Montag, 16. Juli 1917

       

Frühkartoffeln. Soweit die Vorräte reichen, werden in dieser Woche zwei Pfund Frühkartoffeln auf die Kartoffelkarte verabfolgt. Der Verkauf findet auf dem Wochenmarkte, dem Stiftsplatz und vor der städtischen Gemüseverkaufsstelle Moltkestraße 1 vormittags und auch nachmittags statt.

Bei den städtischen Gemüseverkaufsstellen müssen sich die Käufer durch ihre Lebensmittelkarte ausweisen, daß sie Bonner Einwohner sind.

Ein entwichener russischer Kriegsgefangener ist gestern nachmittag in Dransdorf von einem Feldhüter festgenommen und der Polizei eingeliefert worden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

      

Der Westerwaldverein unternahm gestern einen Nachmittagsausflug in das Siebengebirge. Er hatte sich als Ziel die Wolkenburg gewählt. [...] (Weniger genussvoll war der Aufenthalt bei der Rast in einem bekannten Wirtslokale nahe der Hirschburg, wo man durch die Kriegspreise allzudeutlich daran erinnert wurde, daß wir in einer Zeit der „Hochkonjunktur“ leben. Der Kaffee, bestehend aus der üblichen Kriegsmischung und etwas Zucker, stellte sich für den Kopf auf 1 Mk., sodaß beispielsweise eine Familie, die aus einem Ehepaar und einem kleinen Jungen bestand, 3 Mk. für ihren Kaffee ohne Essenszutat zu zahlen hatte. Ein Hümpchen Pfirsichbowle wurde mit 1,60 Mk. berechnet. Beschwerden beantwortete man dahin, daß die Preise im ganzen Gebirge nirgends billiger seien.
   
Es wird Zeit, daß der Verschönerungsverein für das Siebengebirge sich dieser Preisfrage einmal annimmt, denn schließlich gibt es auch hierin eine Grenze. Dem Bürgermeisteramt in Königswinter empfehlen wir gleichfalls im Interesse des Fremdenverkehrs, sich die Kriegspreise der Wirte einmal näher anzusehen. Ebenso auch die Obstpreise an der Schiffs-Landestelle. Die Schriftl.)

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

      

Lederknappheit und ihre Beseitigung. Durch die durch den Krieg verursachte Abschneidung aller Einfuhr und den ungeheuren Bedarf des Heeres machte sich bald ein Mangel an Leder bemerkbar, der sich in den erhöhten Ladenpreisen kundgab. Es sind nur sehr geringe Mengen Leder, die für die Zivilbevölkerung freigegeben werden. [...] Die Abgabe des Leders an die Schuhmacher stellt zur Bedingung, daß das Leder nicht für Schuhe, ja nicht einmal für ganze Sohlen, sondern nur für Ausbesserungen benutzt wird, und soll künftig von der gleichzeitigen Abnahme einer gleichen Menge Holzsohlen abhängig gemacht werden. Was von den fertigen Schuhwaren im Lande war, ist zum größten Teil verbraucht worden. Die mittleren Schuhnummern für Erwachsene sind überhaupt nicht mehr zu haben. Wenn wir unser Schuhzeug jetzt in den heißen Monaten nicht sparsam behandeln, können wir in der kaltfeuchten Winterzeit gezwungen sein, ohne Lederschuhwerk zu gehen. Um aber an Leder zu sparen, was liegt da näher als in der heißen Jahreszeit ganz barfuß zu gehen oder wenigstens in Holzsandalen? Unsere Vorfahren, die alten Germanen, kannten ja auch keine Fußbekleidung. Die alten Griechen und Römer, die uns in vieler Beziehung als Vorbild gelten, gingen ebenfalls nur barfuß oder in Sandalen. Ihre Körperformen, die uns durch Bildwerke überliefert sind, erwecken heute noch unsere Bewunderung. Der Schuh in der unvernünftigen Form, wie wir ihn jetzt tragen, ist ein Geschenk der Franzosen, die wir bis vor dem Krieg sklavisch als tonangebend in der Mode betrachteten. Fort mit diesem Danaergeschenk unserer Feinde! Verbinden wir jetzt das Nützliche mit dem Angenehmen und führen wir eine vernünftige deutsche Mode in der Fußbekleidung ein. Wir wollen auf die Würzburger Studentenschaft stolz sein, die sich in so ernster Zeit ihrer Pflicht bewußt, freimacht von allen Fesseln althergebrachter Mode und der Bevölkerung mit gutem Beispiel vorangeht, indem sie nach dem Vorbild ihrer Klassiker nur noch barfuß oder in Holzsandalen ausgeht. Alle Hochachtung vor diesem persönlichen Mut unserer daheimgebliebenen Akademiker!

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)