Freitag, 8. Oktober 1915

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 8. Oktober 1915Planmäßige Petroleum- und Fettverteilung. Der Landesausschuß für Rheinland und Westfalen im Reichsdeutschen Mittelstandsverband hat den Reichskanzler in einer Eingabe gebeten, Anordnung zu treffen, daß das Petroleum nach Art des Mehles und des Brotes allgemein nach einem bestimmten Plan verteilt wird, wobei ein Bedarfsnachweis zu fordern und auf gewerbliche Bedürfnisse besonders Rücksicht zu nehmen sei. In der Eingabe wird noch darauf hingewiesen, daß auch eine planmäßige Verteilung von Oel und Fetten dringend notwendig erscheine.

Gegen die Verteuerung von Butter und Butter-Ersatz. Es wird uns geschrieben: Süßrahmbutter muß heute mit 2,60 M. das Pfund bezahlt werden und schon lange tönt es der Hausfrau aus dem Munde der Butterhändler entgegen, bald werde 3 M. und mehr darüber bezahlt werden müssen. Der Handel ist also längst auf alles gefaßt, dem Verbraucher aber kann mit Fug und Recht gesagt werden: Iß Pfanzenfett-Butter oder sonstigen Milchbutter-Ersatz, wozu Süßrahmbutter in diesen Zeiten! Nach diesem Rezept wird in weitesten Kreisen bereits verfahren, doch der Milchbutterpreis bleibt darum doch der Preisbildner für den Preis jeglichen Butterersatzes. Was aber folgt daraus? An diesem Punkte muß der Hebel angesetzt werden gegen die Weiterverbreitung des Lebensmittelwuchers mit Butter. Nicht um der Verbraucher von Süßrahmbutter willen, nein, um die breitesten Schichten des Volkes vor Ausbeutung zu schützen; denn Butter, um es zu wiederholen, ist und bleibt preisbildend für die Wertung sämtlicher Ersatzmittel. Um ungerechtfertigte Ausbeutung handelt es sich. Vergangenes Jahr kostete feinste Milchbutter 1,40 M. bis 1,60 Mark das Pfund. Futtermittel sind in Hülle und Fülle vorhanden, der gegen früher verminderte Viehbestand kann mit Leichtigkeit mit ihnen erhalten und gesteigert werden. Was also bedeutet die Preissteigerung von 1,50 M. auf 3 M.? Nichts anderes, als das Ergebnis der eingetretenen Spannung zwischen Erzeugungsmenge und Nachfrage. Gesteigerte Erzeugungskosten und daraus gerechtfertigte Höherwertung spielen bei der wahrhaft erschreckenden Höhe der vollzogenen Preissteigerung fast keine Rolle. Ist es nicht höchste Zeit, daß Stadt oder Staat hier eingreift?

