Mittwoch, 7. Juli 1915

Anzeige im General-Anzeiger vom 7. Juli 1915Der Bonner Wehrbund zog vergangenen Sonntag mit seinen Abteilungen zum Tannenbusch, um einen Schützengraben auszuwerfen. Der Uebung wohnten bei im Auftrage der Regierung die Herren Geheimrat Rodewald, Hauptmann Vieth, Turninspektor Graf und als militärischer Vertrauensmann Hauptmann a. D. Dr. Quinke, die den Ausschuß bilden, der mit der Ueberwachung der militärischen Vorbildung der Jugend im Regierungsbezirke Köln betraut ist. An der Uebung beteiligten sich 110 Jugendliche. Es hätte die achtfache Zahl sein können, wenn die durch die Not des Vaterlandes durch den Kriegsminister veranlaßte Einrichtung der Vorbereitung in allen Kreisen der Bevölkerung, wie es die Lage gebietet, ernst und tief aufgefasst würde. In kurzer Zeit war von der geübten Mannschaft, die mit Eifer arbeitete, der Schützengraben ausgeworfen, auf den dann ein Sturm unternommen wurde. Nach der Uebung hielt Herr Hauptmann Vieth einen eingehenden, belehrenden Vortrag über das Anlegen und die Einrichtung eines Schützengrabens, sowie die Art der bedeckten Annäherung durch Kriechen. Nachdem auch Herr Hauptmann a. D. Dr. Quinke mit liebenswürdigen Worten den Führern für die Mühewaltung gedankt und sie zum Ausharren trotz vorhandener Schwierigkeiten ermahnt hatte, fuhren die Herren des Ausschusses nach Köln zurück. Die Jugendkompagnie, die sich so wacker betätigt hatte, zog mit Liederschall zum Kaiserdenkmal und brachte dort nach einer vom vaterländischen Geiste durchwehten Ansprache ein dreifaches Hoch auf Kaiser und Reich aus.

Beschlagnahmte Druckschriften. Ueber die Druckschriften „Der Hauptfeind im eigenen Lande“, „Die Mehrheit sagt“ und „Klassenkampf gegen den Krieg“, die ohne Angabe des Verfassers und des Druckers oder mit falscher Angabe erschienen sind, hat der kommandierende General des 8. Armeekorps wegen des aufreizenden Inhalts die Beschlagnahme verfügt.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   

Aus dem Fenster gestürzt. Heute morgen fiel ein Dienstmädchen in einem Hause an der Auguststraße aus dem Fenster und verletzte sich so erheblich, daß es in einem Wagen der Sanitätskolonne zur Klinik gebracht werden mußte.

Anzeige im General-Anzeiger vom 7. Juli 1915Auf dem Bonner Wochenmarkt zeigten die gestern angebotenen frischen Gemüse bei reichem Absatz eine geringe Preisverschiebung. Rotkohl und Weißkohl kosteten 25 bis 40 Pfennig. Dicke Bohnen, die viele Feinschmecker in Verbindung mit gewissen Seiten des in der Kriegszeit seltener gewordenen fetten Borstentieres als leckeres Gericht betrachten (Und das mit Recht! Anm. des Setzerlehrlings), waren ebenso wie Erbsen im Preise erfreulich unverändert. Dagegen zeigten die verschiedenen Arten Strauchbohnen eine gewisse Preissteigerung. Holländische Gurken und Möhren wurden so lebhaft angeboten, daß sie im Preise sanken. Eine merkwürdige Preisbewegung zeigt in diesem Sommer das Obst. Obwohl auch gestern Kirschen, Waldbeeren, Johannistrauben und Himbeeren in großen Mengen zum Kauf angeboten wurden, war doch eine allgemeine Preissteigerung hierfür zu beobachten. Es wäre interessant, der Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung nachzugehen. Da die Obstliebhaber und Obstkäufer infolge des Krieges sich beträchtlich verringert haben und andererseits ein gutes Obstjahr zu verzeichnen ist, so müßte nach dem bekannten volkswirtschaftlichen Grundsatz, daß das Verhältnis von Angebot und Nachfrage eine natürliche Einwirkung auf den Preis hat, im Hinblick auf das Verhältnis zu der verringerten Zahl der Konsumenten stark angewachsene Angebot der Obstpreis eigentlich gesunken sein. Oder sollte hier etwa der alte Grundsatz: „Was verfault, verdirbt den Preis nicht“ Geltung haben? Zum Angebot gelangten auch Kopfsalat und Endiviensalat, und zwar zum Preise von 8 – 10 Pfg., bzw. 10 – 15 Pfg.
  
