Mittwoch, 1. August 1917

       

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. August 1917Das städtische Kleider- und Schuhhaus an der Gangolfstraße ist nun eröffnet worden. Schon seit vielen Monaten sind bekanntlich in einer besonderen Annahmestelle gebrauchte Kleider und Schuhe gesammelt worden, damit sie instandgesetzt und dann an Bedürftige abgegeben würden. Mancher Vaterlands- und Menschenfreund hat aus seinen Vorräten an Kleidern das städtische Kleider- und Schuhlager bereichert, aber sehr viele, die es auch könnten, haben das bisher nicht getan; denn es sind erst etwas über 8000 Stück umsonst oder gegen Bezahlung zur Sammelstelle gebracht worden. Was aber sind 8000 Bekleidungsstücke in einer Stadt wie Bonn, zumal da auf Weisung der Reichsbekleidungsstelle der dritte Teil der Männerkleidung auch noch für die heimkehrenden Krieger verwahrt werden muß! Es möge doch jeder seine Schränke und Behälter nachsehen und alles, was er selbst nicht mehr tragen kann oder mag, der städtischen Annahmestelle Martinstraße 18 überweisen, er hilft damit seinen ärmeren Mitbürgern; denn die Kleider- und Schuhnot ist jetzt schon groß, sie wird voraussichtlich noch größer. Wer der Annahmestelle ein gutes Kleidungsstück abgibt, bekommt außer der Bezahlung dafür, wenn er auf diese nicht verzichtet, auch einen Bezugsschein für ein neues Stück.
   Im Erdgeschoß des großen Warenhausbaues an der Gangolfstraße (des früheren Kunsthauses Zirkel) befindet sich, wie bisher schon, die Bezugsscheinausgabe. Im ersten Stock ist der Verkaufsraum. In langen Gestellen sind hier die Schuhe und Stiefel, nach Größen geordnet, die Frauen-, Mädchen-, Knaben- und Männerkleider übersichtlich zur Schau gestellt; alle Sachen sind tadellos aufgearbeitet, so daß sie zum großen Teil von neuen Gegenständen nicht zu unterscheiden sind. Die Preise sind für die heutigen Verhältnisse ganz außerordentlich niedrig, sie entsprechen nur den Ausgaben für den Ankauf und die Aufarbeitung. Der zweite Stock dient als Lagerraum für die Vorräte, die einstweilen noch nicht zum Verkauf bestimmt sind. Im Dachgeschoß endlich arbeiten viele Schuhmacher, Schneider und Schneiderinnen emsig an den Stücken, die, vorher keimfrei gemacht, ihnen aus der Annahmestelle an der Martinstraße geliefert werden, um sie möglichst dauerhaft und vornehm wieder herzurichten. Der ziemlich umfangreiche Betrieb wird von erprobten Fachleuten geleitet, den Stadtverordneten Gentrup und Kalt sowie (für Schuhwaren) Herrn Albeck. Verkauft werden vorerst nurSchuhe und Sommerkleidung, und zwar an die Angehörigen der Lebensmittelkarten A sowie an Schwer- und Schwerstarbeiter. Kinderreiche Familien werden bevorzugt. Schwer- und Schwerstarbeiter, die nicht der Klasse A angehören, erhalten nur für ihren eigenen Bedarf Sachen, nicht aber auch für ihre Familienangehörigen. Der verhältnismäßig geringe Vorrat zwingt zur Einschränkung; es wird daher an jede Familie zunächst nur ein Paar Schuhe abgegeben.

Soldatenheim. Der erste Sonntagnachmittag in den neugemieteten Räumen des kath. Vereinshauses, Josefstraße 46, ließ sich sehr vielversprechend an. Schon gleich am vergangenen Sonntag fanden sich die Soldaten zahlreich im Soldatenheim ein, so daß bei der Unterhaltung um 6 Uhr der große Saal des Vereinshauses vollbesetzt war. Kolonnenführer A. Schneider hieß die Feldgrauen herzlich willkommen und sprach die Hoffnung aus, daß das Soldatenheim auch in seiner neuen Verfassung die alte Zugkraft auf die Soldaten ausüben werde. Es wurde dann eine abwechslungsreiche und gediegene Unterhaltung geboten: Chor- und Einzellieder, Gedicht- und Musikvorträge, humoristische Darbietungen und zwei lustige kleine Theaterstücke.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

       

