Dienstag, 9. November 1915

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 9. November 1915Der Zigarren-Abschnitt-Sammel-Verein Bonn veranstaltet in diesem Jahr seine 39. Weihnachtsbescherung. Groß ist die Anzahl der Familien, die Kinder zur Bescherung angemeldet haben. Der Vorstand hat beschlossen, 130 Kinder zu bescheren und dabei hauptsächlich die zu bedenken, deren Väter im Felde stehen oder gefallen sind. Zu der diesjährigen zweiten Kriegsbescherung werden auch wieder verwundete Soldaten aus einzelnen Lazaretten eingeladen und beschenkt werden. Durch die allgemein eingetretene Teuerung erwachsen dem Verein hohe Unkosten. Ueber 3000 Mark sind nötig, um die Kinder mit warmen Kleidungsstücken und Schuhen zu versorgen. Der Vorstand richtet daher auch in diesem Jahre an die besser gestellten Bürger die dringende Bitte, die segensreiche Tätigkeit des Vereins zu unterstützen, der seit seinem Bestehen schon 2.491 Bonner Kinder eingekleidet und diesen, sowie deren Eltern eine Weihnachtsfreude bereitet hat.

Nächtlicher Lärm. Nachdem erst vor kurzer Zeit von Anwohnern der Schumannstraße in der Bonner Zeitung Beschwerde geführt wurde, daß die nächtlichen Ruhestörungen und Belästigungen durch radausüchtige Elemente nicht aufhören, kommen neue Klagen, daß in der Altstadt vor allem Sonntags nach Schluß der Wirtschaften starker Lärm herrsche. Tatsächlich kann man bemerken, daß fast jeden Sonntag nach 12 Uhr ganze Scharen von halbwüchsigen Burschen, zum Teil mit „Begleitung“, lärmend und schwankend durch die Straßen ziehen und so eine starke Belästigung bilden. Daß lärmende und betrunkene Benehmen dieser halbwüchsigen Burschen sollte unter keinen Umständen weiterhin geduldet werden. Es ist gerade jetzt zur Kriegszeit eine grobe Ungehörigkeit und macht einen recht häßlichen Eindruck.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

    

Einschränkung des Fleisch- und Fettverbrauchs. Noch immer sind bei den Händlern wie bei Verbrauchern Unklarheiten über die Bestimmungen betr. die Einschränkung des Fleisch- und Fettverbrauchs vorhanden. Es besteht vielfach die Ansicht, daß an den Tagen, an denen die gewerbsmäßige Verabfolgung von Fleischwaren und Speisen, die ganz oder teilweise aus Fleisch bestehen, verboten ist, also Dienstags und Freitags, auch der Verkauf von Fett aller Art, insbesondere auch der Butter, untersagt sei. Diese Auffassung ist irrig. Der Verkauf von Fett, als welches Butter und Butterschmalz, Oel, Kunstspeisefette aller Art, Rinder-, Schaf- und Schweinefett gelten, ist jederzeit gestattet. Metzger und Händler dürfen es daher auch Dienstags und Freitags an die Verbraucher abgeben. Dagegen muß entgegen anderer Auffassung darauf hingewiesen werden, daß Fleischkonserven, Würste aller Art und Speck Dienstags und Freitags ebenso wie Rind-, Kalb-, Schaf- und Schweinefleisch, sowie Fleisch von Geflügel und Wild aller Art nicht gewerbsmäßig an Verbraucher abgesetzt werden dürfen – weder in Wirtschaften, noch in Metzgereien, noch in Lebensmittel-Handlungen. Schweinefleisch darf von den Metzgern und Händlern auch Samstags verkauft werden. Denn es heißt ausdrücklich, daß in Gastwirtschaften, Schank- und Speisewirtschaften sowie in Vereins- und Erfrischungsräumen Samstags Schweinefleisch nicht verabfolgt werden darf. Während also an den ganz fleischlosen Tagen kein Unterschied zwischen Wirtschaften und Metzgereien und Handlungen gemacht ist, ist die Verabfolgung von Schweinefleisch am Samstag nur den Wirtschaften und dergl. untersagt, nicht dagegen Metzgern und Händlern.

Anzeige in der Bonner Zeitung vom 9. November 1915Martinsfeuer. In vielen Ortschaften des Landkreises Bonn soll mit Rücksicht auf den Krieg in diesem Jahr von den bisher üblichen Martinsfeierlichkeiten, dem Abbrennen eines großen Martinsfeuers und einem öffentlichen Umzuge mit Fackeln und Lampions, der in größern Orten selbst noch von einer Musikkapelle begleitet wurde, Abstand genommen werden. Selbstredend muß auch die hier und übliche Austeilung des Martinsbrotes unterbleiben. Zur Freude der Schulkinder aber soll der Rundgang vor dem Feste, auf welchem die Kinder unter Absingung der bekannten alten und neuen Lieder Stroh-Körbe und anderes Brennmaterial „heischten“, auch in diesem Jahre beibehalten werden; doch will man dabei nur Geld als „Liebesgaben für die Kinder der im Felde gefallenen Krieger“ sammeln. Wo im vorigen Jahre von den Schulkindern solche Sammlungen zu diesem Zwecke abgehalten wurden, sind über alles Erwarten reiche Spenden geflossen.

Bonner Lichtspiele. Bernhard Kellermanns vielgelesener Roman „Der Tunnel“ ist nun auch verfilmt. Gestern abend gelangte er in den „Lichtspielen“ hier zum erstenmal zur Abkurbelung. Natürlich kann Kellermanns scharf umrissene Komposition mit dem kühnen Ingenieur Mac Allen im Mittelpunk nicht wie im Schriftwerk zur Wirkung gelangen. Aber der riesenhafte Plan, von Newyork über die Bermudas- und Azoren-Inseln einen Tunnel zu bauen, der die alte und neue Welt mit einem Eisenbahnstrang verbindet, findet in Einzelszenen im Film doch eine fesselnde Darstellung. Die Verhandlungen des Ingenieurs mit den amerikanischen Milliardären auf dem Dachgarten eines amerikanischen Hotels, die Gesteinsbohrarbeiten und der Brand im Tunnel, der Brand des 30stöckigen Syndikatsgebäudes und die erste Fahrt durch den nach 24jähriger Arbeit geschaffenen Tunnel von Amerika nach Europa usw. sind Bilder von starker Wirkung. Die Massenszenen sind trefflich gelungen.

Renntierfleisch in Deutschland. Man schreibt uns: Die schwedische Regierung hat vorerst die Ausfuhr von 6000 Stück Renntieren nach Deutschland genehmigt. Die Tiere werden geschlachtet und möglichst in Vierteln nach Deutschland eingeführt. Die Einfuhr wird erst voll mit Anfang nächsten Jahres einsetzen, da dann das Fleisch außerordentlich schmackhaft ist.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)