Samstag, den 3. Juli 1915

 

240 Verwundete der hiesigen Lazarette unternahmen gestern eine Dampferfahrt mit dem Moseldampfer „Prinz Heinrich“, den der Oberpräsident der Rheinprovinz kostenlos zur Verfügung gestellt hatte und der von der Stadt Bonn, die auch für die Musik gesorgt hatte, festlich geschmückt worden war. Bei der Abfahrt wurden die Fahrtteilnehmer, unter denen sich viele in der Heilung begriffene Schwerverwundete befanden, von Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe begrüßt und mit Liebesgaben erfreut. Die Fahrt, bei der Herr Karl Henry als Delegierter des Roten Kreuzes die Leitung hatte, ging bis Andernach. Unterwegs wurden die Verwundeten von den Rheinufern mit Böllerschüssen und Tücherschwenken begrüßt und auf dem Schiffe selbst im Auftrage des hiesigen Vaterländischen Frauenvereins durch Herrn Hofwirt Rieck reichlich bewirtet. Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe erwartete das heimkehrende Schiff gestern abend in Königswinter und nahm an dem Rest der Fahrt noch teil. Zum Schluß der Fahrt, die allen Teilnehmern gewiß eine schöne Erinnerung bleiben wird, brachte Reservelazarettdirektor Oberstabsarzt Dr. Blanck ein Kaiserhoch aus.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. Juli 1915Der Bonner Wochenmarkt ist gegenwärtig sehr gut beschickt und bietet ein recht buntes Bild. Die Nachfrage nach den meisten Marktprodukten ist im allgemeinen zufriedenstellend. Die Preise sind der Kriegszeit entsprechend fast alle bedeutend höher als in früheren Jahren. An Gemüsen wurden gestern hauptsächlich holländischer Blumenkohl, Wirsing, Spitzkappus, Mangold und Rübstiel angeboten. Rotkohl war zum ersten Mal auch wieder da und kostete 15 bis 30 Pfg. das Stück. Dicke Bohnen sind im Preise gefallen, Erbsen kosten immer noch 25 bis 30 Pfg. das Pfund. Neue grüne Bohnen sind auch schon für 20 und 25 Pfg. das Pfund zu haben. Hiesige und holländische Möhrchen, Kohlrabien, Karotten, Radieschen, bayerischer Meerrettich, weißer Rettich, holländische frische Gurken, Rhabarber usw. sind ebenfalls in reichhaltiger Auswahl vorhanden. Die Ernte von Spargel und Erdbeer geht bereits ihrem Ende entgegen; sie wurden nur noch vereinzelt angeboten. An Obst bietet der Markt gegenwärtig große Auswahl in sauren und süßen Kirschen, das Pfund zu 30 bis 40 Pfg., worunter die bekannte Poppelsdorfer Schwarze eine der beliebtesten ist, ferner inWalderdbeeren, Waldbeeren zu 35 und 40 Pfg. das Pfund, canarischen und Jamaica-Bananen, Stück 20 Pfg., in Brüsseler Trauben, spanischen Apfelsinen, Johannistrauben, das Pfund 18 und 20 Pfg., und Himbeeren, das Pfund 35 und 40 Pfg.; letztere beiden Arten werden gegenwärtig von unseren Hausfrauen sehr viel zur Geleebereitung gekauft, die allerdings durch den jetzt herrschenden hohen Zuckerpreis und Zuckermangel erschwert ist. Auch Brüsseler Pfirsiche, Zitronen, holländische Tomaten und ägyptische Zwiebeln sind vorhanden. Kopfsalat kostet augenblicklich 8 bis 10 Pfg. das Stück, Endiviensalat ist auch wieder neu angekommen.
   Auch der Schnittblumen-Verkauf hat sich in der letzten Zeit sehr entwickelt. Es sind jetzt hauptsächlich die verschiendenartigsten Nelken, die zum Verkauf gelangen. Alte Kartoffeln kosten noch immer 7 Pfg. das Pfund, neue Kartoffeln halten andauernd im Preise und waren gestern im Zentner zu 8 Mk. und im einzelnen Pfund zu 9 und 10 Pfg. zu haben. Frische Eier stehen verhältnismäßig hoch im Preise, 17 und 18 Pfg. das Stück, Kisten-Eier 15 und 16 Pfg. Gute Butter kostet 1,70 und 1,80 Mk. das Pfund. An Geflügel bringt der Markt vorwiegend junge fette Hahnen und Hühner zu 2 bis 3 Mk. das Stück, Tauben zu 60 und 70 Pfg.
   Der Fischmarkt ist durchweg auch reichlich beschickt. Die Preise sind etwas höher als früher, aber im Verhältnis zu den hohen Fleischpreisen immer noch erträglich.

