Donnerstag, 8. März 1917

     

Sprachverein und Innungsvorstände. Am 6. März fand die schon länger geplante Besprechung zwischen dem Vorstand des hiesigen Deutschen Sprachvereins und Vertretern der Innungsvorstände im hiesigen Rathause statt, um Fragen der Sprachreinigung im Gewerbe sowie die deutsche Ausgestaltung des Straßenbildes im mündlichen Austausch zu erwägen. Schulrat Dr. Baedorf begrüßte die Anwesenden namens der Stadt, die, wie an allen vaterländischen, so auch an den wackeren Bestrebungen des Sprachvereins wärmsten Anteil nehme, und wünschte den Verhandlungen guten Erfolg. Der die Versammlung leitende stellvertretende Vorsitzende des Sprachvereins, Pfarrer Dr. Richter, sprach ebenfalls freudigen Gruß den Versammelten aus und gab der Hoffnung Ausdruck, daß die persönliche Aussprache und Verständigung dem vaterländischen Ziele näher bringen werde. Er gab einen kurzen geschichtlichen Rückblick auf die Veranlassung und Bestrebungen der Sprachreinigung. [...] Trotz guter, hoffnungsvoller Ansätze und trotz kräftigen Eingreifens der Behörden nahm das Fremdwörterunwesen, diese alte deutsche Krankheit der Liebhaberei an fremder Art und fremdem Wesen, wieder derartig zu, daß selbst die fremden Völker mit Recht sich darüber lustig machten. Da kam als reinigendes Gewitter der Weltkrieg 1914 und mit ihm ein neuer Aufschwung des vaterländischen Wesens, auch der besseren Pflege und Reinigung der Muttersprache. Die höchsten Behörden nahmen sich wiederum dieser Bewegung kräftig an. [...]
   Die Anwesenden, die die verschiedenen Gewerbe [...] in Bonn und Godesberg vertraten, sprachen ihre aufrichtige Teilnahme an diesen sprachlichen Bestrebungen aus, wiesen aber auch auf die mancherlei Schwierigkeiten hin, die diesen Bemühungen im Wegen stehen: die Macht der Gewohnheit, der allgemeine Gebrauch fremder Bezeichnungen, zumal bei Bekleidungsstoffen und im Friseurgewerbe, besonders seitens der kaufenden Damen, und der nicht leichte volle Ersatz der betreffenden Ausdrücke durch deutsche. Von anderer Seite wurde die Möglichkeit betont, daß sich, wie auf anderen Gebieten, auch hier bei festem Eingreifen seitens der Behörden sowie bei einheitlichen Bestrebungen doch manches erreichen ließe. [...]
   In der Versammlung wurde u. a. anerkennend bemerkt, daß die Stadt Bonn auf der Rückseite der Straßenbahnfahrscheine die Verdeutschung von zwölf bekannten Fremdwörtern aus dem Verkehrswesen hat abdrucken lassen: Abonnement, Bureau, Etage, Hotel, Interesse, Korrespondenz, Parterre, Provision, Qualität, Ratenzahlung, Risiko und Taxe. Das städtische Verkehrsamt wurde gebeten, damit diese wertvolle Gabe nicht übersehen wird, beim Neudruck deutlicher auf diese Benennungen hinzuweisen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

    

Der Winter hat auch hier wieder seinen Einzug gehalten. In der vergangenen Nacht trat starker Schneefall ein, der den Boden in einer Höhe von über 7 Zentimeter bedeckt. Auch die Kälte hat erheblich zugenommen; der tiefste Stand betrug heute früh 5 Grad Celsius unter Null.

Die kleinen Hamster und die großen Schmuggler. Aus wird uns geschrieben: Ueber die Tätigkeit der Polizei auf den Kölner Bahnhöfen wird Klage geführt. Kölner Bürger, die bei der Lebensmittelknappheit mitleidige Verwandte und Bekannte auf dem Lande in Anspruch genommen haben, mußte ihr Reisegepäck durchsuchen lassen, ob sich nicht etwa Kartoffeln, Eier, Speck oder Butter darin befand. Dies wird als Härte empfunden, da sich eine solche behördliche Maßnahme nicht gegen Hamster, sondern gegen Bedürftige, denen es gerade am Notwendigsten fehlt, richtet. Man ist hier der Ansicht, daß man sich darauf beschränken sollte, den Händlern, die Waren über die Grenze schmuggeln, um sie zu Wucherpreisen abzusetzen, auf die Finger zu sehen, die Privatleute aber, die sich etwas für ihren eigenen Bedarf in der Umgegend gekauft haben, unbehelligt lassen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

      

2. Rheinischer Landfrauentag. Zur Beratung ernster Fragen der Kriegswirtschaft hatten sich den letzten Tagen zahlreiche rheinische Landfrauen in unserer Stadt eingefunden. Sie fanden aber auch am Begrüßungsabend im Bürgerverein Geselligkeit und gute Unterhaltung. [...] Nach Erledigung der geschäftlichen Angelegenheiten wurde den Teilnehmerinnen durch eine Reihe von Besichtigungen Gelegenheit geboten, mancherlei theoretische Erwägungen der Tagung in praktischer Arbeit verwirklicht zu sehen. Unter sachkundiger Führung fanden folgende Besichtigungen statt: Kriegswirtschaftliche Einrichtungen der Stadt Bonn (Kriegsküche der Universität, städt. Mehl- und Kolonialwarenlager, städt. Fuhrpark nebst Molkerei, Einmietung der Kartoffeln und Kühlhäuser), Kinderkrippe in Alfter bei Bonn, Mutterberatungsstelle des Landkreises Bonn in Beuel, Gutwirtschaft des Herrn Fidelkommißbesitzers Dr. von Joest, Haus Eichholz bei Sechtem.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)