Dienstag, 14. November 1916

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 14. November 1916Die Lebensmittelversorgung. Die für die Stadt Bonn bestimmten Kartoffeln kommen zurzeit in verhältnismäßig reichen Mengen an. Ueber 30 Eisenbahnwagen müssen täglich ausgeladen und der Inhalt an die Händler, in die Mieten und die städtischen Keller befördert werden. 230 Mann sind damit beschäftigt, darunter 200 Soldaten, die das Garnisonskommando der Stadt zur Verfügung gestellt hat. Die Kartoffeln werden der Stadt unverlesen geliefert, die Stadt kann auch nicht alle Kartoffeln verlesen lassen, daher werden die zum sofortigen Weiterverkauf an die Verbraucher bestimmten Mengen ebenfalls unverlesen abgegeben; nur die Kartoffelmengen, die in die städtischen Keller und Mieten kommen, werden vorher sorgfältig verlesen. Die Güte der Kartoffeln läßt manchmal zu wünschen übrig, die Stadt muß die Knollen aber so nehmen, wie sie ihr von den zuständigen Provinzialkartoffelstellen angeliefert werden. Bei dieser Gelegenheit sei noch einmal festgestellt, daß die Stadtverwaltung keine Kartoffeln zum Einkellern an die privaten Haushaltungen liefert, Ausnahmen werden auch bei den Beigeordneten, Stadtverordneten und Beamten nicht gemacht.
  
Als Ersatz für die knappen Kartoffeln wird insbesondere die Kohlrübe, auch Steckrübe, hier vor allem Erdkohlrabi genannt, empfohlen. Die Stadt hat bereits 25.000 Zentner Erdkohlrabi angekauft und wird sie in einigen Wochen durch ihre Gemüseverkaufsstellen an die Bürgerschaft abgeben. Ueber die Verwendung der Kohlrübe hat das Kriegsernährungsamt soeben ein Merkblatt herausgegeben. Es heißt darin: Die Kohlrübe eignet sich in hohem Grade als Kartoffelersatz. Sie ist leicht verdaulich und enthält Nährstoffe in leicht aufnehmbarer Form; der Gehalt an hochwertigem Eiweiß ist bedeutend höher, die Zubereitung bequem, die Haltbarkeit ist größer, die Frostempfindlichkeit kleiner, der geringere Preis erlaubt eine Steigerung der Kostmenge ohne Erhöhung der Geldausgabe, die Größe der Rübe bedingt weniger Abfall und Arbeit beim Schälen. Die Zubereitung besteht lediglich im Dämpfen oder Kochen der geschälten oder geschnittenen Rüben. Das Brühwasser wird abgegossen, weil in ihm hauptsächlich der Rübengeschmack enthalten ist. Wer gegen den Rübengeschmack unempfindlich ist, kann das Brühwasser zum Verzehr mitverwenden, da ein Teil der Nährstoffe beim Kochen in das Brühwasser übergeht. Je nach Art des herzustellenden Gerichts werden dann Anzeige im General-Anzeiger vom 14. November 1916natürlich die Stücke noch weiter zerkleinert. Die Zahl der Kohlrüben-Gerichte ist unübersehbar groß. Dank ihres Nährstoffgehaltes sind die Rüben schon ganz für sich eine auskömmliche Speise. Salz ist die einzige unumgängliche Zutat. Außer der bekannten Zubereitung nach Art des Gemüses sei vor allem an die Verwendung zu guten Suppen erinnert. Die Streckung der Lebensmittel durch Kohlrüben wird durch deren hervorragende Eignung zu Mischgemüsen sehr erleichtert. Jede Haushaltung sollte daher den Gerichten von Kartoffeln, Möhren und anderen Gemüsen ständig Kohlrüben begeben. Selbstverständlich kann solche Speisen noch erheblich schmackhafter machen, wer in der Lage ist, kleine Mengen Mehl, Fleisch, Fisch oder Fett zusetzen zu können. Sogar ein Gebäck kann man herstellen, indem man die rohzerriebene Kohlrübe mit Mehl zu einem Teig verarbeitet.
   Für die Verteilung von Speisefett hat die rheinische Provinzialfettstelle neue Grundsätze aufgestellt. Danach dürfen fortan nirgends mehr als zusammen 62½ Gramm, also ein Achtel Pfund, Speisefett auf den Kopf und die Woche abgegeben werden. Als Speisefett gelten Butter, Margarine, Schmalz und Oel.
   Die Neuregelung der Milchversorgung tritt am 1. Dezember in Kraft. In welcher Weise die Milch an die zur Versorgung berechtigten und vorzugsberechtigten Einwohner geliefert werden soll, wird erst diese Woche festgesetzt. Die jetzt gültigen Milchbezugsscheine gelten nach dem 1. Dezember nicht mehr, ihre Inhaber müssen daher neue Anträge beim Lebensmittelamt stellen, brauchen dazu aber keine neuen ärztlichen Bescheinigungen.
 Anzeige im General-Anzeiger vom 14. November 1916  Zu Weihnachten sollen auch Printen und Spekulatius gebacken werden, von den Bäckern aus inländischem, von der Stadt gelieferten Mehl, von den Konditoren aus ausländischem Mehl. Die von den Bäckern hergestellte Ware wird gleichmäßig verteilt werden, und zwar voraussichtlich auf jeden Kopf ein halbes Pfund.
    Die Teilnehmerzahl der Kriegsküchen ist in dieser Woche wieder um 200 auf rund 3300 gestiegen. Die neue Kriegsküche in der Universität wird spätestens nächsten Montag eröffnet werden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