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 1. August 1917Bonn an der Schwelle des vierten Kriegsjahres. Wenn man in unserem deutschen Vaterlande heute Rückschau hält, dann darf Bonn mit Ehren genannt werden. Bürgerschaft und Verwaltung unserer rheinischen Universitätsstadt haben sich in rascher Erkennung des Ernstes der Ereignisse mit ruhiger Würde, opferfreudigem Sinn und organisatorischem Weltblick in die veränderten Verhältnisse hineingelebt. Vom ersten Mobilmachungstage an, wo außer unserem Königshusaren-Regiment und unseren 160ern zahlreiche Söhne unserer Vaterstadt zum Schutze der Heimat mit hinauszogen, den Feinden entgegen, bis zur heutigen Stunde hat unser zur ernsten Lazarettstadt gewordenes heitere Bonn gezeigt, daß es willig und gern alle schweren Kriegsopfer, von denen niemand in Staat und Reich verschont bleiben konnte, in Liebe und Treue für unsere große gemeinsame Sache mittragen half.
   Gar manche wirtschaftliche Existenz ist auch hier im Verlaufe dieser drei Kriegsjahre gefährdet oder vernichtet worden. Gar manche Familie hat der Krieg durch Not und Tod auf den Schlachtfeldern seelisch und gar manchesmal auch wirtschaftlich hart getroffen, und die wachsenden Ernährungsschwierigkeiten, wie die Verteuerung der Lebenshaltung überhaupt, haben namentlich dem Mittelstande arge Wunden geschlagen.
   So weit die Möglichkeit vorlag, hat unsere städtische Verwaltung eingegriffen, und es ist uns eine gewisse Genugtuung, daß gar manche unserer kriegsorganisatorischen Maßnahmen von anderen rheinischen Kommunalverbänden als mustergültig beurteilt werden.
   Daß man auch in Bonn dankerfüllt allezeit unserer lieben Feldgrauen an der Front in diesen drei Jahren der Kämpfe und stolzen Erfolge gedacht hat, das bewies die Unzahl von Feldpostpaketen, die hinausgingen, das zeigte sich an den Zuwendungen, die dem freiwilligen Hilfsausschuß, unseren Lazaretten, dem Roten Kreuz, dem Bonner Lazarettzug, dem Vaterländischen Frauenverein, der Bonner Volksspende, der Arndteiche und den zahlreichen vaterländischen Sammlungen im Verlaufe der drei Kriegsjahre zuteil wurden. Nicht zuletzt bekundete sich der zielbewußte Sinn unserer Bürgerschaft für unsere deutsche Sache durch die rege Beteiligung an den Zeichnungen für unsere Kriegsanleihen.
   Wenn wir die Verhältnisse ungeschminkt betrachten, wie sie sich in den drei Kriegsjahren bei uns hinter der Front entwickelt haben, so muß man allerdings bekennen, daß sich in Bonn und seiner mit einem fruchtbaren Boden reich gesegneten Umgebung neben der Entwicklung eines unversieglichen, prachtvollen vaterländischen Opfersinnes, der trotz der Hingabe von Gut und Blut allseitig lebendig geblieben ist, auch manche häßliche Schatten über unsere rheinischen Fluren gesenkt haben. Die Geldbörse gar mancher reichen Hausfrau hat, um es in dürresten Worten zu sagen, ein betrübendes Bündnis geschlossen mit der Gewinnlust des gewerblichen Handels mit landwirtschaftlichen wie sonstigen Erzeugnissen. Die Folge dieses der Sorge um die nächsten Angehörigen entsprungenen Vorgehens ist, daß wir an der Schwelle des vierten Kriegsjahres in Bonn Gemüse und Obst, das am Vorgebirge gezüchtet wird, nur zu wucherischsten Preisen ergattern können. Alle Ermahnungen unserer Behörden an unsere begüterten Hausfrauen, nicht durch wilde Preisangebote dem Beamten und Arbeiter die Lebenshaltung bis zur wirtschaftlichen Erdrosselung zu erschweren, sind ohne vollen Erfolg geblieben.
   An dieser bedauerlichen Tatsache gemessen, muß man dem Mittelstande und dem Arbeiter es an der Schwelle des vierten Kriegsjahres besonders danken, daß er in ruhiger Zuversicht auf den endgültigen Sieg unserer deutschen Waffen sich tapfer durchringt. Dank gebührt aber auch dem Unternehmertum, das durch Teuerungszulagen es den Arbeitern und Angestellten vielfach ermöglicht hat, die Not der Zeit einigermaßen zu überwinden.
   Wenn wir an der Schwelle des vierten Kriegsjahres für unseren landwirtschaftlich so reich gesegneten Bonngau einen Wunsch äußern sollen, so ist es der, daß das Verantwortlichkeitsgefühl in allen Schichten unserer Bevölkerung dafür wachsen möge, daß nicht das hämische Franzosenwort: „Jeder für sich, Gott für uns alle“, sondern die deutsche Losung: „Alle für einen, einer für alle“ mehr nachgeachtet werde, denn mehr wie je gilt für das beginnende vierte Kriegsjahr nicht nur militärische und politisch, sondern auch in der bedeutsamen Ernährungsfrage das Wort des Freiheitsdichters: „Nimmer wird das Reich zerstöret, wenn wir einig sind und treu.“

