Donnerstag, 10. Mai 1917

      

Anzeige im General-Anzeiger vom 10. Mai 1917Aus dem städtischen Lebensmittelamt. Das Ergebnis der Volkszählung vom 1. Dezember v. J. ist noch einmal nachgeprüft worden. Das Statistische Landesamt in Berlin hat die für die Lebensmittelversorgung in Betracht kommende Bevölkerung Bonns auf 83.778 Personen anerkannt, darunter sind 6624 Militärpersonen.
   Die Teilnehmerzahl der Kriegsküchen hat sich diese Woche auf der vorwöchigen Höhe von 8.000 gehalten. […]
   In nächster Zeit wird die Stadt zwei Pfund Einmachzucker auf den Kopf der Bevölkerung ausgeben. Weiterer Einmachzucker kann nur für den Fall verteilt werden, daß der Stadt von der Reichszuckerstelle eine größere Zuckermenge dafür überwiesen wird. Den Hausfrauen kann daher nur dringend geraten werden, mit dem Zucker sehr sparsam umzugehen und den demnächst auszugebenden Einmachzucker bis zur Einmachzeit aufzubewahren. […]
   Die Brotvorschriften sind in letzter Zeit vielfach dadurch übertreten worden, daß die Bäcker das Brot schon im voraus verkauft haben. Das Brot darf frühestens am Samstag für die folgende Woche gekauft werden, Samstags sind die Bäcker aber auch verpflichtet, Brot für die nächste Woche abzugeben.
   Die Klagen häufen sich, daß die Metzger an den Samstagen bei dem Verkauf des billigen sog. Brotersatzfleisches die Wünsche der Kunden in bezug auf die Menge Fleisch oder Wurst nicht genügend berücksichtigen. Es wird daher in den nächsten Tagen in allen Metzgereien die Vorbestellung eingeführt werden. Es muß der betreffende Kunde seinem Metzger spätestens Mittwoch angeben, wieviel Frischfleisch und wieviel Wurst er am Samstag haben will, der Metzger wird dann entsprechend diesen Angaben seiner Kunden vom Fleischerverband beliefert werden. […]
   Die Metzger dürfen an den Samstagen nur billiges Fleisch zu 45 bezw. 75 Pfg. für das halbe Pfund verkaufen, wenn sie zu einem höheren Preise Fleisch abgeben, machen sie sich strafbar. Es ist den Metzgern auch nicht gestattet, mehr Fleisch zu verabfolgen, als die Menge, auf die die Zusatzfleischmarken lauten.
   Brennspiritus wird fortan für Leuchtzwecke überhaupt nicht mehr, für Kochzwecke nur noch in beschränktem Maße abgegeben werden. […]

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

      

Anzeige im General-Anzeiger vom 10. Mai 1917Alte Uniformstücke. Es sei noch besonders darauf hingewiesen, daß in der Annahmestelle für getragene Sachen auch Uniformstücke angekauft und unentgeltlich entgegengenommen werden. Es handelt sich hierbei um Uniform-Oberbekleidungsstücke, also Mantel, Litewken, Blusen, Beinkleider, Reitbeinkleider, ohne Rücksicht auf gutes Erhaltensein, Schnitt, Farbe und Stoff. Ebenso auch Uniformmützen. […]
   Es steht zu hoffen, daß bei der Annahmestelle in der Stockenstraße 3 im Laufe der Zeit eine recht beträchtliche Anzahl von Uniformstücken abgegeben wird, die dann der Allgemeinheit wieder zugeführt werden können. Unentgeltliche Ueberlassung wird natürlich mit besonderem Dank entgegengenommen.

Das neue Einfachbier, das von jetzt an alle andern inländischen Biere ersetzen soll, gelangt bereits in Berlin zum Ausschank. Man kann es nun in einigen Restaurants kosten. Es ist in der Farbe dunkler als das gewöhnliche „helle“ Bier, weniger aromatisch im Geschmack und, wie erfahrene Biertrinker feststellten, sehr – „naß“. Was wohl soviel sagen will, daß es schwer hält, sich daran einen richtiggehenden Rausch anzutrinken.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Godesberg, 10. Mai. Ein hiesiger Hotelbesitzer erhielt in diesen Tagen einen Brief von seinem Schwager aus England, der als Deutscher zehn Jahre hindurch in angesehener Beamtenstellung als Fabrikdirektor eines großen Industriewerkes in Lancaster gelebt hat und nun seit Beginn des Krieges als Zivilgefangener in England interniert ist. Dieser Brief gewährt uns wichtige und bedeutsame Einblicke in die gegenwärtig herrschende wirtschaftliche Notlage unserer Vettern jenseits des Kanals. […] Ein herzerweichendes Klagelied durchklingt den erwähnten Brief von Anfang bis zum Ende über eine erschreckende Knappheit aller Lebensmittel und eine völlige Unzulänglichkeit für die allernotwendigste menschliche Ernährung. Mangel und nichts als grausamer Mangel herrsche allerwärts und in allen Nährobjekten. „Den ganzen Winter hindurch habe ich täglich nur eine einzige Kartoffel erhalten und nun seit sechs Wochen überhaupt keine mehr. Die Brotversorgung ist einfach unbeschreiblich. Schickt mir doch etwas Brot – Brot – Brot!“ (Diese letzten drei Worte hatte der Briefschreiber doppelt unterstrichen.) Aus dem Vorstehenden, das den Vorzug hat, daß es ein unverblümtes und durchaus wahrheitsgetreues Bild von der Wirtschaftslage Englands entwirft, dürfen wir uns wohl eine Vorstellung machen von der unverkennbaren Wirkung unserer deutschen U-Boot-Tätigkeit.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)

      

Gleisarbeiten. Weibliche Arbeiter mit Brecheisen und Pickelhacke sind damit beschäftigt, die Pflasterung längs des Geleises der Elektrischen auf dem Kaiserplatz am Springbrunnen aufzubrechen, da dasselbe reparaturbedürftig ist. […]

Schließung einer Bäckerei. Auf Grund der Bekanntmachung des Bundesrates über Brotgetreide und Mehl ist die Schließung des Geschäftes des Bäckermeisters Johann Eulen, Brüdergasse 7, von Samstag, den 12. ds. Mts. ab bis auf weiteres angeordnet worden, weil er Brot auf Brotmarken abgegeben hat, die erst Ende ds. Mts., sowie in den Monaten Juni und Juli Gültigkeit haben.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)