Auf dem Schnittblumenmarkt wurden nur vereinzelt Rosen, dagegen hauptsächlich Nelken angeboten.
   Ein eigenartiges Preisverhältnis zeigte sich auch beim Kartoffelangebot. Während für alte Kartoffeln 7 Pfg. pro Pfund gefordert wurde, kosteten diessommerliche Kartoffeln nur 9 und 10 Pfg. im einzelnen Pfund und 8 Mark im Zentner.
   Unsere Hühner sind jetzt ein begehrter Gegenstand, wie Karlchen Miesnick in seinem Schulaufsatz sagen würde, denn das Erzeugnis dieser lieben Haus- und Hofgenossen, nämlich die frischen Eier, kosteten auf dem gestrigen Wochenmarkt bei geringem Angebot 17 und 18 Pfg. das Stück, während Kisteneier mit 15 und 16 Pfg. berechnet wurden. Das Gackern lohnt sich also.
   Der Großverkauf auf dem Stiftplatz zeigte bei flottem Absatz durchweg Preissteigerungen. Die Produzenten, die aus der Umgegend Bonns dort ihre Erzeugnisse absetzen, können immer noch mit kaufkräftigen Abnehmern rechnen, was indirekt auch ein gutes Zeichen für die wirtschaftliche Lage der Konsumenten ist.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Ueber die Rücksichtslosigkeit eines Autofahrers berichtet uns ein Augenzeuge folgendes: Ein Auto kam in scharfem Tempo den Markt herunter gefahren, ohne Signale zu geben. Eine alte Dame, höhere Offizierswitwe, welche zwecks Einkäufen ihr Dienstmädchen als Begleiterin bei sich hatte, wäre nun beinahe von dem sausenden Vehikel überfahren worden. Das Mädchen riß sie im letzten Augenblick noch vor dem Auto weg, das doch auf dem weiten Marktplatze wahrhaftig Platz genug hatte, einer alten schwerfälligen Dame auszuweichen. Totenbleich und starr vor Schrecken schaute dieselbe dem davon schnaubenden Vehikel nach, dessen Insassen sich umdrehten und die Erschrockene auch noch höhnisch auslachten.

Anzeige im General-Anzeiger vom 7. Juli 1915Verwertung von Abfallfetten. Der Kriegsausschuß für pflanzliche Oele und Fette G.m.b.H. in Berlin hat einen Bericht über Fettgewinnung aus Spülwässern der Gastwirtschaften übersandt. Der Bericht prüft zunächst die Frage, ob die Errichtung einer Kriegsgesellschaft sich empfehlen möchte, um die Gastwirtschaften mit Fettgewinnungsapparaten (z. B. Fettabscheidern) zu versorgen und eine zentralistische Verwertung der Abfallfette zu ermöglichen. Nach diesem Berichte gewinnen schon jetzt die meisten wirklich bedeutenden Gastwirtschaften ihre Fettabfälle und verwerten sie durch Verkauf an Seifensieder und ähnliche Gewerbetreibende. Gleichwohl hält es der Berichterstatter für zweckmäßig, wenn zur Belebung der privaten Initiative auf die Wichtigkeit der Gewinnung von Fetten aus den Spülwässern aufmerksam gemacht und dadurch zu einer lohnenden Wiedergewinnung der Abfallfette angeregt werde.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

   

Höchstpreise für Petroleum.
Anzeige im General-Anzeiger vom 7. Juli 1915In Bestätigung frühere Meldungen können wir mitteilen, daß die Festsetzung von Höchstpreisen für Petroleum demnächst bevorsteht. Die Maßnahme bezweckt, auf einem weiteren wichtige Gebiete der wirtschaftlichen Versorgung die Verbraucher vor Ueberteuerung zu schützen und gleichzeitig durch angemessene Berücksichtigung der Interessen der Erzeuger und Händler die Beschickung des deutschen Marktes wirksam anzuregen. – Außerdem ist zur Deckung des Leuchtmittelbedarfs der Bevölkerung für den kommenden Winter eine vermehrte Heranziehung anderer Leuchtstoffe, so von Spiritus und Azetylen in Aussicht genommen. Durch Bereitstellung geeigneter Lampen sollen sie der Benutzung in möglichst großem Umfange zugeführt werden.

(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)