Montag, 19. Juli 1915

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Juli 1915Konzert des Bonner Männer-Gesangverein.
Im Bonner Bürger-Verein fand gestern abend das Konzert des Bonner Männer-Gesang­vereins statt, dessen Reinertrag den Grundtock bilden wird zur Beschaffung eines Wahr­zeichens, das durch Einschlagen von Nägeln der Kriegshilfe neue Mittel zuführen und spä­ter an die große Zeit erinnern soll. Eine eigne tiefe Linie ging durch den ganzen Abend, die des inneren Erlebens. Es klang gleich an in Kreutzers altem Chor „An das Vaterland“:

Doch Heldenblut ist uns geflossen,
Dir sank der Jugend schönste Zier.
Nach solchen Opfern, heilig großen,
Was gälten diese Lieder dir?

Man fühlte es gleich, es sind keine Worte mehr! Heilige Wahrheit blutet nun auch für uns aus Uhlands Versen. Es klang die verhaltene Innigkeit, das Lied „Vom Ammersee:“

Und über ein Jahr, wer weiß, bin ich tot.
Ade nun, mein Schatz, mein Schatz, ade!

Und Arno Holz' Sang vom „Alten Mütterlein“, wir haben ihn so oft gehört. Als wirklich noch das grüne Revier flimmerte von der heimlich schleichenden Mittagsstille. Als wirklich noch alles schlief, selbst Drossel und Grille, und vor'm Pflug der müde Stier. Aber es blitzt nicht mehr den Wald entlang. Aus Spiel und Uebung ist deutsche Not geworden, deutsche Kraft und deutsches Opfernkönnen!

Und ihre Tränen rinnen:
„So einer war auch Er!“

Der alte „akademische“ Priester-Marsch aus Athalia leitete den Abend ein. Die Meister­schaft des Städtischen Orchesters unter seinem Kapellmeister Heinrich Sauer zeigte sich wieder in der folgenden Egmont-Ouvertüre. Nur die etwas schwach besetzten Streicher er­innerten an die Kriegszeit und das Blau und Feldgrau mancher der Spieler. Herr Sauer lei­tete auch die Männerchöre. Es ist eine besondere Freude, Sauer dirigieren zu sehen. Er baut gleichsam alles vor einem auf. Es ist viel anregende und gewinnende Künstlerschaft in seiner Persönlichkeit. Das zeigte sich wieder in seinen beiden neuen Chören, die der Verein zum erstenmal sang. „Posten vor Tag“ ist szenisch aufgebaut mit feinen ehrlichen Linien ohne jeden Effekt. Aber man sieht zum Beispiel förmlich die geruhigen „braunen Zelte“ und wie sie sich „eng zusammenducken“. Man hört, wie das prasselnde Wachtfeuer knisternd verloht, und aus versunkenem Lauschen summt sich das Lied vom „Morgenrot“ in die Stille hinein. Wuchtig und dröhnend dagegen, ganz der eisenklirrenden Balladik Ru­dolf Herzogs angepaßt, klang Sauers andere Komposition: „Der Deutschen Kriegslied 1914“. Nur den Rhythmus, besonders der ersten und dritten Strophe, hätte ich draufgän­gerischer genommen. Der riesige Eichenkranz mit dem goldenen Vers auf dem roten Band für den Komponisten war ehrlichster Dank auch seiner Zuhörer. Der Abend war überhaupt auf vollkommenes Gelingen gestellt. Vielleicht war auch der gute Zweck daran schuld! Die Tenorsoli des Herrn Fritz Tasche waren prachtvoll. Die Zugabe war garnicht zu umge­hen. Tasches Tenor hat etwas Berauschendes in sich. Kommt nun auch noch dieses be­wußt in­nere Erlebnis dazu, man merkte es bei seinem Lied: „Auf der Wacht“, dann ist es die deut­sche Seele, die singt. Steuermannslied und Matrosenchor aus dem „Fliegenden Hollän­der“ waren alte Bekannte. O deutscher „Barbar'“, was hast du für eine wundersam feine Melodie in dir? Was gibt es weiter einen prachtvollen Humor in dir, in Veits gelunge­nem „Der Käfer und die Blume“. Der Bariton oder Baß hätte da zwar etwa kräftiger „sum­men“ können, aber das läßt sich schon machen, wenn die andern wieder dazukommen, aus dem Feld zurück. Denn wie hieß doch der letzte Vers des Abends:

Mein Herz tu dich auf, daß Sonne drein scheint!
Du hast ja genug jetzt geklagt und geweint!
Faß wiederum Mut, du jungfrisches Blut,
Mein Herz in dich auf, denn die Sonne meint's gut!

