Dienstag, 1. Januar 1918

    

Eine stimmungsvolle Silvesterfeier mit musikalischen, gesanglichen und humoristischen Darbietungen sowie Gedichtvorträgen bot der Ausschuß des Soldatenheims gestern nachmittag den Verwundeten in der Beethovenhalle. Besonderen Beifall fanden die von Frau Palm gesungenen Lieder, die humorvollen Beiträge von Fräulein Lenzen, der Vortrag eines Verwundeten, ein Cellovortrag des Herrn Edelstein und ein flottgespielter lustiger Einakte. Die Verwundeten wurden dabei mit Punsch bewirtet. Zum Schluß erfreute der Männergesangverein Apollo die Verwundeten noch mit einigen Chorliedern.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

     

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Januar 1918Das neue Jahr wird auch in Bonn mit heißen Wünschen begrüßt. Wenn wir, dank der weitschauenden Klugheit unserer Heerführer und der todesmutigen Kraft unserer Lieben an der Front, von einem Einbruch des Feindes auch im ereignisreichen abgelaufenen Jahre verschont geblieben sind, so hat der Kampf auf den Schlachtfeldern doch in zahlreichen Familien schmerzhafte Wunden geschlagen, und die Lazarettzüge, die uns die Opfer des großen Ringens brachten, haben uns immer wieder mit dem leiblichen Auge an den bitteren Ernst dieses furchtbaren Krieges gemahnt. Groß waren auch die Opfer, die das zur Neige gegangene Jahr vielen Familien in materieller Hinsicht auferlegte, Opfer finanzieller und physischer Art. Und was die Stadtverwaltung für die Gemeinschaft der Bürger und zum Unterhalt der Minderbemittelten, der Kriegerfrauen und Kinder geleistet hat, bildet ein Kriegskapitel für sich. Schwer wurde es den Dezernenten, die für Nahrung, Heizung und Kleidung zu sorgen hatten, ihre Aufgaben gerecht zu werden, und die Sorgen werden für sie wie für die einzelnen Bürger im neuen Jahre zunächst kaum geringer werden. Leider hat sich auch manche unschöne Erscheinung gezeigt. Die Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt haben die Neigung zu Putz und Vergnügungen auch in die Kreise getragen, die nicht bedenken, daß die Arbeitslöhne auch wieder einmal sinken, und daß sie besser täten, für spätere Zeiten einen Sparroschen zurückzulegen. Ueberhaupt klaffen die Gegensätze infolge der wirtschaftlichen Verschiebungen, in deren Brandung die Pensionäre und die festbesoldeten Beamten und Angestellten einen besonders schweren Stand haben. Die verheerende Wirkung des Schleichhandels, von welchem sich selbst die Kommunen nicht freihalten können, wie das Beispiel von Neukölln lehrt, trägt dazu bei, die Existenzmöglichkeit bestimmter Kategorien des Mittelstandes und der Arbeiterschaft noch weiter zu erschweren. Möge das neue Jahr die Möglichkeit schaffen, daß in unserem Wirtschaftsleben gesundere Zustände einkehren, auf daß die zwingende Parole „Durchhalten“ nicht durch das „Jeder für sich, Gott für uns alle“ in einen schwer zu lösenden Widerspruch gesetzt wird. Glücklicherweise bietet unsere militärische Lage einen sonnigen Zukunftsblick. Erwartungsvoll sehen wir den nächsten Wochen entgegen, die uns den Frieden im Osten und entscheidungsvolle Ereignisse im Westen bringen sollen. Möge dort wie hier die Entscheidung zum Wohle unseres geliebten Vaterlandes fallen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Januar 1918Von der Rheinschiffahrt. Das im ganzen Rheingebiet herrschende Frostwetter hat im Laufe der Woche das allgemeine Sinken des Stromspiegels noch erheblich beschleunigt. Dazu treibt der Rhein eine Menge Eisschollen, die teilweise schon eine beträchtliche Dicke aufweisen. Die Verschiffungen nach dem Oberrhein sind wegen der Eisgefahr nahezu völlig eingestellt worden, während die auf der Fahrt befindlichen Dampfer und Kähne meist den Winterhafen aufgesucht haben, um den Wiedereintritt besserer Fahrwasserverhältnisse abzuwarten. [...]

Das Verdienstkreuz für Kriegshilfe wurde Frau Geheimrat Professor Dr. Ribbert und Fräulein Oberlehrerin a.D. Hedwig Reinbrecht verliehen. Beide Damen haben sich im Vorstande des Nationalen Frauendienstes, in den seit einiger Zeit die Hauswirtschaftliche Kriegshilfe übergegangen ist, hervorragend betätigt. In allen kriegswirtschaftlichen Fragen haben sie in wertvoller Mitarbeit dazu beigetragen, daß der Sinn der Bonner Hausfrauen mehr und mehr für die Opfer und Entbehrungen der Kriegszeit angeregt werde. Viele Sammlungen sind durch ihr verdienstvolles Eintreten zu gutem Erfolge geführt, und in letzter Zeit hat sich namentlich die Gründung der Schuhmacherwerkstätte in der Universität für die ärmere Bevölkerung in hervorragender Weise bewährt. – Das Verdienstkreuz für Kriegshilfe ist dem Dressurmeister der Sanitätshund-Meldestelle Bonn, Kaufmann Johan Hölzken, verliehen worden.

Schwere Ausschreitung. Ein 23 Jahre alter Abstecher aus Bonn hatte am Abend des 25. November d. J. in Gesellschaft eines Mannes, der unbefugt Vizefeldwebeluniform trug, sowie zweier Mädchen in einer Kölner Wirtschaft für 250 M. Wein und Sekt geschlemmt. Als dann die Polizeistunde geschlagen hatte, zog das vierblättrige Kleeblatt kurz nach Mitternacht über den Rhein nach Deutz, wo die Mädchen in ein verrufenes Haus geschleppt werden sollten. Dies flüchteten aber noch im letzten Augenblick und erbaten die Hilfe eines Schutzmannes gegen den mit gezücktem Seitengewehr sie verfolgenden falschen Feldwebel. Auf des Letzteren Pfiff hin eilte auch der Abstecher herbei, der mit den Worten „Ich schieße euch über den Haufen!“ einen Revolver auf den Beamten anlegte. Die Waffe, die mit fünf Patronen geladen war, versagte jedoch, und es gelang dem Schutzmann, nach schwerem Ringen mit Hilfe mehrerer inzwischen herbeigeeilter Soldaten der Deutzer Bahnhofswache, den Angreifer zu überwältigen. Dieser wurde jetzt vom Außerordentlichen Kriegsgerichte der Festung Köln wegen verbotenen Waffentragens und tätlicher Widerstandsleistung gegen einen in rechtmäßiger Amtsausführung handelnden Beamten der Staatsgewalt zu insgesamt acht Monaten Gefängnis verurteilt.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)