Sonntag, 3. September 1916

    

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 3. September 1916Am gestrigen Sedantage hatten die öffentlichen Gebäude geflaggt. Am Denkmal Kaiser Wilhelm I. hatte die Stadtverwaltung einen Kranz mit schwarz-weißer Schleife niederlegen lassen.

Ferienspiele. Die von der Stadt in diesem Jahre wieder eingeführten Ferienspiele fanden gestern mit einer schönen Sedanfeier ihren Abschluß. Mehrere Tausend Kinder im Festanzug hatten sich gegen 8½ Uhr auf dem Kaiserplatz eingefunden. Jede Schule mit ihrer Fahne, geführt von den Abteilungsleitern und –leiterinnen, nahm dort zum Festaufzug Aufstellung. Die Militärverwaltung hatte in anerkennenswerter Weise auch diesmal Musik sowie Trommler- und Pfeiferkorps zur Verfügung gestellt. Der lange Zug frohgestimmter Knaben und Mädchen ließ die Zuschauer die Kriegszeit vergessen und mit frohbewegten Zügen Deutschlands Jugend nachsehen. Unter flotten Marschklängen bewegte sich der Zug durch die Poppelsdorfer Allee und Argelanderstraße den Venusberg zum Exerzierplatz hinauf. Dort angekommen, scharten sich die Kinder in großem Halbkreis um den Leiter der Feier, Herrn Hauptlehrer Schmitz, der seinerseits Herrn Schulrat Dr. Baedorf begrüßte. Der gemeinschaftliche Gesang Deutschland, Deutschland über alles erscholl aus jugendlichen Kehlen über die weite Fläche, als Echo aus dem Walde wiederkehrend. Zwei Knaben der Kessenicher Schule trugen mit Kraft und Ausdruck das Gedicht „Wir und die Welt“ vor, das sichtlich nachhaltigen Eindruck auf die große Schar machte. Danach hielt Herr Hauptlehrer Schmitz die Ansprache, die an den Sedantag von 1870 anschloß und die Beziehungen zur jetzigen Zeit hervorhob. Kaiserhoch und Nationalhymne erregten Begeisterung in den jugendlichen Herzen, und dann gings zum Empfang der duftenden Brotschnitte mit der bereits liebgewordenen schmackhaften Marmelade. Mit Gesang und Musik zog die lange Reihe dann wieder zum Kaiserplatz, von wo die einzelnen Schulen mit ihren Fahnen in die verschiedenen Stadtteile gingen.
   Ungefähr 20.000 Kinder haben in den vier Wochen droben auf dem Venusberg Kraft und Gesundheit gestärkt, und den Männern, die für die Ermöglichung der Ferienspiele bei der Verwaltung eine Lanze gebrochen haben, gebührt aus warmen Herzen große Anerkennung.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

      

Lebensmittelreserven. Man schreibt uns: Der günstige Ausfall der diesjährigen Ernte ermöglicht es, nicht nur einem großen Teil der Bevölkerung dauernde Mehl- und Brotzulagen zu gewähren, sondern auch mehr Kleie und Futterschrot zur Steigerung der Fleisch- und Fetterzeugung herzustellen. Der Mehrertrag dieses Jahres an Brotgetreide und Futtergetreide beträgt gegenüber dem Vorjahre, wenn sich die Schätzungen Sachverständiger als zutreffend erweisen, etwa 3 Millionen Tonnen, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß wir 1915, abgesehen von den Kartoffeln, nahezu keine Mißernte hatten. So gut aber auch die neue Ernte zu werden verspricht, für verschiedene Fruchtarten hängt der schließliche Ertrag noch von der weiteren Gestaltung des Wetters ab. Für die Kartoffeln und Zuckerrüben brauchen wir noch warmes Wetter, wenn ihre Ernte unseren Hoffnungen und dem gesteigerten Bedarf entsprechen soll. Wir können also zwar mit vollem Vertrauen dem Verlauf des neuen Wirtschaftsjahres entgegensehen, aber die bisherige Sparsamkeit mit unseren Vorräten muß die gleiche bleiben. Die späte Ernte dieses Jahres hat uns gelehrt, wie notwendig es ist, für ausreichende Rücklagen für das nächste Wirtschaftsjahr zu sorgen. Wir können nicht wissen, ob die Ernte des Jahres 1917 wieder so günstig ausfällt wie die diesjährige. Die weitsichtige Vorratswirtschaft der Reichsgetreidestelle hat uns in den letzten Wochen des abgelaufenen Wirtschaftsjahres vor Mangel an Brot und Mehl bewahrt. Dieselbe Vorsicht muß auch für das nächste Jahr zur Anwendung kommen. Wir sind auch nach den Erfahrungen der letzten Zeit gezwungen, größere Vorräte an Zucker aufzuspeichern, und für die Wintermonate müssen möglichst große Bestände an Butter und Fett angesammelt werden, um die dann zurückgehende Erzeugung auszugleichen. Wenn mithin aus Verbraucherkreisen in der letzten Zeit mehrfach die Frage aufgeworfen wurde, warum die reiche Futterernte nicht in reicheren Lieferungen von Butter in die Erscheinung getreten ist, so muß man sich vergegenwärtigen, daß die Rücklage von Lebensmittelreserven eine unerläßliche Voraussetzung für unser wirtschaftliches Durchhalten ist.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Beuel, 2. Sept. Die Freiwillige Sanitätskolonne vom Roten Kreuz, die am 4. Juli 1915 die erste Schlußprüfung der Sanitätsmannschaft mit bestem Erfolg vornehmen konnte, hat bis jetzt über 3000 verwundete Krieger und eine große Anzahl Zivilkranker transportiert. Auch die in verschiedenen Ortsteilen eingerichteten Unfallmeldestellen wurden vielfach in Anspruch genommen. Jederzeit zeigte sich die Kolonne pflichtgemäß hülfsbereit. Die Freiwillige Sanitätskolonne bedarf jetzt dringend der Ergänzung, da im Laufe des Krieges 11 Kameraden zu den Fahnen einberufen wurden. Neue Mitglieder, die sich jetzt melden, können noch an der voraussichtlich Ende dieses Monats stattfindenden öffentlichen Schlußprüfung teilnehmen.

Godesberg, 2. Sept. Das „Eiserne Kreuz von Godesberg“, das am 12. September vergangenen Jahres als Wahrzeichen zum Besten der Hinterbliebenen gefallener Krieger aus der Bürgermeisterei Godesberg gestiftet wurde, hat bis heute über 25.000 Mark erbracht. Außer der Benagelung der Breitflächen auf der Vorder- und Rückseite wird neuerdings von der in letzter Zeit neu eingeführten Auskleidung der schmalen Randflächen des Kreuzes mit Paletten viel Gebrauch gemacht., auf denen die Namen der Stifter eingraviert sind. Jede Palette bedingt eine Mindeststiftung von 50 Mark. Es sind bis jetzt schon 89 solcher Paletten angenagelt worden. Wünschenswert wäre es, wenn dieses Wahrzeichen der Nächstenliebe gleich wie im vergangenen Sommer an einem verkehrsreichen Platze aufgestellt würde.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)