieren, das wir naturrein aus Birnen herstellen, in diesem Jahr aus Runkelrüben oder Futterknollen. Zu Hause essen die Kinder das Kraut sehr gerne, aber in der Schule wollen sie es nicht haben; sie würden von den anderen ausgelacht, die meist Butter, Käse, Wurst oder Schinken auf dem Brot hätten! Ich habe mir erzählen lassen, daß es im Reich Universitäten und Gymnasien gibt, deren Studenten bezw. Schüler barfuß oder in Holzsandalen ohne Strümpfe im Sommer erscheinen. In den Schulen, die meine Kinder besuchen, ist das leider nicht so. Wer da mit Holzsohlen kommt, wird als minderwertig angesehen und verulkt –strumpflos wäre einfach unmöglich. Im Laufe der Zeit, wenn Lederschuhe mit Gewalt nicht mehr zu beschaffen sind, wird ja selbst der höhere Gymnasiast zum Holzschuh hinabsteigen müssen; aber wie viel weiter würden wir die noch vorhandenen Lederschuhe strecken können für die kalte Jahreszeit, wenn jetzt im Sommer Exzellenz oder der kommandierende Herr Direktor mit einem kräftigen Hieb den Protzengeist totschlüge, der sich in hellen oder anderen Lederschuhen und in Schinkenbutterbroten bläht und breit macht.
   Schinkenbutterbrote und Lederschuhe wären Kleinigkeiten? (Himmel, hast du keine Flinte!) – Sie wirken gerade so verheerend, wie das Bowletrinken auf den Rheinschiffen. Videant consules! Joh. Sch.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Die Stangenbohnenanlagen des Vorgebirges haben sich infolge des schönen warmen Wetters der letzten Wochen noch gut herausgemacht. Sie sind noch viel in die Höhe gegangen und haben nochmals neue Blütentrauben gebildet, die bei der günstigen Witterung wohl alle zur Entwicklung kommen werden. Infolgedessen gibt es noch mehr Stangenbohnen, als man anfänglich angenommen hat. Die Ernte derselben ist ja jetzt im vollen Gange und man muß alle zwei bis drei Tage die Bohnenfelder durchpflücken, sollen nicht einzelne Hülsen holzig oder strohig werden.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)