Mittwoch, 11. Juli 1917

     

Anzeige im General-Anzeiger vom 11. Juli 1917Die leidige Kartoffelfrage
ist für die nächste Zeit noch nicht gelöst. Die Zufuhren von auswärts stocken gänzlich. Ob für die nächste Woche zwei Pfund Kartoffeln abgeben werden können, scheint mehr als fraglich. Es muß anerkannt werden, daß die Kartoffelerzeuger im Stadtkreise Bonn in den letzten Tagen verhältnismäßig große Mengen Frühkartoffeln abgeliefert haben, sie werden jedoch noch in dieser Woche verbraucht, dann ist die Stadt auf die Lieferungen aus den Provinzen Sachsen, Pommern, Westpreußen und Posen angewiesen, und in diesen Provinzen hat sich nach den Berichten der von der Stadt Bonn Beauftragten die Frühkartoffelernte infolge der späteren Aussaat ganz erheblich verzögert, sie wird nicht vor dem 25 Juli beginnen können. Wegen der unsicheren Belieferung mit Kartoffeln werden nächste Woche wieder eine reichliche Brotzulage und Ersatznahrungsmittel gegeben werden. Während früher für den Kartoffelausfall 70 Gramm Mehl zur Verfügung gestellt wurden, können fortan 100 Gramm Mehl für jedes fehlende Pfund Kartoffeln der Bevölkerung zugeführt werden. Der Preis für die Frühkartoffeln wird von nächster Woche ab auf 15 Pfg. für das Pfund herabgesetzt. Es muß darauf hingewiesen werden, daß die Stadt bei diesem Verkaufspreise noch erhebliche Verluste hat; denn zu dem gesetzlichen Höchstpreis, den der Erzeuger bekommt, muß sie die Vermittlungsgebühren an die Händler bezahlen, sie muß für die Körbe und Kisten, in denen die Kartoffeln verpackt sind und die von der Reichskartoffelstelle geliefert werden, erhebliche Beträge aufwenden, dann muß sie die Frachtkosten, die Verlade- und Zufuhrkosten tragen und schließlich den unausbleiblichen Verlust, der durch die weite Reise entsteht und der teilweise 20 v. H. beträgt.
    Die Stadt Bonn hat bei Frau Josef Schneider in Grau-Rheindorf, Hauptstraße 118, eine Annahmestelle für Frühkartoffeln eingerichtet. Die Landwirte von Grau-Rheindorf werden gebeten, die Frühkartoffeln dort abzuliefern. [...]
    Es ist beabsichtigt, falls sich die dafür erforderlichen Einrichtungen technisch durchführen lassen, von den Wintermonaten ab jedem Schulkind täglich ein Drittel Liter kräftige Suppe zu geben, und zwar morgens in der ersten Pause für ein billiges Entgelt von fünf Pfennigen. Es müssen dann täglich 5000 Liter hergestellt und dafür umfangreiche Neueinrichtungen geschaffen werden, da die Kriegsküchen hierfür nicht in Anspruch genommen werden können.[...]
    In der nächsten Zeit werden in Bonn die Bäckereien zusammengelegt. Dies geschieht aus verschiedenen Gründen: um an Kohlen zu sparen, um das Personal besser auszunutzen und um das Ausbackverhältnis des Mehls zu steigern. Man wird künftig zwischen sog. Betriebsbäckereien und Verkaufsstellen unterscheiden müssen. Alle Bäckereien, die unter 15 Zentner Mehl wöchentlich verbacken, werden voraussichtlich geschlossen. [...]

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus dem städtischen Lebensmittelamt.“)

     

Kriegsgericht. In der gestrigen Sitzung des Kriegsgerichts wurde das Verfahren gegen den Ingenieur Wie. aus Godesberg, das in der Verhandlung vom 16. Juni vertagt worden war, erledigt. Der Angeklagte soll sich deutsch-feindlicher Aeußerungen in zwei Fällen in einer Godesberger Gaststätte schuldig gemacht haben. Wie uns über die gestrige Verhandlung mitgeteilt wird, wurde von dem Anklagevertreter selbst die Freisprechung beantragt und diesem Antrage wurde vom Gericht entsprochen.

30 Gramm Butter und 30 Gramm Margarine werden in dieser Woche an jede Person abgegeben.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

     

Sammlung wildwachsender Arzneipflanzen. Da die Einfuhr von Pflanzendrogen wesentlich verringert ist, muß den im Inlande wachsenden Arzneipflanzen fortan größere Beachtung geschenkt werden. Die Bevölkerung wird daher durch Belehrung über die Bedeutung und den Wert der Arzneikräuter zu einer größeren Sammeltätigkeit angeregt werden. Da jedoch bei der Sammlung solcher Kräuter auf die Nutzpflanzen äußerste Rücksicht genommen werden muß, damit nicht mehr Schaden als Nutzen gestiftet wird, so wird es zweckmäßig seine, auch die Sammlung von wildwachsenden Arzneimittelpflanzen zugleich mit demjenigen von Wildgemüse vorzunehmen. Die zu diesem Zwecke eingerichteten Ausflüge unter fachkundiger Führung werden daher eifrigster Teilnahme besonders dringend empfohlen. K. W. B.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)