Donnerstag, 2. November 1916

      

Anzeige im General-Anzeiger vom 2. November 1916Am gestrigen Allerheiligentage waren die Friedhöfe, wie in jedem Jahre, reichlich geschmückt und stark besucht. Den Hauptverkehr hatte der Nordfriedhof aufzuweisen, auf dem nachmittags an den Kriegsgräbern die Garnisons-Totenfeier abgehalten wurde. Auf den Wegen und Plätzen des Nordfriedhofs wurden bei einbrechender Dunkelheit auch wieder Pechkränze angezündet. Vom Lichterschmuck der Gräber war dagegen allgemein abgesehen worden, nur ganz vereinzelt sah man auf einem Grabe ein einsames Lichtlein brennen.

Der Bonner Lazarettzug K 1 hat seine Verwundeten von der 53. Fahrt nach Hamburg und Lübeck und von der 54. Fahrt nach Wattenscheid und Dortmund gebracht. [...] An Liebesgaben sind ganz besonders erwünscht Zigaretten und Schokolade. Dieselben sind wie immer abzugeben Bahnhofstraße 40, wo über die Gaben Quittung verabfolgt wird.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

      

Metropoltheater. Die deutsche Kinokunst hat einen neuen Stern: Hella Moja. Als ein vollreifes schauspielerisches Talent zeigt sich die junge Künstlerin mit dem Artistendrama „Der Weg der Tränen“. Alwin Neuß, der selbst einer der Großen im Reich der Kinokunst ist, hat mit der Ausbildung dieser liebreizenden Dame dem Kinoschauspiel einen außerordentlichen Dienst erwiesen. Hell Moja ist in jeder Bewegung, in jeder Schattierung des Gesichtsausdrucks, in der leisesten Geste lebenswahr. Gesicht und Körper reden bei ihr eine so feinsinnige Sprache, daß man ohne das gesprochene Wort das Schicksal der Geheimratstochter, die den Weg der Tränen geht, mit tiefer Anteilnahme an dem inneren und äußeren Geschehen zu verfolgen vermag. Hella Moja darf man eine große Zukunft prophezeien. Sie zählt zu den fähigsten darstellerischen Erscheinungen, die uns derzeit im Film begegnen.

Anzeige im General-Anzeiger vom 2. November 1916Warnung vor Winkeladvokaten! Die bei den militärischen Dienststellen eingehenden Gesuche von Angehörigen gefallener Kriegsteilnehmer lassen erkennen, daß die Hinterbliebenen sich bei Abfassung von Eingaben vielfach fremder Hilfe bedienen. Soweit diese Hilfe in uneigennütziger Weise geleistet wird, ist die dankend anzuerkennen. Die Kriegerwitwen müssen aber dringend vor sogenannten „Winkeladvokaten“ und ähnlichen Personen gewarnt werden. Solche Leute drängen sich an sie heran und verfassen für sie oft Gesuchen, von deren Zwecklosigkeit sie wohl selbst in vielen Fällen von vornherein überzeugt sind. Ihnen ist meist nur darum zu tun, Einnahmen für sich zu erzielen, nicht aber den Witwen zu helfen. Häufig erwecken sie auch Hoffnungen, durch deren Nichterfüllung die Witwen dann bitter enttäuscht sind.
  
Allen Kriegerwitwen – soweit sie sich außerstande sehen, Gesuche selbst abzufassen – kann daher nur dringend empfohlen werden, sich an die fast in jedem Ort bestehenden Beratungs- und amtlichen Fürsorgestellen für Kriegerwitwen und –waisen zu wenden. Diese Stellen werden gern erbötig sein, Anträge der Hinterbliebenen aufzunehmen und an die hierfür zuständigen Behörden weiterzugeben. Dieser Weg erspart den Kriegshinterbliebenen Kosten, Zeit und Enttäuschungen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

     

