Dienstag, 16. November 1915

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 16. November 1915Bußtag und Totensonntag. An den Vorabenden der beiden Tage und an diesen selbst dürfen keine Tanzmusiken, Bälle und ähnliche Lustbarkeiten veranstaltet werden, was in diesem Jahre ja von selbst unterbleiben würde. Am Bußtage dürfen öffentliche theatralische Vorstellungen, Schaustellungen und sonstige öffentliche Lustbarkeiten außer ernsten Musikstücken nicht stattfinden. Am Totensonntage sind nur theatralische Vorstellungen ernsten Inhalts gestattet.

Heute kein fleischloser Tag. Der Oberbürgermeister macht bekannt, daß am heutigen Dienstag (also am Vortage des Bußtages) der Verkauf von Fleisch und Fleischwaren in Läden an die Verbraucher gestattet ist. Für die Wirtschaften usw. bleibt das in der Bundesratsverordnung ausgesprochene Verbot (fleischloser Tag) aber bestehen.

Aufgehobenes Verbot. Das Gouvernement der Festung Köln hat das Verbot, Postkarten zu verkaufen, die aus lösbaren Schichten zusammengesetzten Papiers hergestellt sind oder die in Papierschichten eingelassene Photographien usw. enthalten, aufgehoben.

Enteignung von Kartoffeln. Der Oberpräsident der Rheinprovinz macht bekannt, daß auch bei Kartoffelerzeugern, die weniger als ein Hektar angebaut haben, die Kartoffeln enteignet werden können.