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

Anzeige im General-Anzeiger vom 8. Oktober 1915Zu dem Eingesandt in unserer Dienstag-Nummer wird uns geschrieben:
    Ein „Eingesandt“ in Ihrer Dienstag-Nummer beschäftigt sich mit dem Verhalten zweier Her­ren, die inmitten einer auf den Tagesbericht des Großen Hauptquartiers wartenden Menge sich unvorsich­tig über militärische Dinge ausgelassen haben sollen. Der Einsender hat so­gar einen „Spion“ gese­hen, dem die fraglichen Auslassungen vielleicht von Nutzen gewe­sen sein könnten. Es ist selbst­verständlich Recht und Pflicht jedes Deutschen, Dinge, die unserm Vaterlande in dieser schweren Zeit schaden könnten, öffentlich an den Pranger zu stellen. Ebenso selbstverständlich ist es aber, daß der öffentliche Ankläger ganz genau wissen muß, ob seine Klage wirklich berechtigt ist; denn es handelt sich um nichts mehr und nichts weniger als um die Ehre des Beschuldigten, da es un­zweifelhaft Ehrensache ei­nes jeden Deutschen ist, unter den heutigen Verhältnissen seine Zunge zu wahren. Er­hebt er seine Klage ohne gewissenhafte Prüfung der Tatsachen, so ist das zum min­desten leichtfertig.
   In diesem Falle hat jedoch der Einsender nicht die nötige Kritik geübt, sonst würde er wohl kaum mit Kanonen nach Spatzen geschossen haben. Er hat zweifellos von dem Gespräch nur hier und da etwas aufgefangen, sonst müßte er wissen, daß darin nichts berührt wur­de, was auch dem fin­digsten „Spion“ irgendeine Handhabe für seine Zwecke hätte bieten können, und was man nicht täglich weit genauer in veröffentlichen Feldpostbriefen und in den von Feldzugsteilnehmern ge­schriebenen Feuilletons unserer großen Zeitungen lesen kann. Er selbst vermutet, daß die beiden Herren den gebildeten Ständen angehören. Er hätte sich also sagen müssen, daß solche Herren doch wahrscheinlich die Tragweite ihrer Worte beurteilen können. Es wäre deshalb doppelt seine Pflicht gewesen, bevor er zum Ankläger wurde, sich die Frage vorzulegen und gewissenhaft zu prüfen, ob tatsächlich in dem Gespräch etwas Bedenkliches enthalten gewesen sei. Diese Frage aber hätte er um so sicherer verneinen müssen, als die betreffenden Herren gar nicht im Besitz von militäri­schen Geheimnissen sind, und wenn sie es wären, sich lieber die Zunge abbeißen, als sie preisgeben würden.
   Was das Gespräch selbst anbetrifft, so haben die Herren die längste Zeit über die bayeri­schen und tirolischen Wildschützen gesprochen, deren Schießkunst uns und unseren Ver­bündeten jetzt so wertvolle Dienste leistet. Dabei erzählte der so liebenswürdig als „Schwätzer“ bezeichnete Herr mit „gleichströmender“, also doch wohl nicht besonders lau­ter Stimme, was er über die Rechtsauffas­sung der Tiroler Bauern über die Wilddieberei in Tirol gehört habe, und führte einige Tatsachen an, die mit dem Krieg nicht das allermindes­te zu tun haben, da sie über 20 Jahre zurückliegen. In die­ses Gespräch mischte sich ein unmittelbar vor den beiden Herren stehender Mann von semiti­schem Typus (der „unver­kennbar gallisch aussehende Herr“ des Einsenders, obwohl Aeußeres und Sprache weit eher nach dem Osten als dem Westen wiesen). Er erzählte, daß diese Verhält­nisse in sei­ner Heimat im Harz ebenso seien. Bis dahin hatte sich das Gespräch überhaupt nur sehr mittelbar um den Krieg gedreht. Dann kam dieser Herr auf seine Söhne zu sprechen, von denen einer bei einem Garderegiment in Rußland, der andere bei einer Flieger-, jetzt Er­satz-Anzeige im General-Anzeiger vom 8. Oktober 1915Fliegerabteilung im Westen, bezw. in der Heimat gestanden habe, bezw. noch stehe. Dieser Herr, keiner der bei­den erwähnten Herren, erzählte dabei einiges von den Strapa­zen und Verlusten jenes Regiments, alles Dinge, die in diesem Kriege jedem Menschen und selbstverständlich jedem“Spion“ bekannt sind. Die Argonnensache liegt mehr als ein halbes Jahr zurück, ist also für die augenblickliche Lage gänzlich belanglos; überdies wur­de weder das Regiment, das nach verhältnismäßig kurzer Ruhezeit wieder in die Front mußte, noch der Ort der Ruhestellung genannt. Im In- und Ausland ist aber allgemein be­kannt, daß in Ruhestellung befindliche Truppen gleichzeitig zu den Reserven der kämpfen­den Truppen gehören. Daß unsere braven Soldaten bei ihren furchtbaren An­strengungen und Aufregungen einmal müde werden und keine Lust zum Singen haben, sagt keinem „Spi­on“ etwas Neues. Von der Anführung eines bestimmten Liedes wissen die betreffen­den Herren nichts. Alle diese Dinge hat der Einsender wohl nur mit halbem Ohr gehört; das einzige, was er richtig gehört hat, ist die warme und energische Verteidigung der Leis­tungen unserer Bundesge­nossen, die leider zuweilen nicht gebührend gewürdigt werden. Diese Worte sind wahrscheinlich mit etwas lauterer Stimme gesprochen worden, auf eine Nebenbemerkung des „Spions“ hin, wor­aus der Einsender eine „Anzapfung“ macht. Aber gerade diese Verteidigung hätte dem Einsender zeigen können, wes Geister Kind der Mann ist, der bei ihm Anstoß erregte, und hätte ihn warnen müssen, Beschuldi­gungen in die Oeffentlichkeit zu bringen, die gänzlich haltlos sind. Es ist in dem ganzen, nicht für sein Ohr bestimmten Gespräch nichts gesagt worden, was einem wirklichen Spi­on etwas Un­bekanntes von Wichtigkeit verraten hätte. Nebenbei können die Herren dem Einsender noch mitteilen, daß sie trotz gelegentlich ernsteren Gedanken, die jedem den­kenden Men­schen in diesen Zeiten zuweilen kommen, wie er an den schließlichen Sieg und die glän­zende Zukunft Deutschlands „unentwegt“ glauben.
   Die beiden Herren würden auf das „Eingesandt“ nicht geantwortet haben, wenn sie es nicht für ihre Pflicht gehalten hätten, bei Zeiten Front zu machen gegen einen Geist der Spionenriecherei und Angeberei, den wir bei unseren Feinden so lächerlich finden. Es ist aber schon weit gekommen, wenn Herren aus den gebildeten Kreisen, die in den höheren Mannesjahren stehen, sich gegen so wenig begründete Anschuldigungen wehren müssen. Gespräche über das heute nächstliegende Thema kann man befreundeten Herren, die sich nach längerer Zeit wiedersehen und längere Zeit auf einem Fleck warten müssen, nicht verwehren, und es kommt nur darauf an, was sie sagen. Dies gewissenhaft zu prü­fen, hat der Einsender unterlassen und deshalb Gespenster gesehen, die die Eigenschaft aller Gespenster haben, nämlich nicht vorhanden zu sein.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 8. Oktober 1915Die Zuckerrübenernte hat begonnen und schreitet bei der günstigen Herbstwitterung rüstig fort. Sie wird in diesem Jahr trotz des Mangels an landwirtschaftlichen Hilfskräften schneller erledigt sein als sonst wegen der von der Behörde für die Zeit des Krieges zugunsten des Getreideanbaus angeordneten Einschränkung der Rübenkultur. Kaum die Hälfte der Fläche ist mit Rüben angebaut gegen die Vorjahre. Der diesjährige Erntertrag muß gegen den vorjährigen etwas zurückstehen. Die Knollen sind kleiner und haften mit mehrfaserigen Seitenwurzeln im Boden. An keiner Stelle des Landkreises erzielt man eine volle Waggonladung (200 Zentner) Rüben auf dem preußischen Morgen. Trotzdem in der letzten Woche große Regenmengen über unserer Gegend niedergegangen sind, ist das Ausmachen der Zuckerrüben stellenweise sehr schwierig. Die Knollen sitzen sehr fest im Boden und ragen nur ganz wenig hervor. Zur Bewältigung der Arbeit hat man in vielen Landorten Kriegsgefangene in Anspruch genommen. Größere Schulinder werden zu diesem Zwecke bereitwilligst beurlaubt.

