Samstag, 24. März 1917

      

3. Volksbelehrungsabend. Am morgigen Sonntagabend wird im Stadttheater Herr Lehrer O. Schultheiß über „Unsere Reichsbank im Kriege“ sprechen und den inneren Sinn der Ordnung unseres Geldwesens und seiner Währung, unterstützt durch erläuternde Lichtbilder, erklären. Die Liedertafel unter Leitung des Musikdirektors Werth und die Kapelle des Bonner Ersatz-Bataillons Infanterie-Regiments 160 haben es in dankenswerter Weise übernommen, für die musikalische Unterhaltung zu sorgen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

       

Anzeige im General-Anzeiger vom 24. März 1917Kleinzeichnungen auf die 6. Kriegsanleihe. Viele haben wohl schon davon gehört, wissen aber nicht, was darunter zu verstehen ist, so dürften denn einige aufklärende Zeilen gerade jetzt willkommen sein, wo das Reich zum sechsten Male mit einer Anleihe an seine Bürger herantritt. Die kleinsten Stücke der 5proz. Kriegsanleihe lauten bekanntlich über 100 Mk. Es sollen aber nicht nur die zeichnen, deren Mitteln es erlauben ein Stück von wenigstens 100 Mk. zu erwerben. Jeder soll die Möglichkeit haben, sich auch mit kleineren Beträgen an der Kriegsanleihe zu beteiligen und des hohen Zinsfußes von 5 Prozent teilhaftig werden zu können. Auch der kleine Sparer soll dem Vaterlande in schwerer Zeit nach seinen Kräften dienen.
   Um dies zu ermöglichen, hat die Städtische Sparkasse Bonn eine außerordentlich praktische und vorteilhafte Einrichtung getroffen. Sie gibt Anteilscheine aus über Beträge von 1, 2, 5, 10, 20 und 50 Mark. Für den Erlös aus dem Verkauf der Anteilscheine zeichnet die Sparkasse Kriegsanleihe, die für die Gesamtheit der Anteilbesitzer von ihr auf einem besonderen Konto verwaltet werden. Da die Kriegsanleihe nur 98 Prozent kostet, kann ein größerer Betrag in Kriegsanleihe angelegt werden, als die Gesamtsumme aller verkauften Anteilscheine beträgt; z. B. können für 10.000 Mk. Anteilscheine 10.200 Mk. Kriegsanleihe erworben werden. Auf diese Weise kommt der Kursunterschied von 2 Prozent den Anteilscheinbesitzern ungeschmälert zu Gute. Jeder ist mit einem höheren Betrag an der Kriegsanleihe beteiligt, als seine Einzahlung beträgt. Der Käufer eines Anteilscheines von 1 Mk. ist mit 1,02 Mk., der Käufer eines solchen von 50 mit 51 Mk. an der Kriegsanleihe beteiligt. Die Anteilscheine werden mit 5 Prozent verzinst.
   Zwei Jahre nach Friedensschluß wird die Kriegsanleihe zu dem dann maßgebenden Kurs verkauft oder von der Sparkasse übernommen und der Erlös samt den angewachsenen Zinsen unter die Anteilscheinbesitzer im Verhältnis zu ihren Einzahlungen verteilt. [...]
   Der Wert eines Anteilscheines über 1 Mk. würde sich also am 1. Januar 1920 auf 1,14 Mk., der eines solchen von 50 Mk. auf 56,90 Mk. stellen. Ist der Kurswert der Kriegsanleihe am 31. Dezember 1919 höher wie 98 Prozent, dann erhöht sich der Wert, umgekehrt erniedrigt er sich. Sollte Jemand infolge ungünstiger Verhältnisse den bezahlten Betrag vor Ablauf der Rückzahlungsfrist nötig haben, so wird die Sparkasse ihm hierbei weitest entgegen kommen. Die Sparkasse selbst hat durch die Ausgabe der Anteilscheine keinerlei Verdienst, sie leistet die ganze Arbeit kostenfrei und trägt die nicht unerheblichen Unkosten.
Schierjott, Sparkassendirektor.