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. Juli 1915Das Barfußgehen und die Schule. Wie man uns mitteilt, hat der preußische Kultusminister folgende Verfügung erlassen: „Es ist zu meiner Kenntnis gekommen, daß kürzlich Kindern einer Landschule von ihrem Lehrer verboten worden ist, barfuß zur Schule zu kommen. Ein derartiges Verbot mag in Friedenszeiten in Fällen, in denen eine besondere Veranlassung vorliegt, gerechtfertigt sein. Während der Kriegszeit ist – zumal auf dem Lande und in ländlichen Verhältnissen – von einem solchen Verbot schon deshalb abzusehen, weil es den Eltern wegen der gesteigerten Preise nicht immer leicht fallen wird, ihre Kinder mit dem notwendigen Schuhwerk zu versorgen.

Ein angeblicher Sprachlehrer aus Antwerpen, der oftmals wegen Betrugs bestraft war, tauchte im November vorigen Jahres hier in Bonn auf. Er suchte mehrere Personen auf, um dort angeblich Töchter eines gefallenen Kriegsteilnehmers unterzubringen. Nachdem man über den Pensionspreis einig geworden war, verübte der Schwindler den bekannten Trick, daß er behauptete, er habe seine Börse vergessen, oder den Ueberzieher im Auto liegen lassen. Bei der einen Pensionsinhaberin erschwindelte er auf diese Weise 4 Mark, bei der anderen 10 Mark. Das Schöffengericht verurteilte ihn gestern zu 6 Monaten Gefängnis, worauf 1 Monat der erlittenen Untersuchungshaft angerechnet werden sollen. Inzwischen sit der Schwindler auch in Aachen wegen Betrugs zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

  