Straßenraub. Der 16jährige Arbeiter Joseph Ritsch aus Beuel hatte anfangs Juli an zwei Tagen auf einem einsamen Feldweg in der Beueler Gegend Mädchen ihre Handtasche mit Gewalt entrissen, wobei in einem Falle mit dem überfallenen Mädchen ringen mußte und ihm den Mund zuhielt. Das Außerordentliche Kriegsgericht zu Köln sprach ihn des vollendeten Straßenraubs in zwei Fällen schuldig, billigte ihm mit Rücksicht auf seine Jugend mildernde Umstände zu und verurteilet ihn mit Rücksicht auf die Gemeingefährlichkeit seiner Handlungsweise zu drei Jahren Gefängnis.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 8. Oktober 1915Gefährdung der Margarineherstellung wegen Fettmangels. In der jüngsten Kommissionssitzung der Niederrheinischen Fettschmelze wurde mitgeteilt, daß sich der Fettmangel immer schärfer bemerkbar mache, da die Schlachttiere wenig Innenfett besitzen, dann aber auch, weil gegenwärtig in den Fleischerläden viele Familien Fett auf Vorrat zu beschaffen suchen. Es würde aber, so wurde ausgeführt, die Herstellung der Margarine, die besonders zur Jetztzeit für die Ernährung weiter Volksschichten von der allergrößter Bedeutung ist, unbedingt gefährdet, wenn den deutschen Fettschmelzen, die den Margarinefabriken einen wertvollen Teil des von ihnen benötigten Rohmaterials liefern, nicht mehr die nötigen Fettmengen zur Verfügung stehen. Weiterhin aber seien die Fettschmelzen auch durch die Herstellung von Talg zu technischen Bedarfszwecken für die Allgemeinheit von hervorragender Bedeutung, was namentlich für die Seifenfabriken sehr ins Gewicht falle. In Bonn haben, wie uns von gut unterrichteter Seite mitgeteilt wird, auch von besser situierten Leuten große Angsteinkäufe stattgefunden, so daß augenblicklich eine gewisser Fettmangel verspürt wird. Er dürfte aber in dieser Form bald behoben sein.