Fürsorge für kriegsbeschädigte Akademiker. Um für die kriegsbeschädigten Akademi­ker in gleicher Weise, wie es für andere Stände geschehen ist und noch geschieht, eine Stelle zu schaffen, an die sie sich wegen Beratung und nötigenfalls auch wegen Unterstüt­zung werden können, haben sich die rheinischen Hochschulen – Universität Bonn, techni­sche Hochschule Aachen, Handels-Hochschule Cöln – mit der Provinzialverwaltung zu­sammengetan, und es ist so als Glied der allgemeinen Provinzialfürsorge eine Beratungs- und Unterstützungsstelle für kriegsbeschädigte Akademiker in der Rheinprovinz mit dem Sitze an der Universität Bonn begründet worden. Den Ehrenschutz über die neue Einrich­tung hat Ihre Königliche Hoheit Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe übernommen. Die Beratungs- und Unterstützungsstelle hat (wie die „Kriegsbeschädigtenfürsorge in der Rheinprovinz mitteilt) drei Abteilungen, eine für Akademiker mit Universitätsbildung in Bonn, eine für solche mit technischer Hochschulbildung in Aachen und eine für solche mit Handels-Hochschulbildung in Köln. Eine größere Anzahl Angehöriger aller einschlägiger Berufe, Hochschullehrer und Männer der Praxis, aber auch Angehörige anderer Berufe, in die überzutreten etwa kriegsverletzten Akademikern geraten werden könnte, sollen zur re­gelmäßigen Mitarbeit gewonnen werden. Den Kriegsgeschädigten soll so sachkundiger Rat verschafft, es soll ihnen Hilfe, sei es durch Vermittlung gesundheitlicher Maßnahmen durch Berufsberatung, durch Berufsausbildung oder durch Stellenvermittlung gewährt wer­den, alles in einer Form, würdig ihrer akademischen und kriegerischen Vergangenheit. Es soll aber schließlich auch, soweit es sich als nötig herausstellen wird, für Zeiten der Er­werbsunfähigkeit zum standesgemäßen Lebensunterhalt beigetragen werden. Der für die Beratungs- und Unterstützungsstelle gebildete Ausschuß bezeichnet es als Ehrensache aller akademisch Gebildeten, für ihre Berufsgenossen einzutreten, indem sie die hierfür besonders erforderlichen Mittel aufbringen. „Zwar wissen wir wohl zu würdigen, wie schwere Ansprüche an die Spendefreudigkeit fortwährend gestellt werden. Aber welchem alten akademischen Bürger, welchem jungen Studierenden, dem selbst ein glücklicheres Los gefallen, sollte gerade dies nicht besonders am Herzen liegen, für das Schicksal der im Dienste des Vaterlandes gesundheitlich beschädigten Kommilitonen zu sorgen und dazu beizusteuern, daß für sie alles Menschenmögliche geschehe! Zuversichtlich wenden wir uns darum an unsere Landsleute und Berufsgenossen mit der herzlichen Bitte um einen einmaligen Beitrag für die Zwecke unserer Beratungs- und Unterstützungsstelle, - von der Höhe, die er erreicht, wird das Maß der Hilfeleistungen, die wir außer den Provin­zialleistungen gewähren können, abhängen. Jede, auch die kleinste Gabe ist willkom­men. Jeder ist dringend gebeten, im Maße seiner Kräfte beizusteuern. Einzahlungen bitten wir an den Schaaffhausen'schen Bankverein, A.-G. in Köln oder an eine seiner Filialen richten zu wollen. Ueber die Eingänge soll später öffentlich Rechnung gelegt werden.“ Es ist beabsichtigt, mit dem in Berlin gebildeten akademischen Hilfsbund, der für ganz Deutschland die gleichen Zwecke verfolgt, unter Wahrung der notwendigen Selbstständig­keit zusammen zu arbeiten. Dies wird dadurch gewährleistet, daß die drei Hochschulen zugleich Mitglieder des akademischen Hilfsbundes sind und je einen Ortsausschuß des akademischen Hilfsbundes bilden. Dem Ausschuß gehören vom Lehrkörper der Universität an der Rektor, Geheimrat Anschütz, der Prorektor, Geheimrat Landsberg, die Professoren Geheimrat Schulte und Smend, ferner die Herren Geheimrat Ebbinghaus, Kurator der Bonner Universität, und Geheimrat Kreusler, Direktor der Landwirtschaftlichen Akademie Bonn-Poppelsdorf, Exzellenz Hamm, Berghauptmann Krümmer und Bischof Moog aus Bonn, Oberpräsident Freiherr v. Rheinbaben, Landeshauptmann v. Renvers, Kardinal v. Hartmann, Generalsuperintendent Klingemann, Landrat v. Groote, Vorsitzender der rheini­schen Landwirtschaftskammer, u.a.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 16. November 1915Humor in der Soldatensprache. Ein sonderbares Gebiet deutschen Wesens ließ gestern abend im Allgemeinen Deutschen Sprachverein Prof. Dr. Immen aus Essen aufleben. Wenn Soldaten unter sich sind, im Dienst und außer Dienst, in der Kaserne, auf den Uebungsplätzen, im Manöver und im Kriege, beackern sie recht reichlich mit Spott und Humor Alles und Jedes. Die notwendige Strenge und nebengehende Härte bedürfen eines Ausgleiches, eines Gegengewichtes, und den habe sich der Soldat aller Zeiten im befreienden und lösenden Humor geschaffen. Freilich der Humor sei derb, aber der Soldat könne derbe Kost vertragen. Die Rede ging dann vom Kommiß als der Allgemeinheit des Militärwesens über den Hammel des Rekruten, den Schwamm der nicht ins Manöver gezogenen, den als Lateiner und Blindgänger verulkten Einjährigen, über den Spinner und Kohldampfschieber des Unteroffiziers zum Feldwebel, dem Spies. Der „Alte“ ist der Hauptmann, mag er noch so jugendlich sein.
   Dann lebten all die ulkigen Namen auf, die die Regimenter und Waffengattungen sich gegenseitig zulegen. Da liefen die Sandhasen, da hüpften die Laubfrösche; die Kavalleristen hatten es mit dem Mist zu tun und schwer mußten ihre bunten und verzierten Röcke herhalten. Bumsköppe und Schöppejungen und Speckfahrer traten auf und letzteren, dem Train, galt sogar ein Verslein:
   „Sieg oder Tod; wir fahren Brot!“
Da war kein Truppenteil, der ohne Spottnamen vorbei kam, da war keine Dienstvorrichtung, die nicht dem Humor lachenden Tribut zu zollen hatte, keine Charge, kein Dienstgrad; vor nichts macht der spöttelnde Soldat Halt. Der Zahlmeister ist der Scheinwerfer; er gibt Geldscheine aus, der Unterarzt der Carbolfähnrich und der Arresthausaufseher der Vater Philipp.
   Ist der Soldat angeheitert, so hat er u. a. dem Kater auf den Schwanz getreten, bleibt er über Urlaub, so wichst er den Zapfen und leere Flaschen sind für ihn Ausbläser. Ist er nicht, wie er sein sollte, so wird er angehaucht und exerziert er nach, so treibt er Sport; dabei wird er geschliffen, aufgeschwänzt und gezwiebelt.
   Eine Stunde und mehr lachte der Humor und grinste der Spott in der zahlreich besuchten Versammlung, der auch eine Anzahl Verwundeter beiwohnte. Die lächelten verständnisinnig und auf dem Heimwege fand der Wunsch mit dem der Redner abtrat: „Möge unseren Soldaten der Humor nicht ausgehen“ bei ihnen sofortige Erfüllung. Unter sich gaben die Feldgrauen eine gute sehr deutsche Fortsetzung des Vortrages. [...]