Der Katholische Frauenbund, Zweigverein Bonn, ruft seine Mitglieder für Freitag, den 8. Juli, abends 8¼ Uhr, zu einer Versammlung in den Dreikaisersaal, Kölnstraße. Frau Redakteur Joos aus München-Gladbach spricht über „Frauenaufgaben in der Kriegszeit“. Auf vielfachen Wunsch wird Herr Rechtsanwalt Henry über seine „Eindrücke von der Front“ berichten. Alle katholischen Frauen und Jungfrauen der Stadt sind zu der Versammlung herzlichst eingeladen. Es wird im Anzeigenteil der Zeitung nochmals darauf hingewiesen werden.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Kriegsspenden
Auf der Suche nach wirksamen Werbemitteln für ihre Kriegsspende sind die Wiener auf den eigenartigen Gedanken gekommen, ihren Zeitgenossen Gelegenheit zu geben, ihre Spenden für die verschiedenen Kriegsspenden gewissermaßen öffentlich anzunageln. Sie haben eine Ritterfigur in Holz anfertigen und aufstellen lassen, der durch Eintreiben von silbernen und goldenen Nägeln noch ein Panzer angelegt werden soll. Jeder, der sich an dieser Nagelung beteiligen will, hat für die Kriegshilfe einen bestimmten Beitrag zu unterle­gen. Das jeder fremden Idee leicht zugängliche Köln hat den Gedanken sofort aufgegriffen und einer seiner oberen Tausend hat nun für seine Vaterstadt die Figur des geschichtlich denkwürdigen Kölnischen Bauern in Holz anfertigen und vor dem Gürzenich aufstellen las­se, wo nun jeder, der seinen Obulus opfert, auch seinen Nagel eintreiben kann. Die einge­triebenen Nägel sollen den Panzer der auch sonst wehrhaften Figur vorstellen. Die Figur selbst soll die Wehrkraft der Stadt darstellen.
   Die von Wien ausgegangene und von Köln alsbald aufgenommene Anregung ist inzwi­schen auch in anderen deutschen Städten aufgenommen worden. Auch in Bonn soll ir­gendeine Figur zum Besten unserer Kriegsspende „vernagelt“ werden. Anscheinend ist man sich aber noch nicht klar, welche Figur dazu herhalten soll. In der „beliebtesten“ und „weitest“ verbreiteten Zeitung am Platze, im „General-Anzeiger“, hat nun ein Ueberpatriot vorgeschlagen, den englischen Außenminister Sir Edward Grey hier „vernageln“ zu lassen und die Redaktion des Blattes hat den Gedanken gar nicht zu übel gefunden. Im „Sprech­saal“ des Blattes tritt nun auch ein „Deutscher Mann“ für Greys „Vernagelung“ ein und glaubt, unser „geheiligter Haß“ werde „bei dieser Gelegenheit gegen den König aller Kriegshetzer in hehrer würdiger Weise der ganzen Welt in bleibende Erinnerung gebracht werden.“ Mich wundert, daß der Vorschlag nicht nur bei der Redaktion des Blattes, son­dern auch noch bei einem „Deutschen Mann“ überhaupt Zustimmung finden konnte. Ganz abgesehen davon, daß Grey ohnehin schon so „vernagelt“ war, den Krieg gegen uns an­zuzetteln, können wir Deutschen zurzeit uns doch keinen besseren Außenminister in Eng­land wünschen, als eben diesen Grey, dem jedes politische Augenmaß fehlt und der au­ßerdem auch etwas augenleidend sein soll. Seine Dummheiten fallen für uns schwer ins Gewicht. Wir haben aber durchaus keinen Grund, ihn als Helfer in unserer Not zu verherr­lichen. Und das sollen die Figuren doch, die zur „Panzerung“ öffentlich aufgestellt werden. Der Panzer ist ein Teil der Rüstung, die der Figur zu unserem Schutz angelegt werden soll. Die Figur ist also der Stadtgeschichte zu entnehmen, deren Urbild sich irgendwie um die Stadt verdient gemacht hat. Irgendwer wird doch vorhanden sein. Schlimmstenfalls kanns auch ein Roland sein, den doch jedes Kind als Verteidiger deutscher Ehr' und Wehr' verehrt. Unter allen Umständen aber ist ein Deutscher zu wählen, dem wir den Schutz un­serer Kriegsspenden anvertrauen. Darum wählte Wien seinen Ritter und Köln seinen Bauer; in anderen Städten dürfte ähnlich gewählt werden. Jedenfalls darf durch die Auf­stellung solcher Figuren in der Auffassung kein Zwiespalt herrschen; sonst könnten sie gar zu leicht dem Gespötte verfallen.
   Im allgemeinen bin ich freilich der Ansicht, daß zur Kriegshilfe jeder spenden soll, der nur eben in der Lage dazu ist, auch ohne äußern Anreiz. Leider gibt’s aber auch viele, die solcher Anregung bedürfen, oder denen es Spaß macht, ihre Spenden öffentlich anzugeben, wie die Erfahrungen in Wien und Köln dartun. Und für die wünsche auch ich recht bald etwas zu „vernageln“, aber keinen Grey, der uns – beiläufig ganz unter uns gesagt -, nur lächerlich machen würde.
Urban

(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)