Freitag, 30. März 1917

      

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung und in der Bonner Zeitung am 28. März 1917Die Stadtverordneten erhöhten gestern die Teuerungszulage der städtischen Beamten, Angestellten und Lehrer entsprechend der neusten staatlichen Bestimmungen, sie gewähren ferner den städtischen Arbeitern Lohnaufbesserungen. Durch diese Zulassungen und Aufbesserungen wird die Stadt um jährlich 180.000 Mark belastet. Die Stadtverordneten genehmigten dann den in der vorigen Sitzung vertagten Kokslieferungsvertrag und beschlossen alsdann die Einführung des Gassparpreises. Steuersätze bleiben unverändert. Wir verweisen auf unseren ausführlichen Bericht.

Deutsche Kinder in Holland. Der Erzbischof von Utrecht hat 75 altkatholische Schulkinder aus den Gemeinden Bonn, Koblenz, Essen und dem altkatholischen Waisenhaus Bonn für vier Wochen nach Holland zu besserer Ernährung eingeladen. Die Kinder werden in altkatholischen Familien in Utrecht und Schiedam sowie in den Ferienkinderheimen der altkatholischen Kirche Hollands untergebracht.

Mit dem U-Boot gegen England lautet die Aufgabe eines für den 5. April, abends 7½ Uhr im Bonner Bürgerverein angezeigten Lichtbildervortrages des Kapitänleutnants a. D. von Bebber, der fachmännisch, aber dabei doch allgemeinverständlich Aufklärungen über die Ubootwaffe, ihre Einrichtung, Taktik, Gefahren und Erfolge geben wird. Ein reiches, diesem Krieg entstammenden Bildermaterial, darunter aus großer Nähe aufgenommene Photographien von Torpedotreffern im Augenblick der Entladung vermitteln packende Eindrücke von der an Erlebnissen, aber auch an Entsagungen reichen Tätigkeit unserer Uboothelden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

    

Beschlagnahme von Bronzeglocken.
Der Gouverneur der Festung Köln hat unterm 1. März d. J. eine sofort in Kraft getretene Bekanntmachung über die Beschlagnahmen Bestandserhebung und Enteignung sowie freiwillige Ablieferung von Glocken aus Bronze erlassen. Es wird hiermit die sofortige Beschlagnahme und Meldepflicht sowie die Enteignung und Ablieferung für sämtliche aus Bronze gegossenen Glocken verfügt. Ausgenommen sind die unter 20 Kilogramm wiegenden, die zu mechanisch betriebenen Glockenspielen und die zu Signalzwecken bei Eisenbahnen, Schiffen und Feuerwehrfahrzeugen bestimmten Glocken. Betroffen werden insbesondere auch die im Besitz von kirchlichen oder sonstigen öffentlichen Körperschaften befindlichen Bronzeglocken. Die mit der Durchführung der Bekanntmachung beauftragten Kommunalverbände haben Bronzeglocken, bei welchen ein besonderer wissenschaftlicher, geschichtlicher oder Kunstwert festgestellt wird, von der Enteignung und Ablieferung zu befreien. [...]
   Es ist eine wichtige Aufgabe, zu prüfen und festzustellen, welche Bronzeglocken von besonderem wissenschaftlichen, geschichtlichem oder Kunstwert vorhanden sind. Solche Glocken, für welche ein besonderer wissenschaftlicher, geschichtlicher oder Kunstwert nicht in Anspruch zu nehmen ist, sind in der Gruppe A aufzuführen. Hierher sind allgemein zu rechnen alle glatten, d. h. nicht mit Verzierungen oder Inschriften versehenen Glocken, sofern nicht Anhaltspunktee dafür vorliegen, daß eine solche Glocke aus den hohen Mittelalter – vor dem Jahre 1400 – stammt. Die Glocken mit besonderem wissenschaftlichen, geschichtlichen oder Kunstwert sind unter genauer Bezeichnung in zwei Gruppen B und C aufzunehmen. In die Gruppe B sind alle Glocken aufzunehmen, deren Verzierungen nicht über den Durchschnitt der handwerksmäßigen Arbeit ihrer Zeit hinausgehen oder deren Inschriften keine besondere Bedeutung haben. In der Gruppe C sind alle Glocken von erheblichem wissenschaftlichen, geschichtlichen oder künstlerischen Wert aufzuführen.

