Samstag, 25. November 1916

     

Als „städtische Lebensmittel“ werden nächste Woche kochfertige Bohnensuppe, Gerstengraupen und Maismehl sowie bei den Metzgern Speck verkauft. Die Stadt läßt auf dem Markte von nächster Woche ab täglich gesalzenen Schellfisch zu 2 M. das Pfd. verkaufen. Kochanweisungen werden am Verkaufsstand abgegeben.

Stadtverordneten-Sitzung
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100 weitere Milchkühe (zu den bereits angeschafften 100) will die Stadtverwaltung ankaufen und gegen Abmelkverträge bei hiesigen Landwirten einstellen. Den Stadtverordneten wird empfohlen, dafür weiter 135.000 Mark zu bewilligen.
   Beigeordneter Piehl bemerkt, von diesem zweiten Hundert Kühe seien 59 bereits angeschafft worden, weil die Sache dringend sei. Die jetzt vorhandenen 159 städtischen Kühe erzeugten jetzt bereits die halbe Milchmenge, die aus dem Stadtgebiet an die Verbraucher abgegeben werden könne, nämlich wöchentlich 14.000 bis 14.500 Liter. Die Milchversorgung der Stadt sei in der letzten Zeit noch weiter zurückgegangen, er hoffe aber, daß sie in nächster Zeit wieder steigen werde. Die Stadt Bonn erhalte jetzt täglich 12.500 Liter, die normale Versorgung erfordert wenigstens 15.000 Liter. An 100 Milchkühen habe die Stadt einen jährlichen Schaden von 40- bis 45.000 Mark.
   Die Stadtverordneten erklären sich mit der Vorlage einverstanden.
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   Stadtv. Prof. Schmidt erinnert daran, daß zu Beginn des Krieges der Schulkindergarten auf dem für den Theaterneubau bestimmten Gelände am Mülheimer Platz aufgehoben worden sei. Der Schulkindergarten sei für die Gesundung unserer Jugend außerordentlich wichtig, er sei letzte Ostern bei der Einschulung der Kinder sehr schmerzlich vermißt worden. Er bitte, die Baracke auf dem Theatergelände zu ihrem früheren Zweck wieder aufzustellen.
   Beigeordneter Dr. v. Gartzen: Die frühere Schulbaracke sei in der ersten Kriegswoche von dem Gelände am Mülheimer Platz nach dem Grundstück des städtischen Pflegehauses gebracht und umgebaut worden. Sie habe jetzt zwei Krankenräume, zwei Badezimmer und die nötigen Nebenräume. Die Baracke sei andauernd belegt, und es sei völlig ausgeschlossen, sie jetzt als Krankenbaracke aufzugeben. Er bitte, an der Baracke vorläufig nichts zu ändern.
   Stadtv. Wallasch schließt sich dem Wunsche des Stadtv. Prof. Schmidt an.
   Stadtv. Dr. Krantz wünscht gleichfalls, daß die Baracke ihrer ursprünglichen Bestimmung wiedergegeben werde. Unter Umständen müsse eine neue Baracke aufgestellt werden. Ein Schulkindergarten sei jetzt noch notwendiger wie vor dem Kriege.
   Die Anregung wird der Schuldeputation überwiesen.
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   Konzertangelegenheiten. Herr Kapellmeister Sauer hat beantragt, ihm die Kosten für Heizung, Beleuchtung und Feuerwehr bei seinen sechs Symphoniekonzerten im Stadttheater, 345 M., zu erlassen. Den Stadtverordneten wird von Theater- und Finanzkommission empfohlen, die Kosten zu erlassen.
   Stadtv. Schmitz bittet, die Vorlage abzulehnen. Nur ein kleiner Kreis von Bürgern habe an den Konzerten ein besonderes Interesse. Die Eintrittsgelder sollten erhöht werden, so daß die Kosten gedeckt würden. In Bonn sei die Sucht nach Konzerten überhaupt sehr groß.
   Stadtv. Sanitätsrat Dr. Gudden: Es sei sehr zu begrüßen, daß sich Herr Sauer zur Kriegszeit der Mühe unterzogen habe, ein Orchester zusammenzustellen und diese Konzerte zu geben. Grundsätzlich sei auch nichts dagegen einzuwenden, daß solche musikalischen Bestrebungen von der Stadt unterstützt würden; die Stadt habe von dem Kriege dafür viele Tausende geopfert, so daß diese 345 M. nicht ins Gewicht fallen könnten. [...] Es seien gewisse Bestrebungen im Gange, die Vergnügungen einzuschränken. Er glaube, daß diese Bestrebungen weit über das Ziel hinausschießen. Wer füllt denn die Lichtspielhallen? Meistens die Soldaten, die aus dem Felde zurückkommen. Daß wir berufen sind, uns als Vormünder der aus dem Felde zurückgekehrten Krieger zu fühlen, geht doch nicht an. Wir können uns nicht in die Bedürfnisse der aus dem Felde Zurückkehrenden hineindenken und sollten ihnen gewähren, was sie selbst suchen. Auswüchse müssen natürlich vermieden werden. [...]
    Stadtv. Schmitz: Wenn die Vergnügungssucht eingeschränkt werden soll, braucht nicht immer unten, es kann auch einmal oben angefangen werden. Wenn Herr Sauer nicht auf seine Kosten kommt, so ist das seine Sache.
   Stadtv. Krantz: Diese Konzerte kommen der großen Gemeinde der Musikfreunde in Bonn zugute, ganz abgesehen davon, ob diese Musikfreunde gut oder weniger gut gestellt sind. Diese musikalischen Bestrebungen zu fördern, ist eine öffentliche Pflicht. Nachdem jetzt festgestellt worden sei, daß mit dem Unternehmen des Herrn Sauer kein gewinnbringendes Geschäft verknüpft sei, sollte der kleine Zuschuß genehmigt werden. Wenn Herr Sauer seine Kunst in den Dienst der Oeffentlichkeit stelle, sollten wir ihm dafür dankbar sein.
   Die Vorlage wird mit großer Mehrheit genehmigt.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