Anzeige im General-Anzeiger vom 2. November 1916Garnison-Totenfeier. Am Nachmittag des Allerheiligentages veranstaltete der Kreis-Kriegerverband Bonn-Stadt, wie im Vorjahre, auf dem Nordfriedhofe an den Gräbern der gestorbenen Krieger eine eindrucksvolle Totenfeier. Abordnungen der Kriegervereine mit ihren Fahnen, die Behörden, Offiziere, ein Teil der hiesigen Truppen, Verwundete und vor allem eine unübersehbare Schar von Männern, Frauen und Kindern nahmen an der Feier teil. Die Landsturmkapelle leitete die Feier mit einem Trauermarsche ein, vorauf der Vorsitzende des Kreis-Kriegerverbandes sowie Offiziere des hiesigen Ersatzbataillons der 160er und des Landsturmbataillons mit kurzen Dankesworten an die gefallenen Kameraden Kränze niederlegten. Nach dem Gesange der Bonner Liedertafel „Himmelssehnsucht“ nahm der katholische Militärseelsorger, Oberpfarrer Böhmer, das Wort zu einer Ansprache. Er wies darauf hin, daß man zum drittenmal schon diese Totenfeier halte und noch immer niemand zu sagen vermöge, ob es die letzte Totenfeier während des Weltkrieges sein werde. Ueberall in Deutschland, noch mehr aber in den Einzel- und Massengräbern in Feindesland und auf dem Meeresgrunde ruhen die edelsten unseres Volkes von ihren Kämpfen aus, Männer, die aus der Vollkraft des Lebens und Schaffens gerissen wurden, und Jünglinge, die zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft berechtigten. Die Gefallenen, die ihre im Fahneneide geschworene Treue mit dem Tod besiegelt haben, gebührt kein wehleidiges Bedauern, wohl aber unauslöschbare Dankbarkeit, und diese Dankbarkeit soll sich in warmherziger und tatkräftiger Fürsorge für die bedürftigen Hinterbliebenen äußern. Auch dadurch soll das Andenken der Gefallenen geehrt werden, daß wir ihre treue und begeisterte Pflichterfüllung nachzuahmen suchen, niemals klagen über die Opfer, die auch uns in der Heimat der Krieg auferlegt, die aber doch nur gering sind im Vergleich mit den Opfern, die jene gebracht haben. So wird aus den Gräbern unserer gefallenen Helden die Saat eines neuen, blühenden Lebens ersprießen und unser Vaterland nach dem Kriege bis in die fernsten Geschlechter an der Spitze der Kulturnationen stehen. Es folgten wieder ein Trauermarsch und zwei stimmungsvolle Chorgesänge der Liedertafel. Hierauf hielt der evangelische Militärseelsorger, Pastor Lorenz, eine packende Ansprache. Während früher der Tod wie ein einsamer Fischer am Strom der Zeit saß, hat er jetzt sein Schleppnetz in die europäischen Völker geworfen und auch aus der Blüte unseres Volkes Tausende und Abertausende hinweggerafft. Alle Verluste dürfen uns aber nicht weich machen, denn unser Vaterland und Kinderland ist in Gefahr, die Flut unsere Feinde umdrängt uns wie den Felsen im Meer. So mancher tapferer Krieger hat auch im letzte Jahre in den hiesigen Lazaretten wochen- und monatelang mit dem Tod gerungen und ist dann still gestorben, da alle ärztliche Kunst und die liebevollste Pflege ihm nicht helfen konnte, und so ruhen denn nun die Brüder aller Bekenntnisse schon zu Hunderten friedlich nebeneinander. Ihr Andenken soll uns mahnen, geduldig und freudig unser Kriegsbrot zu essen, keinen Gegensatz zwischen Stadt und Land, zwischen arm und reich aufkommen zu lassen und treu zu Gott und dem Vaterland zu stehen. Seid einig, seid treu, seid fromm! Das ist die Mahnung der Toten an uns. Wird sie befolgt, dann kommt über Nacht der Sieg und der Friede. Nachdem die Liedertafel noch das Volks- und Soldatenlied Ich hatt’ einen Kameraden nach der Vertonung ihres Dirigenten Werth gesungen hatte, beschlossen die Klänge des altniederländischen Dankgebets die ernste Feier.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)