Anzeige im General-Anzeiger vom 8. Oktober 1915Die eisernen Fünfpfennigstücke. Die Vorbereitungen für die Ausprägung der Fünfpfennigstücke aus Eisen sind nunmehr abgeschlossen. Die Ausgabe dieser Stücke ist noch für die zweite Hälfte dieses Monats zu erwarten. Die vorbereitenden Prägungsarbeiten haben verhältnismäßig lange Zeit in Anspruch genommen, da man Wert darauf gelegt hat, die Stücke vor Rost einwandfrei schützen zu können. Das jetzt angenommene Verfahren schaltet die Möglichkeit einer Beeinträchtigung dieser Stücke durch Rost und Abnutzung vollständig aus.

Bindfadenersatz. Um den Mangel an Bindfaden aus Hanf, Baumwolle und dergleichen abzuhelfen, sind verschiedene Ersatzmittel in Gebrauch genommen worden, von denen u. a. Bindfaden aus Papierfasern, mit Papier oder anderen Stoffen umsponnener Draht usw. sich im allgemeinen als brauchbar erwiesen haben. Derartige Ersatzmittel können auch zur Umschnürung der Postsendungen, insbesondere der über 50 Gr. schweren Feldpostbriefe mit Wareninhalt (Päckchen) verwendet werden, vorausgesetzt, daß sie haltbar sind und eine feste Umschnürung damit hergestellt werden kann. Dünner Draht (sogen. Blumendraht) ohne Umspinnung ist zur Verpackung von Postsendungen nicht geeignet, weil er sich nicht knoten läßt und Verletzungen des Personals und Beschädigungen der Briefbeutel und anderer Postsendungen durch den Draht unvermeidlich sind, namentlich wenn die Umschnürung und der Verschluß nicht sorgfältig ausgeführt werden.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)