     

Versuchter Kartoffelschmuggel. Ein Gefährt aus Röttgen wurde an der Grenze des Stadtbezirks angehalten. Man fand auf dem Fuhrwerk unter einer Lage Schanzen versteckt zehn Säcke Kartoffeln, die in die Stadt eingeführt werden sollten. Der Fuhrmann wurde protokolliert und die Kartoffeln beschlagnahmt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Anzeige im General-Anzeiger vom 14. November 1916Die Spitzbübereien auf dem Nordfriedhof nehmen in letzter Zeit wieder überhand. Wir hatten drei an verschiedenen Stellen befindliche Gräber mit Topfblumen geschmückt und schon am Allerheiligentage fehlten auf einem Grabe ein Topf, sowie ein Dutzend Pflänzchen, die unter Epheu versteckt lagen und noch eingesetzt werden sollten. Sonntag darauf fehlten auf dem zweiten Grabe ein Topf und auf dem dritten sogar zwei Töpfe! Gestern nun bin ich nur zu dem Zweck hinausgegangen, um die Spitzbuben ausfindig zu machen, da die Töpfe ein bestimmtes Zeichen hatten, und es gelang mir auch auf einem Grabe, dessen Nummer ich mir gemerkt (ein Name stand nicht darauf) einen Erikatopf, und auf einem anderen, dessen Namen ich mir notiert habe, einen zweiten, sowie die Pflänzchen wiederzufinden. Obgleich mir die Diebe bekannt sind, sehe ich vorläufig von einer Anzeige ab. Nicht einmal vor dem Andenken unserer Krieger machen diese Grabschänder Halt. Das bezeugte mit ein Elternpaar, das seine Empörung kaum bemeistern konnte, da von dem Grabe des gefallenen Sohnes sämtlicher Blumenschmuck entwendet war. Es ist wohl anzunehmen, daß noch viele derartige Diebstähle vorgekommen sind. Es wäre wohl am Platz, die Friedhofaufsicht nach Möglichkeit zu verstärken. Einer für Viele.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 14. November 1916Zur Lebensmittelversorgung in Bonn. [...]
Noch immer sind die Gerüchte nicht verstummt, als würden bestimmte Personen bei der Kartoffelversorgung bevorzugt. Wie uns von dem Leiter des Lebensmittelamtes Herrn Baurat Piehl nochmals ausdrücklich versichert wird, findet durch das Lebensmittelamt durchaus keine Bevorzugung von irgend welchen Personen statt. Es wäre wirklich an der Zeit, daß diejenigen Personen, die noch immer diese Verdächtigungen gegen das Lebensmittelamt ausstreuen, vor den Strafrichter gezogen würden. Es ist ja eine bekannte Tatsache, daß Beamte, die sich ihrer Stellung die denkbar größte Mühe geben, von unzufriedenen Elementen verdächtigt werden. Den Beamten ist an sich an einer solchen Verdächtigung gewiß nichts gelegen. Aber im Hinblick darauf, daß die Unzufriedenen die Absicht haben, ihre Unzufriedenheit auf andere zu übertragen, kann ihrem Treibn nicht energisch genug gegenübergetreten werden. Wer daher solche Schwätzer zur Anzeige bringt, erweist heute der Allgemeinheit einen großen Dienst. [...]

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)