Kartoffel-, Gemüse- und Brotversorgung in Bonn. Von amtlicher Stelle wird uns berichtet: Die Kartoffelzufuhr ist zur Zeit im allgemeinen gut, obgleich es sich noch immer nicht klar übersehen läßt, in welcher Weise die Belieferung der nächsten Wochen ausgeführt werden wird. Die Witterung ist in den letzten Tagen für die Entwicklung der Winter-Kartoffeln gut gewesen. Ende dieser Woche werden voraussichtlich die Kartoffeln für 14 Tage, also für die Zeit vom 6. bis 20. August ausgegeben. Das geschieht aus dem Grunde, um die städtischen Lager zu entlasten. Es wird jedoch dringend empfohlen, die gekauften Frühkartoffeln im Privathaushalt sorgfältig am kühlen, luftigen Ort aufzubewahren und mit der Menge haushälterisch umzugehen.
   Die Gemüsezufuhr beginnt auch besser zu werden. Erfreulicherweise haben die Hamsterfahrten auf das Land etwas nachgelassen. Auch die Höchstpreis-Uebertretungen sind nicht mehr so zahlreich, obgleich eine große Zahl von Hausfrauen sich noch immer nicht daran gewöhnen kann, daß nur durch eine straffe Zucht das erstrebte Ziel für die Allgemeinheit erreicht werden kann. Wir haben eine so reichliche Kohl- und Bohnenernte wie selten. […]
   Die als Brotersatz ausgegebene Fleischzulage wird am Samstag, 11. August zum letzten Male verteilt. Vom 13. August ab wird dann die erhöhte Brotration ausgegeben, und zwar erhalten dann die Versorgungsberechtigten anstelle der bisherigen 3 Pfund – 3½ Pfund, die Schwerarbeiter anstelle der 4½ Pfund – 5 Pfund, die Schwerstarbeiter anstelle der 5½ Pfund – 6 Pfund, die hoffenden und stillenden Frauen anstelle der bisherigen 5 Pfund – 6 Pfund Brot. Leider ist es noch nicht möglich, die Zulagen an die Jugendlichen wieder einzuführen. […]

Die Wohnungsfrage in Bonn. Die Frage, ob wir nach dem Kriege mit einer Wohnungsnot, besonders mit einem Mangel an Kleinwohnungen werden zu rechnen haben, dürfte für die meisten Städte unbedingt bejaht werden. Schon jetzt macht sich an verschiedenen Orten Wohnungsmangel bemerkbar. […] In Bonn betrug der Zugang an neuen Wohnhäusern 1912 102, 1913 31, 1914 50, 1915 20, 1916 aber nur 7. Der Zugang an neuen Wohnungen betrug 1912 205, 1913 231, 1914 174, 1915 49, 1916 aber nur 11. […]

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Godesberg, 1. Aug. Die Obstdiebstähle mehren sich hier täglich. Zumeist sind es fremde Ausflügler, die gelegentlich ihres Besuches eine Kostprobe vom Godesberger Obst stibitzen wollen. Am Samstag nachmittag hatten zwei Herren aus Köln ihre zwei Rucksäcke mit Aepfeln aus einem eingefriedeten Garten am Burgfriedhof gefüllt. Auf ihrem Weitergange dieserhalb gestellt, ließ der eine seinen gefüllten Rucksack im Stich und entkam durch die Flucht; der andere entkam mit seiner Beute. Zwei aus der Flur zurückkehrende Frauen wurden ihre mit Aepfeln gefüllte Säcke beschlagnahmt, da sie über deren rechtmäßigen Erwerb sich nicht ausweisen konnten.

Geislar, 30. Juli. Man schreibt uns: In der hiesigen Gemarkung mehren sich die nächtlichen Felddiebstähle in erschreckender Weise. Ganze Kartoffeläcker, Bohnen- und Gurkenfelder werden abgeräubert, und was noch übrig bleibt, wird verdorben. Vor einigen Nächten wurde sogar geschnittener Roggen, der auf Haufen stand, im Felde gedroschen und dann mitgenommen. Was von den Dieben nicht gesammelt werden konnte, wurde in die Erde getreten. Das schlimmste bei der Sache ist, daß es meist arme Leute sind, die von den Dieben heimgesucht werden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)