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 16. November 1915Populärwissenschaftliche Vorträge. Am Donnerstag findet der Vortrag des Direktors der Urania-Berlin, Herrn Prof, Dr. Schwahn über das Isonzo- und österreichische Adriagebiet statt. Es dürften wohl wenige sein, die nicht den Schauplatz der Heldenkämpfe der österreichisch-ungarischen Truppen kennen lernen möchte. Im Anschluß hieran verweisen wir auf die heutige Anzeige, die das Nähere über den ersten am Donnerstag den 25. November und für die Abonnenten freien Vortrag des Herrn Generalmajors a. D. Bahn „Der Kriegsschauplatz auf dem Balkan“ enthält.

Weihnachtsgaben für unsere Truppen. Wie im vergangenen, so ergeht auch im laufenden Jahre an alle Bonner wieder der Ruf: Schafft Weihnachtsgaben für unsere tapferen Truppen, die immer noch fern von der Heimat weilen und Deutschland gegen die Welt von Feinden schützen. Die Sammelstellen für die Mitglieder des Vaterländischen Frauen-Vereins Stadtkreis Bonn und alle, die sich ihm anschließen wollen, befindet sich im Oberbergamte, Konviktstraße 2, Zimmer 43 und ist vom 22. bis 27. November von 9 bis 12 und 3 bis 6 Uhr täglich geöffnet. Die Spenden sind für die im Felde stehenden Truppen – ohne Unterschied – bestimmt, nicht nur für die Bonner Garnison, für welche unseres Wissens noch eine besondere Sammlung erfolgt. Nach der Anweisung der Militärbehörden sollen die Gaben für den einzelnen Mann nur aus zwei Stücken bestehen; zur Vereinfachung der Ausgabe bei der Truppe sind je fünf Gaben in einem Pakete zu vereinigen, das mit der Aufschrift: „Weihnachtsgaben für fünf Mann“ und mit der Adresse des Absenders zu versehen ist. Aufdrücke dazu werden in dem Geschäfte von Frl. Biederbeck, am Hof 12a, und im Oberbergamte gern abgegeben. Für die Spenden selbst wird empfohlen: vor allem Wollsachen wie Unterhosen, Unterjacken, Westen, Schals, Handschuhe, Strümpfe, Pulswärmer, Leibbinden, dann Taschentücher, Bleistifte, Briefpapier, Hosenträger, Kämme, Bürsten, Musikinstrumente, Spiele, Tabak, Tabakspfeifen, Messer, Uhren, Tee, Wurst, Schokolade, Honigkuchen und dergl. mehr.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)