Sonntag, 11. November 1917

  

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 11. November 1917Deutsche Vaterlandspartei. Die Ortsgruppe Bonn und Umgebung hat Freitag abend unter dem Vorsitz von Geheimrat Litzmann wieder eine Mitgliederversammlung in der Germaniahalle abgehalten. Die Versammlung bestätigte den in der ersten Versammlung nur vorläufig gewählten Ausschuß und ergänzte ihn durch eine Anzahl Herren aus den verschiedensten Ständen, darunter auch mehreren aus den Landorten. […]
   Man schreibt uns: Die Deutsche Vaterlandspartei ist, wie überall, so auch am Rhein, in unaufhaltsamem Wachstum begriffen. […] Bei der Geschäftsstelle in Köln sind bisher – neben den körperschaftlichen Beitritten von Vereinen – schon über 11.000 persönliche Beitrittserklärungen angemeldet worden. 96 Ortsgruppen mit Hunderten, ja Tausenden von Mitgliedern sind entweder schon gebildet worden oder noch in der Bildung begriffen. So zählen […] Bonn 600 bis 700 Mitglieder. Im Vorstand des Landesvereins sind Mitglieder aller Parteien und Stände vertreten, darunter auch zwei Arbeiter. […]

Ueber die Lage im Orient hält Dienstag abend im Saale der Lese der bekannte Kolonialpolitiker Privatdozent Dr. Wirth aus München einen Vortrag. Die Deutsche Kolonialgesellschaft (Abteilung Bonn-Godesberg) ladet dazu ein.

Sterilisierte Milch zu 85 Pfg. die Halbliterdose wird von Mittwoch bis Samstag dieser Woche an die Inhaber der Lebensmittelkarten A verkauft. […]

Petroleum für Heimarbeiter und landwirtschaftliche Betriebe wird wochentags von 8 bis 12 Uhr auf dem Hofe der Feuerwehrkaserne an der Maxstraße abgegeben.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 11. November 1917Das Schöffengericht Bonn. […] Der 33jährige Monteur Josef Be. von hier war der ihm zur Last gelegten Anklage geständig, daß er am 20. August dieses Jahres gelegentlich einer vollzogenen Ausbesserung des Motors im Bonner Proviantamt bei seinem Weggang sich 25 Pfund reines Weizenmehl aus demselben mitgenommen habe. Er machte geltend hierzu die Erlaubnis des Aufsehers Ke. und die des stellvertretenden Aufsehers Wi. vom Proviantamte gehabt zu haben, denn sonst hätte er nicht des öfteren schon bei jeder Gelegenheit, wo er im städtischen Proviantamte Arbeiten ausführte, ganz ungeniert sich Mehl von dort mitgenommen. Die beiden erwähnten Aufsichtsbeamten widerlegten jedoch bei ihrer eidlichen Vernehmung diese Behauptung bezüglich des Zugeständnisses auf das allerentschiedenste. Dem Antrage der Staatsanwaltschaft entsprechend verurteilte das Gericht den bereits mehrfach vorbestraften Angeklagten zu 3 Monaten Gefängnis. –[…] – Die 32jährige Ehefrau des Kaufmanns Joh. He. zu Bonn hatte in ihrem Geschäfte verbotswidrig pulverisierten Kakao feilgehalten, wovon sich am 15. Oktober eine Frau aus Köln 6 Pfund zu à 10 Mk. aufkaufte, nachdem dieser von dem Ladenfräulein gesagt worden war, daß die Ware gut sei. Die chemische Untersuchung hatte aber ergeben, daß wenigstens 80 Prozent wertloser Kakaoschalen in dieser Mischung waren. Der reine Kakao hatte damals einen Preis von 25 Mk. pro Pfund. Die Verhandlung ergab, daß ihr langjähriger und bewährter Geschäftsführer M. diese Ware für 7,80 M. eingekauft hat. Ein übermäßiger Gewinn, der ihr ebenfalls zur Last gelegt worden war, war also nicht vorhanden, da nach der Zeugenaussage eines Sachverständigen der von Berlin aus genehmigte Gewinnsatz für Kakao sich bis zu 33½ Prozent bewegen darf. Die Angeklagte wurde daher nur wegen fahrlässiger Verfehlung gegen die Kriegsverordnung vom 19. Aug. welche die Führung und den Verkauf von jeglichem pulverisiertem Kakao verbietet, bestraft in Höhe von 100 Mk. Der Staatsanwalt hatte 300 Mk. beantragt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Die Gesellschaft für Literatur und Kunst machte uns am vorletzten Samstag mit dem Dichter Heinrich Mann bekannt, der einige seiner neuen Werke vorlas. Die Novelle „Die Tote“ interessierte die zahlreich erschienenen Zuhörer sehr und wirkte durch ihren packenden Inhalt. Die Bruchstücke „Aus einem Roman“, in dem aus Geschäftsinteresse eine Verlobung zustande kommt, war recht humorvoll, fiel jedoch gegen die nachfolgenden Märchen, in denen der hervorragende Stil und die scharfe Beobachtung des Erzählers deutlich hervortraten, etwas ab. Schließlich kam man doch in gehobene Stimmung durch das Gebotene und befriedigt verließen wir mit den dankbar Erschienenen den anheimelnden Lesesaal.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)