Donnerstag, 21. Juni 1917

    

Den fortgesetzten Höchstpreisüberschreitungen auf dem Markte tritt die Stadtverwaltung mit einer heute veröffentlichten Verordnung entgegen. Die Verkäufer dürfen ihre Ware nicht mehr als „verkauft“ bezeichnen in der Erwartung, daß ihnen ein über den Höchstpreis hinausgehendes Angebot gemacht wird, vielmehr muß alle vorhandene Ware zu den festgesetzten Preisen an die Kaufliebhaber abgegeben werden. Verstöße gegen diese Verordnung werden mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 1500 Mark bedacht.

Die Kartoffelerzeuger im Stadtbezirk Bonn werden durch eine in dieser Zeitung veröffentlichte Bekanntmachung des Oberbürgermeisters verpflichtet, ihre den Eigenbedarf übersteigenden Kartoffelmengen an die Stadt abzuliefern. Vor dem 27. Juni dürfen keine Frühkartoffeln geerntet werden.

Die „Jungmannen“ in der Landwirtschaft. Die Schüler der oberen Klassen unserer höheren Lehranstalten, die der Landwirtschaft als Ersatz für die durch den Krieg in Anspruch genommenen Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, haben sich zum großen Teile in ihre neue Tätigkeit recht gut hineingefunden, und manche Landwirte denken schon mit Sorge daran, daß ihnen ihre liebgewordenen, munteren und arbeitsfreudigen Jungmannen bald wieder genommen werden könnten. Diese Sorge ist gegenstandslos. Wie das Kriegswirtschaftsamt für die Rheinprovinz mitteilt, richtet sich die Hilfe der Jungmannen, sowohl was die Zeit als auch den Umfang der Arbeitshilfe angeht, ganz und gar nach den Bedürfnissen der einzelnen Wirtschaft, in der sie beschäftigt sind. Den in landwirtschaftlichen Betrieben tätigen Jungmannen wird unbeschränkter Urlaub erteilt.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

  