       

Der Bonner Kunsthandel wird voraussichtlich eine wertvolle Bereicherung erfahren. Ein Mitarbeiter schreibt uns hierzu: Im Kunsthaus Hermann Zirkel wird heute mittag um 12 Uhr für geladene Gäste und um 2 Uhr für allgemeinen Besuch eine Kunstausstellung großen Stils eröffnet. Es handelt sich hier um ein Unternehmen, das allen Hindernissen des Krieges zum Trotz mit Umsicht und Sachkenntnis von langer Hand her vorbereitet wurde und das von weittragender kultureller Bedeutung nicht nur für unsere rheinische Geistesmetropole Bonn, sondern auch für das ganze Rheinland werden kann. Der Gedanke, hier eine großzügig angelegte Zentrale des Kunsthandels zu schaffen, kann aber nur dann in vollem Umfange verwirklicht werden, wenn die Kunstfreunde unserer Stadt dem Unternehmen Verständnis und Teilnahme entgegenbringen, die es um so mehr beanspruchen darf, als die gesamten Eintrittsgelder für die von November bis Ende Januar währende erste Ausstellung ohne jeden Abzug den Wohlfahrtsbestrebungen des Roten Kreuzes überwiesen werden. Eine Ausstellung ähnlichen Umfanges wie diese mehr als 500 Bilder zum Teil erster Meister umfassende dürfte bisher in Bonn noch niemals geboten worden sein.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Der Zigarren-Abschnitt-Sammel-Verein Bonn veranstaltet in diesem Jahre die 43. Weihnachtsbescherung. Es sollen wieder 100 hilfsbedürftige Kinder aller Konfessionen, deren Väter im Felde stehen oder bereits den Heldentod erlitten haben, Schuhe und warme Kleidungsstücke erhalten, eine Aufgabe, die bei der heutigen Teuerung gewiß nicht leicht fallen wird. Außer den bereits ausgewählten Kindern sollen auch wieder Verwundete aus den hiesigen Lazaretten Liebesgaben erhalten Der Vorstand des Z.-A.-S.-V. rechnet bei seiner segensreichen Tätigkeit auf die Hilfe der immer opferbereiten Bonner Bürgerschaft und er hofft, daß diese ihn auch in dem 3. Kriegsjahre nicht im Stich lassen wird. Wenn jetzt die Anforderungen an die bessergestellten Bürger auch äußerst hohe sind, so darf man trotzdem annehmen, daß für diesen edlen Zweck sich immer offene Hände finden werden, gilt es doch, diejenigen Familien zu unterstützen, deren Ernährer im Felde stehen. In einem besonderen Rundschreiben an die Freunde und Gönner des Vereins bittet der Vorstand sein Liebeswerk zu unterstützen, was wir wärmstens befürworten möchten.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)