Der große Saal des Bürger-Vereins und die Galerie waren bis aufs letzte Plätzchen be­setzt. Da ist alle Hoffnung vorhanden, daß unser Wahrzeichen noch größer und schöner wird als der „Kölsche Boor“. Muß auch sein! Denn Bonn hat ja keine „Boor“, sondern eine „Bonna“!.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Juli 1915Lehrgänge über Obst- und Gemüseverwertung. Die Provinzial-Abteilung Rheinprovinz des Deutschen Vereins für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege wird an verschiedenen günstig gelegenen Orten – u. a. auch hier in Bonn – kurze Lehrgänge über Obst- und Gemüseverwertung veranstalten, die neben dem Zweck, die Fertigkeiten des Einkochens und der Frischhaltung praktisch zu vermitteln, auch auf die große Bedeutung des Verfahrens hinweisen und über seine wichtigsten Grundsätze und Methoden aufklären sollen.
   (Hoffentlich bleibt es bei diesen Kursen nicht bei der grauen Theorie, sondern es wird auch die Möglichkeit gegeben, Obst und Gemüse zu annehmbaren Preisen kaufen zu können. Red.)

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Leise Anfrage. Warum vernimmt man von unserem Bonner Landratsamt über die Frage der Gemüse- und Obstverteuerung keinerlei Aeußerung, warum schweigt die Lokalabteilung des Landwirtschaftlichen Vereins für Rheinpreußen hierüber und warum äußern sich die Landwirtschaftskammer der Rheinprovinz und deren Sonderausschüsse bezw. deren Hauptvorstand nicht in dieser vaterländischen Angelegenheit? Ein Landwirt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

  

Jede Verdeutschung von „Saison-Ausverkauf“ ist gesetzwidrig. Vielfach wird von der Geschäftswelt unter Ausmerzung des Fremdwortes „Saison“ statt „Saison-Ausverkauf“ ein Sommer-Ausverkauf oder Hauptzeit-Ausverkauf und dergl. angekündigt. Wenngleich die Bestrebungen zur Verdeutschung des Wortes Saison anzuerkennen sind, so ist doch darauf hinzuweisen, daß das Wettbewerbgesetz ausdrücklich den Gebrauch des Wortes „Saison“-Ausverkauf vorschreibt, und daß eine Verdeutschung unzulässig und strafbar ist, solange das Gesetz nicht geändert ist. Eine vor einigen Wochen in einer Reihe von Tageszeitungen zum Abdruck gekommene Mitteilung, nach der statt der Bezeichnung „Saison-Ausverkauf“ eine andere den Sinn treffende Bezeichnung gewählt werden dürfe, ist falsch. So hat auch das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Strafurteil sich gegen diese Auffassung verwendet. Neuerdings hat auf Anfragen der Polizeipräsident von Berlin jede Verdeutschung des Wortes Saison-Ausverkauf als gesetzwidrig erklärt und ebenso hat die Handelkammer Bielefeld einer Firma den Gebrauch der Bezeichnung Hauptzeit-Ausverkauf untersagt, da sie den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht. Das Gesetz verknüpft mit dem Begriff Saison-Ausverkauf bestimmte Freiheiten von sonst für Ausverkäufe vorgeschriebenen Erschwerungen, gestattet diese aber nur, wenn diese Ausverkäufe als Saison-Ausverkauf angekündigt werden. Es ist daher allen Geschäftsleuten zu raten, sich auf den Boden des Gesetzes zu stellen, da sie sonst Gefahr laufen, wegen unlauteren Wettbewerbes bestraft zu werden.

Wir bekommen bald auch Kriegs-Seife, übet welche die Hausfrau sich ebenso leicht hinwegsetzen wird, wie über das Kriegs-Brot. Sie darf eben nicht vergessen, daß sie im Kriege nicht dasselbe von der Seife verlangen darf, wie im Frieden. Die Seife muß weicher werden als früher. Sie kann auch nicht mehr die gewohnte schöne Farbe haben. Sie wird auch teurer werden. Die deutsche Seifenindustrie wird sich aber hier auch zu helfen wissen, wenn die deutsche Hausfrau ihre bisherigen Ansprüche an Farbe und Härte der Seife etwas zurückschraubt. Eine weichere Kernseife kann denselben Waschwert haben wie eine ganz harte. Und auf den Waschwert kommt es nur an. Trifft also die Hausfrau bei ihrer gewohnten Seife auf ein abweichendes Aussehen, so denke sie an Kriegs-Brot und Schützengräben. Dann wird sich der gute Wille, auch mit Kriegs-Seife fertig zu werden, schon von selbst einstellen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten