Freitag, 19. Oktober 1917

     

Aller Absatz von Dörrobst, auch im Handel, ist bis auf weiteres nur mit Genehmigung der Kriegsgesellschaft für Obstkonserven und Marmeladen erlaubt. Lohnverträge über das Dörren von Obst bedürfen in jedem einzelnen Falle der Genehmigung dieser Gesellschaft.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

      

Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Oktober 1917Jede Beleuchtung im Freien ist ab heute verboten. In der vorliegenden Nummer unseres Blattes ist eine Polizei-Verordnung des Regierungs-Präsidenten in Cöln über Maßnahmen gegen Fliegergefahr abgedruckt. Danach müssen von heute ab alle erhellten Innenräume lichtdicht abgeblendet werden und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Räume nach der Straße oder nach dem Hofraum liegen. Dagegen müssen Fuhrwerke, Aufbruchstellen in den Straßen oder Gegenstände, die den freien Verkehr hindern, vor wie nach bei Eintritt der Dunkelheit beleuchtet werden. Eine beschränkte Straßenbeleuchtung ist bis 11½ abends und morgens 6 Uhr ab gestattet, soweit eine solche Beleuchtung zur Sicherung des Verkehrs notwendig ist. Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß die Polizeiverordnung mit dem heutigen Tage in Kraft tritt.

 Vierzehn Monate gefangen in Indien und England. Ein Mitglied der Gesellschaft Jesu, Pater Richter war es, der gestern abend zahlreichen Zuhörern seine Erlebnisse in der Gewalt der Engländer mit beredten Worten schilderte. Mitten im tropischen Indien erfuhr er durch dunkle Gerüchte vom Krieg zwischen zwei mächtigen Völkern im Westen. Man nimmt ihm seine Privatwaffen ab, da erfährt er, daß Krieg zwischen seinem Vaterlande und England sei. Schon drei Wochen danach glaubt kein Inder mehr den englischen Zeitungen; die Sympathie der Eingeborenen ist auf Seite der Deutschen, aber – einen Aufruhr können die Inder nicht machen. Schon drei Wochen nach dem Kriegsbeginn hat Kitchener die gesamte eingeborene Armee aus dem Lande gezogen und nach Flandern geworfen. Indien war damit der Kristallisationspunkt für eine Erhebung genommen. Schlau und gerissen ist der Engländer. Nach anfänglicher Nichtbeachtung kam Redner am 23. April 15 in ein Konzentrationslager für Zivilgefangene, wo es sich leben ließ, im Gegensatz zum Militärgefangenen-Lager, wo scheußliche Verhältnisse herrschten. Redner streifte hier eine eigenartige Fehme, die vaterlandslose Landsleute zu finden wußte. Sie hieß die Kieler Flotte und arbeitete mit drastischen Bordmitteln. Am 23. März 16 trat er dann mit 500 Leidensgefährten, darunter 150 Frauen und 150 Kinder, die Reise nach Altengland an, die um das Kap ging, sieben Wochen dauerte und allen Deutschen so recht die Weltmacht der Engländer vor Augen führte. Die ganze weite Reise berührte nur britisches Gebiet und das Schiff lief nur britische Häfen an.
   
Lebhaft schilderte Pfarrer Richter, der in grauer Montur eines Feldgeistlichen erschienen war, dann die Furcht vor den U-Booten an Bord, die feenhafte Beleuchtung und die großartige „Schiffsparade“ im Kanal und die herbe Enttäuschung, als in der Themsemündung nur die Frauen und Kinder für die Weiterfahrt nach Holland freigegeben werden. Wieder kostet er die Schmach englischer Lager und Behandlung in London und auch – die Schmach deutscher Verräter und Spitzel – in drei Lagern. Endlich die Befreiung; am 14 Juli 16 treten sie die Fahrt nach der Heimat an; ein Holländer bringt ihn mit anderen Brüdern nach Vlissingen und bald sehen sie wieder deutsche Fluren, fahren den deutschen Rhein hinauf.
    Seinem fesselnden Vortrag gab Pater Richter ein ernstes Nachwort. Zwei Kriegsjahre hat er im Ruhestand und auf Beobachtung in Feindesland gelegen. Das Resultat: England ist es bitter ernst mit dem Kriege. England kämpft bis zum Ende. Damit decken sich seine Erfahrungen als Feldgeistlicher und Verhör-Dolmetscher. Aus einem schwer verwundeten Engländer spricht das ganze Land: „Ihr bekommt uns nicht unter, oder wir gehen unter.“ Von den Engländern müssen wir lernen, dieselbe Energie anzuwenden, und endlich muß es stille werden mit all dem Friedensgerede. Die Einheit der inneren Front ist in’s Wanken geraten, das hat unseren Feinden den Rücken gestärkt. Auch für uns gilt: „Wir müssen siegen, damit wir nicht untergehen.“

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 Frauenversammlung im Bürgerverein am 16.10. Ein „Bravo“ der mutigen Dame, die trotz des eisigen Schweigens vom Vorstandstisch aus, unter begeistertem Beifall der Versammlung die Empfindungen derselben wiederzugeben schien mit ihren Ausführungen betreffs zwangsweiser Beschäftigung der Mädchen- und Frauenwelt in der Rüstungsindustrie. Warum wurde vom Vorstandstisch aus gebeten, in der Diskussion die Einführung des Zwanges nicht noch einmal zur Besprechung zu bringen? Das machte auf die Versammlung den ungünstigsten Eindruck und mit Recht, denn nur mittelst eines Zwanges wird es gelingen, alle Bevölkerungsschichten zu dieser Kriegsarbeit zu erfassen. Eine Zuhörerin, die neben Arbeiterfrauen saß.

Das Schoßhündchen. Eine hiesige Dame suchte durch Inserat im Gen.-Anz. ein kleines Schoßhündchen zu kaufen – worauf ihr folgende Offerte zuging:
   
Was wollen Sie denn jetzt mit einem Schoßhündchen? Haben Sie denn nicht die gestrige Frauenversammlung im Bürgerverein besucht?! Da wurde der meiste Beifall der Rednerin gegeben, die den Vorschlag machte, daß die Damen der oberen 10 Tausend (Kommerzienratstöchter etc.) zwangsweise zur Pulverfabrik in Troisdorf kommandiert würden. Frl. Direktor W. heißt sogar Frauen und Mütter Haus und Kind zu verlassen, und jetzt der ersten Pflicht dem Vaterland zu dienen da, wo es ihre Kraft gebrauche, also in den Munitionsfabriken zu arbeiten. Das Vaterland ruft Alle, auch die verehrteste deutsche Frau.
Eine Hundeliebhaberin aus Friedenszeiten.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

 

7. Kriegsanleihe.
In Bonn wurden, soweit festgestellt werden konnte, 45½ Millionen gezeichnet, bei der 6. waren es 42, 5. 31½, 4. 33, 3. 38, 2. 30, 1. 18 Millionen. [...]

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)