Mittwoch, 19. Dezember 1917

   

Aus dem städtischen Lebensmittelamt.
Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Dezember 1916   Die etwas reichlichere Ausgabe von Lebensmitteln für die Weihnachtswoche hat in der Bürgerschaft großen Anklang gefunden. Die Zufriedenheit hierüber prägt sich äußerlich sogleich in der Teilnehmerzahl der Kriegsküchen aus, die um etwa 400 Teilnehmer gesunken ist. Erfreulicherweise sieht man hierin das gute Zeichen, daß das Selbstbestimmungsrecht der Familien über Kochangelegenheiten unerschüttert ist. Das deutsche Familienleben baut sich eben auf so schönen Grundsätzen auf, daß auch Sorge, Entbehrung und schwere Zeit es nicht erschüttern können. Leider können diese reichlichen Zulagen in den nächsten Wochen nicht weiter gegeben werden, da zur glatten Durchführung unserer Ernährung äußerste Sparsamkeit geboten ist. Aus diesem Grunde sind die Zuweisungen der Reichsstellen an Nährmittel zurzeit, wo die Kartoffeln noch gut und verhältnismäßig reichlich in den Familien vorhanden sind, auch sehr spärlich. Die Vorräte werden für die Monate Mai, Juni und Juli, die kurz vor der neuen Ernte stets am schwierigsten zu überwinden sind, aufgespart.
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   Das Ergebnis der
Volkszählung am 5. Dezember ist folgendes: Es sind in Bonn insgesamt 86.394 Personen anwesend, davon 36.335 Männliche und 50.059 Weibliche, in der Gesamtzahl sind 7441 Militärpersonen und Kriegsgefangene enthalten. Das Ergebnis bedeutet eine erfreuliche Zunahme der Einwohnerzahl gegen die Volkszählung vom 1. Dezember 1916, die insgesamt 83.778 anwesende Personen ergab. Es sind dies also 2883 Personen mehr ortsanwesend gewesen. Der Zuzug ist in erster Linie auf die starke Belegung der benachbarten königlichen Werke zurückzuführen, deren Arbeiter mit Rücksicht auf die unzureichende Wohngelegenheit in Siegburg vielfach Bonn als Wohnsitz in Anspruch nehmen.
   Nicht so günstig ist die Zählung der leerstehenden Wohnungen und Geschäftsräumen ausgefallen, denn sie hat nur insgesamt 274 leerstehende Wohnungen und darunter nur 66 leerstehende Ein- und Zweizimmerwohnungen sowie 97 leerstehende Ladenräume und 63 leerstehende Werkstätten, Fabrikräume und sonstige Gewerberäume. Wenn man den Prozentsatz der leerstehenden Wohnungen im Vergleich zu den überhaupt vorhandenen Wohnungen herausrechnet, so sind in Bonn rund 1,3 Proz. leerstehende Wohnungen vorhanden. Statistisch spricht man von Wohnungsknappheit, wenn der Prozentsatz der leerstehenden Wohnungen unter 3 Prozent sinkt. Dieses Bild kann sich jedoch leicht verschieben, wenn die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme, namentlich der kleinen Wohnungen, nicht mehr so dringend sind, also wenn z. B. die Belegschaft der Industrie in Bonn und Umgebung nicht mehr so stark ist. [...]

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

   

Vorträge. Je weiter der Weltkrieg fortschreitet, desto mehr gestaltet er sich zu einem Zweikampf zwischen Deutschland und England, das uns wirtschaftlich niederringen und seine Machtstellung in Europa vervollständigen will. Daß diese Machtstellung untrennbar mit dem Schicksal Belgiens verbunden ist, zeigte gestern abend Herr Geheimrat Prof. Dr. Zitelmann von der Universität in einem auf Einladung des Verbandes Bonner Frauenvereine im Kunsthistorischen Auditorium gehaltenen Vortrage. Da das Schicksal Belgiens eine Hauptfrage des deutschen Schicksals in der Zukunft ist, so müssen wir vor allem dafür sorgen, daß unser deutsches Vaterland stark gesichert dasteht, so daß eine Wiederholung dieses mörderischen Kampfes für die Zukunft ausgeschlossen ist und daß Belgien nicht zu einem Aufmarschgebiet für französische und englische Heere werden kann. Auf die bekannte Reichskanzlerrede vom Anfang August 1914 eingehend, zeigte er unter Hinweis auf den Bruch der Neutralität Belgiens schon vor dem Kriege, daß wir vom völkerrechtlichen Standpunkt aus berechtigt sind, Belgien so zu behandeln, wie unsere Gegner Frankreich und England. Dem Gedanken einer Einverleibung oder Eingliederung Belgiens stehen starke Bedenken entgegen, weil die Geschlossenheit unseres Volkstums durch die Aufnahme eines feindlichen Volkes von 7 ½ Millionen Einwohnern gefährdet würde. Der Redner schlug deshalb einen Mittelweg vor, derart, daß Belgien als selbständiges Staatswesen mit freier Kirchen-, Schul- und Justizverwaltung bestehen bleibt, aber unsere politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen vollauf bewahrt bleiben. Den eingebenden Erörterungen über dieses hochwichtige Zukunftsproblem und über seine Lösung folgte die Hörerschaft mit regster Anteilnahme.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Kriegsküche Poppelsdorf. Seit einigen Tagen mache ich die Beobachtung, daß das Essen, welches vom vergangenen Tage war, wieder mit vermischt war. Ich glaube, daß dies nicht nötig ist. Auch brauchen wir Teilnehmer dies nicht zu dulden. Auch geht die Verteilung der Tageskarten auf Gunst: dieses behaupte ich auf eigene Wahrnehmung hin. J. R.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

    

Zwei Kinder verbrannt. In der Nacht zum Dienstag kam in der Rheingasse eine Frau, deren Mann in russischer Kriegsgefangenschaft ist, nachts um 1 Uhr nach Hause, wo sie ihre beiden Kinder im Alter von einem und drei Jahren verbrannt auffand. Sie waren bei einem Zimmerbrande ums Leben gekommen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)