Landtagsabgeordneter Dr. Schlittenbauer aus Regensburg, der heute abend in Bonn in der Ortsgruppen des Unabhängigen Ausschusses sprechen wird, hielt gestern abend auf Veranlassung der Vereinigten Frauenvereine von Godesberg im Kurparksaal zu Godesberg einen gutbesuchten Vortrag. Dr. Schlittenbauer sprach über den Kampf um unsere Existenz. Er beleuchtete hierbei den von unseren Feinden abgelehnten Verständigungsfrieden. Italien, Frankreich und Rußland seien wirtschaftlich bereits abhängig von der englischen Diktatur. Der Redner legte dar, was Deutschland bevorstände, wenn es in dem Kampf gegen England unterliege. Unser Vaterland würde dann künftighin Tummel- und Schlachtplatz aller Nationen werden. Bis in ihre tiefsten Wurzeln würde unsere deutsche Volkswirtschaft vernichtet werden. 200 Milliarden Kriegsentschädigung hatten unsere Feinde bereits dem deutschen Volke im Falle unserer Niederlage angekündigt. Ueber den Kriegswillen und die Willensstärke Englands dürften wir uns keiner Illusion hingeben. 70 Prozent aller Einnahmen lege England auf den Altar des Vaterlandes. Seine wirtschaftliche Kraft habe verhältnismäßig noch wenig gelitten. Es besitze eine ungeheure Geld- und Menschenquelle in seinen Kolonien. England habe sich ein eigenes Heer geschaffen und auch der englische Volksgeist sei nicht zu unterschätzen.
  
Gegenüber Amerika hätte die deutsche Diplomatie weniger in Filzpantoffeln, sondern in kräftig genagelten Schuhen auftreten sollen. Unser deutsches Volk müsse sich in der heutigen Lage seinen freudigen Optimismus bewahren, und wir hätten angesichts unserer kriegerischen Errungenschaften auch allen Grund dazu. Unserer militärischen Macht das weitere Durchhalten zu ermöglichen, müsse die gesamte nationale Volkskraft und der Arbeitswille jedes Einzelnen und jedes Berufes eingesetzt werden. Bei der jetzigen Kriegsanleihe müsse sich allerseits die denkbar weitgehendste Opferfreudigkeit kundtun.
   Am Schlusse seines Vortrages ging der Redner auf unsere Ernährungsverhältnisse ein. Er forderte eine unnachsichtliche Einziehung aller noch versteckt gehaltenen Vorräte an Kartoffeln, Gerste und Hafer, die zweifellos noch in größeren Mengen vorhanden sein müßten. Für diese Aufgabe dürften nicht einheimische Mitglieder der Kommunalverbände herangezogen werden, sondern fremde Kräfte müßten die Einziehung der vorhandenen Vorräte bewirken.
   Zu einer dringenden Notwendigkeit gehöre ferner eine entsprechende Vermehrung der haferverarbeitenden Fabriken, die Einziehung der noch lagernden großen Bestände von Konserven, die staatliche Schaffung eines Bewegungsfonds an Getreide, der von einer Ernte bis zu nächsten reiche, Zuschüsse von der Heeresverwaltung, eine sorgfältige Preisgestaltung und ein vernunftgemäßer Eingriff in den Viehbestand, sowie vor allem auch eine Behebung der Transportkrisis. Ein Nein dürfe es darin unter keinen Umständen geben.

Viktoriabad. Am kommenden Montag werden die Brause- und Wannenbäder wieder eröffnet werden. Für die übrigen Bäder ist der Zeitpunkt für die Wiederbenutzung noch unbestimmt, ist aber in kurzer Zeit zu erwarten.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Frauen und Mädchen aus der Stadt auf’s Land! Dieser Ruf geht seit mehreren Wochen durch alle Zeitungen, um für die leider jetzt so kurze Frühjahrsbestellung alle nötigen Kräfte aufs Land zu bringen. Bekanntlich ist dieser Ruf zuerst ausgegangen vom Hauptkriegsamt in Berlin. Leider aber hat die Befolgung, wie uns von befreundeter Seite geschrieben wird, für viele Städte, zu denen auch Bonn gehört, eine wenig verlockende Seite. Es gibt nämlich viele, vom Lande stammenden Kriegerfrauen, deren Mann eingezogen ist, und mit 1, 2 oder gar 3 Kindern, die gern aufs Land möchten zu Verwandten oder Bekannten, um dort zu helfen, die aber dann für ihre Kinder fast überall eine kleine Vergütung geben müssen, was ja bei den heutigen Verhältnissen eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist. Diese Vergütung wäre vorhanden, wenn solchen Frauen während ihres Aufenthaltes auf dem Lande die städtisch Unterstützung weiter bezahlt würde. Dies ist aber leider nicht der Fall. Soweit dem Einsender dieser Zeilen bekannt geworden ist, verweigern die meisten Städte dann die Unterstützung und die betreffenden Frauen bleiben dann in der Stadt, haben gar kein Interesse, aufs Land zu gehen. Es liegt doch nahe, daß für all diese Städte doch schon eine wesentliche Erleichterung darin besteht, daß für die weiblichen Kräfte, die aufs Land gehen können und wollten, die Ernährung in der Stadt wegfällt. Wir möchten also diejenigen, die es angeht, dringend ersuchen, wenn Arbeit auf dem Lande nachweisbar geleistet wird, die Kriegsunterstützung für diese Zeit weiter zu bezahlen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)