Zur Eindämmung des Unfugs auf dem Bonner Wochenmarkt, Ware zurückzuhalten, um sie weit über den Höchstpreis an besonders zahlungsfähige Hausfrauen zu verkaufen, hat unser Oberbürgermeister mit sofortiger Wirkung eine Verordnung erlassen, die hoffentlich mit diesem nicht zuletzt durch einen Teil der Bürgerschaft selbst geförderten Mißstande aufräumt. Die von Herrn Beigeordneten Piehl unterzeichnete Verordnung, die wir heute im Anzeigenteile zur Veröffentlichung bringen, verbietet die Zurückhaltung noch vorhandener Ware. Die Verordnung stellt den Grundsatz auf, daß Ware, die nach dem Ankauf von dem Käufer nicht sofort mitgenommen wird, als unverkauft gilt und auf Verlangen jedem anderen Käufer zu überlassen ist. Wer gegen diese Verordnung verstößt, dem wird eine Strafe bis zu sechs Monaten Gefängnis oder Geldstrafe bis zu 1500 Mk. angedroht. Auch werden im Falle der Uebertretung dieser Verordnung die gesamten Vorräte der betreffenden Marktbezieher unverzüglich zu Gunsten des Kommunalverbandes des Stadtkreises Bonn beschlagnahmt. Man darf von unseren Bonner Hausfrauen, die während des Krieges auf dem Gebiete der Wohlfahrtspflege, im Krankendienst usw. sich so ausgezeichnet bewährt haben, sowie auch von den hochgelöhnten Munitionsarbeiterinnen erwarten, daß sie nach dem Erlaß dieser Verordnung die Verkäufer nicht mehr durch höhere Angebote verlocken, kleineren Beamten- und Arbeiterfrauen, die auch gerne Gemüse und Obst kaufen, ihre Ware zu verweigern. Die Parole „Durchhalten“ berührt doch zweifellos in erster Linie die mittlere und ärmere Bevölkerung. Diesem Teile der Bürgerschaft kraft günstigerer Einkommensverhältnisse die Möglichkeit zu beschneiden, auf dem Wochenmarkte Ware zu erwerben, ist im höchsten Grade unpatriotisch. Es ist dies eine Erscheinung, die verbitternd wirkt. Sie muß daher unter allen Umständen aus unserem Marktverkehr verschwinden. Wir hoffen aber auch, daß die Marktbezieher selbst nach Erlaß dieser Verordnung einsichtig genug sein werden, die Dinge nicht auf die Spitze zu treiben. Selbstverständlich ist es erforderlich, daß man in Köln, Düsseldorf, Essen, Dortmund usw. mit der gleichen Schneid die Interessen der weniger kaufkräftigen Bürgerschaft zu schützen sucht und den Marktbeziehern kein Ventil offen läßt. Nur volle Solidarität aller rheinischen Städte kann es ermöglichen, daß die Wirkung dieser neuen Verordnung nicht doch noch zuschanden wird.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Unsere Marktpolizei. In der jüngsten Zeit waren unsere Marktverhältnisse wiederholt Gegenstand der öffentlichen Erörterung. Es wurde sowohl den Verkäufern wie auch einem Teile der Käuferinnen sehr ernst ins Gewissen geredet, um geordnete Zustände herbeizuführen. Eines Hauptfaktors hat man hierbei jedoch bisher nicht gedacht. Und dies ist unstreitig unsere Marktpolizei. Die Beamten der Marktpolizei üben ihren Dienst seit vielen Jahren aus, sie stehen in einem fast familiären Verhältnis zu den Marktbeziehern, mit welchen sie täglich dienstlich zu arbeiten haben. Da ist es denn ganz natürlich, daß im Laufe der Zeit die Schneid und die Autorität der Marktpolizei etwas Einbuße erleidet.
   Wenn ein Verhältnis zwischen Marktbeziehern und Bürgerschaft Platz greift, wie es gegenwärtig leider eingetreten ist, dann hat die Marktpolizei einen überaus schwierigen Stand. Es ist selbstverständlich, daß die Marktpolizei gegenüber den Marktbeziehern jede unnötige Härte zu vermeiden hat und daß eine loyale Handhabung der Marktpolizeibestimmungen dazu beiträgt, die Eintracht auf dem Markt zu fördern. Aber das Verhältnis der Marktpolizei zu den Marktbeziehern darf über diese Grenze nicht hinausgehen.
   In der Bürgerschaft wird nun die Ansicht vertreten, daß unsere Marktpolizei ganz und gar mit den Bauern hielte. Ob diese Auffassung zutreffend ist, muß von maßgebender Stelle beurteilt werden. Ist diese Auffassung berechtigt, dann sind solche Beamte namentlich in der jetzigen Zeit nicht an ihrem Platze und müssen durch solche Beamten ersetzt werden, zu denen man das Vertrauen hat, daß sie ihres dienstlichen Amtes in völliger Unparteilichkeit walten. Es muß eben alles geschehen, was dazu beiträgt, geordnete Zustände auf unserem Wochenmarkte herbeizuführen. Deshalb möge unser verehrliches Oberbürgermeisteramt auch diese Frage einer geneigten Prüfung unterziehen. Ein alter Bonner.

Städtischer Marktverkauf. Wäre es nicht möglich, in der jetzigen Zeit mehrere Verkaufsstände auf dem Wochenmarkt einzurichten, um das stundenlange Wartenlassen der in der Hitze gequälten Hausfrauen abzukürzen? Eine praktische Hausfrau.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

     

Zirkus Pierre Althoff, einer der bestbekannten Zirkus-Unternehmen Rheinlands, veranstaltet ab 23. dieses Monats, abends 8 Uhr, eine Reihe von Vorstellungen auf dem Adolfsplatze. Während der Kriegszeit ist dies das erste Zirkus-Unternehmen, welches Bonn besucht und ist infolgedessen wohl sicher anzunehmen, daß der Besuch, der für Bonn nur auf kurze Zeit bemessenen Vorstellungen ein recht reger sein wird. Wohl leben wir in einer traurigen, ernsten Zeit, aber gerade deshalb bedarf der Mensch, der durch allerhand Sorgen niedergedrückt ist, auch einmal vorübergehend einer Aufheiterung, um die Gedanken vom Kriegselend mit Gewalt fortzureißen, sich vorzutäuschen, daß wir noch in der längstverflossenen schönen Zeit vor dem Kriege leben. Der Bestand aller Zirkusse hat unter der Kriegszeit selbstredend ebenso gelitten, wie alle anderen Geschäfte. Das beste Pferdematerial wurde militärisch requiriert und Tausende von Künstlern stehen an der Front, um ihr Vaterland zu beschützen. Hunderte dieser Künstler haben sich für Tapferkeit vor dem Feinde das Ehrenzeichen des Eisernen Kreuzes erworben und manche wurden zum Offizier befördert für hervorragende tapfere Tat. Wir wünschen dem Zirkus P. Althoff recht gute Erfolge in Bonn.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)