Montag, 12. Juli 2015

   

Godesberg, 12. Juli. Für die Verwundeten und Genesenden in unseren Reservelazaretten hatte die hiesige Verwaltung vergangene Woche zwei Rheinfahrten bis nach Boppard veranstaltet. Die Teilnehmerzahl betrug jedesmal über 300, darunter waren etwa ein Viertel Bürger aus Godesberg. Beide Fahrten nahmen einen schönen Verlauf und hinterließen bei unseren dankbaren Feldgrauen einen tiefen Eindruck. Am Deutschen Eck zu Koblenz hielt beidemale der begleitende Chefarzt, Geh. San.-Rat Dr. Brockhaus aus Godesberg, eine patriotische Ansprache an die Fahrtteilnehmer. Die Soldaten hatten freie Verpflegung auf dem Schiffe. In Boppard war Kaffeetrinken. Schiff und Musik waren von der Gemeinde Godesberg gestellt, für die Beköstigung war durch frühere Sammelfonds hinreichend gesorgt worden. Auf der ersten Fahrt hatte Herr Dechant Dr. Winter ein Hoch auf unsere tapferen Feldgrauen ausgebracht. Bei der zweiten Fahrt tat dies Herr Bürgermeister Zander. Beim Einlaufen des Schiffes am Abend erstrahlte das Rheinufer in bengalischer Beleuchtung.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz“)

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 12. Juli 1915Vom Bonner Wochenmarkt. Von einer Hausfrau wird uns geschrieben: „Die Teuerung auf dem Bonner Wochenmarkt hat derart zugenommen, daß wir Bonner Hausfrauen kaum noch in der Lage sind, Gemüse und Obst zu kaufen. Nur ganz wenigen Familien, die über außergewöhnliche Einnahmequellen verfügen, gestatten es die jetzigen Preise noch, die für die Ernährung so außerordentlich wichtigen Gemüse zu kaufen, und auch von ihnen wird Obst weit weniger eingekauft, als in sonstigen Jahren. Am vergangenen Freitag konnte man beobachten, daß viele Hausfrauen weder Gemüse noch Obst einkauften. Es scheint sich auch hier allmählich bei den Hausfrauen das stillschweigende Uebereinkommen herausgebildet zu haben, durch einen Obst- und Gemüsestreik die Preise wieder auf eine natürliche Grenze herabzudrücken. Auch auf dem Kölner Wochenmarkt sollen die Hausfrauen ähnlich vorgehen, um sich ihrer Haut bezw. Ihre Portemonnaies zu wehren. Bitter Not täte es, daß auch in Bonn ein städtischer Gemüseverkauf eingerichtet würde, damit vom bürgerlichen Tisch das Gemüse nicht zu verschwinden brauchte, wie das jetzt tatsächlich immer mehr der Fall ist.“

 Als Kriegsfreiwilliger war ein junger Mann von hier auf einem Freifahrschein nach Kiel gefahren, um bei der Marine einzutreten. Er war nicht angenommen worden und lernte auf der Rückfahrt nach Bonn eine Gesellschaft junger Burschen kennen, denen er sich anschloß und mit denen er gemeinschaftlich auf einer Reihe von Bahnhöfen im Industriegebiet Diebstähle verübte. In Paderborn wurde er dem Amtsgericht zugeführt, aber wieder entlassen. Ein zufälliges Alleinsein in der Gerichtsschreiberei benutzte er dazu, um von dem Gerichtssiegel eine Anzahl Abdrücke auf Papierblätter zu machen und einen Stempel zu stehlen, mit dem er weitere Freifahrtscheine ausstellte. In Düsseldorf wurde er schließlich von der Bahnhofswache verhaftet. Die Strafkammer verurteilte ihn am Samstag zu einer Gefängnisstrafe von drei Monaten, stellte ihm aber die bedingte Begnadigung in Aussicht.

Anzeige im General-Anzeiger vom 12. Juli 1915Wegen Vergehens gegen die Bäckereiverordnung standen am Samstag eine Anzahl Bäcker vor der Strafkammer. Eine Inhaberin eines Bäckereigeschäfts aus Beuel hatte einer Familien, die das ihr zustehende Brot für eine Woche schon erhalten hatte, Samstags trotzdem noch ein Brot abgegeben und es für die nächste Woche eingetragen. Da sie schon einmal wegen Vergehens gegen die erwähnte Verordnung verurteilt war, erkannte die Strafkammer am Samstag gegen sie auf 50 M. Geldstrafe. – Ein Bäckermeister aus Königswinter hatte Brot mit dem Stempel des folgenden Tages versehen und zum Verkauf bereit gelegt. Er behauptete vor der Strafkammer, er habe sich geirrt. Seine Ehefrau, die vor kurzem wegen des gleichen Vergehens vor der Strafkammer stand, hatte erklärt, sie hätten bessere Kundschaft und die wolle kein altbackenes Brot. Nach der Verordnung darf das Brot erst am zweiten Tage, nachdem es gebacken ist, verkauft werden. Die Strafkammer nahm an, daß der Bäcker nicht aus Irrtum, sondern absichtlich gehandelt hat und verurteilte ihn zu 100 Mark Geldstrafe.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)