Am Schöffengericht Bonn wurde gestern zunächst gegen vier jugendliche Russen verhandelt, die auf Burg Gudenau als landwirtschaftliche Arbeiter seit längeren Jahren beschäftigt sind, der eine von ihnen bereits seit 6 Jahren. Nach Beendigung der letzten Herbstarbeit glaubten sie ihren kontraktlichen Verpflichtungen nachgekommen zu sein und sich für berechtigt zu halten, für die Zeit des Winters hindurch nach ihrer Heimat in Rußland zu ihren Angehörigen zu reisen, die sie so lange nicht mehr gesehen hätten. Nach ihrer Beteuerung erblickten sie darin keine strafwürdige Handlung und wollen den festen Vorsatz gehabt haben, in diesem Frühjahre die Arbeit in Gudenau wieder aufzunehmen. Das Schöffengericht vermochte auch keinen Kontraktbruch in der Handlungsweise der Angeklagten zu erblicken, und erkannte wegen Uebertretung der Bestimmungen des Belagerungsgesetzes auf zwei Wochen Haftstrafe, die durch die bereits erlittene Untersuchungshaft als verbüßt erachtet wurde.
   Eine Brückenkarte schinden wollte eine Frau bei der Fahrt in der Elektrischen von Bonn nach Beuel, indem sie die Brückenkarte von einer anderen Frau dazu verwendete, hierdurch hatte sie die Stadt Bonn um fünf Pfennig geschädigt. Sie erhielt 10 Mark Geldstrafe. Dasselbe Strafmaß wurde einer anderen Frau zuteil, die auf die Streckenkarte ihres in Siegburg arbeitenden Mannes eine Fahrt versuchte und dadurch die Bahn um 45 Pfennig zu schädigen versucht hatte.
   Etwa 15 bis 18 Stück Briketts hatte der Fuhrmann S. zu Beuel einer dortigen Frau P. von seiner ihm nicht gehörenden Wagenladung am 7. März abgegeben und hatte sich dadurch einer Unterschlagung schuldig gemacht, die Frau der Hehlerei. Während der Fuhrmann mit 10 M. Geldstrafe davonkam, mußte die Handlung der Frau, die beteuerte, daß die Kältenot sie dazu getrieben habe, mit der auf Hehlerei ruhenden geringsten Strafe von 1 Tag Gefängnis geahndet werden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

     

Das holländische Speisefett beschäftigte gestern wiederum die Bonner Strafkammer. Ein Bonner Viehhändler hatte im Mai v. J. in einem Grenzorte holländisches Speisefett, das in Wirklichkeit aber Süßrahmbutter war, aufgekauft und es in Bonn wieder an einen Händler verkauft, der es an die Verbraucher abgab. Der Händler war von der Strafkammer im Oktober v. J. bestraft worden, weil er Butter ohne Butterkarte abgegeben hatte. Er legte Revision ans Reichsgericht ein, und dieses verwies die Sache zur nochmaligen Verhandlung an die Strafkammer. Der Staatsanwalt beantragte gestern selbst die Freisprechung des Händlers, da keine gesetzliche Bestimmung vorhanden sei, die verlange, daß auch Butter im Großhandel nur gegen Karten abgegeben werden dürfe. Die Verhandlung endigte daher mit einer Freisprechung des Angeklagten. – Das Schöffengericht in Bonn sprach gestern auch einen Kaufmann frei, der Fleisch in Eupen gekauft hatte, ohne Fleischkarten dabei abzugeben. Der Kaufmann hatte nämlich das Fleisch nicht für seinen Bedarf, sondern zum Weiterverkauf dort aufgekauft. Das Gesetz schreibt aber nur die Abgabe von Fleischkarten durch den Verbraucher an den Verkäufer vor. – Ein Munitionsarbeiter, der sich ebenfalls in Eupen 44 Pfund Fleisch auf die bekannte Art verschafft hatte, wurde dagegen mit 5 Mark bestraft, da er angab, das Fleisch gekauft zu haben, um es selbst zu verbrauchen. In diesem Falle schreibt aber das Gesetz die Abgabe der Fleischkarten vor. Außerdem wurde die gesetzlich zugelassene Einziehung der Fleischvorräte angedroht, (die aber nicht mehr vorhanden sein werden).

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)