Mittwoch, 21. April 1915

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 21. April 1915Der Bonner Wehrbund zog am verflossenen Sonntag zum Tannenbusch, um dort seinen Mitgliedern Gelegenheit zu geben, sich im Auswerfen eines Schützengrabens zu üben. Nachdem der Leiter der Uebung, Herr Geheimrat Brinkmann, in einem Vortrag Mitteilung über die verschiedenen Formen der Schützengräben und ihre Anlage gemacht hatte, wurde unter seiner kundigen Leitung zur praktischen Arbeit übergegangen. Es handelte sich um den Bau eines Schützengrabens von 32 Meter Länge. Mit löblichem Eifer und mit einem Geschick, als ob es sich um eine langgeübte Tätigkeit handele, wurde von der ersten Arbeitskolonne frisch mit dem Spaten an die Arbeit gegangen. Nach je 5 Minuten Tätigkeit wechselten die Kolonnen und bald war ein Graben für kniende Schützen hergestellt, der alsdann in der Fortsetzung der Arbeit in einen solchen für stehende Schützen vertieft wurde. Zahlreiche Zuschauer sahen der Arbeit der wackeren Jugend zu, die das Streben hat, sich zu tüchtigen Verteidigern des Vaterlandes auszubilden. Um den Zuschauern das bild eines Kampfes um den Schützengraben – in unblutiger Form natürlich – zu geben, wurde ein Sturm auf den Schützengraben unternommen. Nach Beseitigung des Schützengrabens wurde eine Besichtigung der vom Militär in vortrefflicher Weise angelegten Schützengräben, Unterstände, Wolfsgruben und Drahtverhauen vorgenommen und Sang zur Stadt zurückmarschiert. Die Führerschaft des Wehrbundes ist eifrig bestrebt, die von ihr übernommene Tätigkeit im Dienste des Vaterlandes getreu nach den vom Kriegsministerium erlassenen Richtlinien durchzuführen. So erfolglos ist diese Tätigkeit nicht; denn viele Briefe von ehemaligen Mitgliedern des Wehrbundes melden, daß sie nicht nur militärische Fertigkeiten und körperliche Rüstigkeit ihrer Angehörigkeit zum Wehrbund zu verdanken haben, sondern auch manche Erleichterung im anstrengenden Dienst.

Ueber den Fremdwörterkrieg sprach gestern Herr Oberlehrer Professor Dr. Tesche im Zweigverein Bonn des Allgem. Deutschen Sprachvereins. Redner führte in seinem fesselnden Vortrage aus, daß der Weltkrieg auch das Gute habe, daß er aufräumt mit den vielen unnützen Fremdwörtern. Es ist eine Pflicht der vaterländischen Gesinnung, sich an der Sprachreinigung zu beteiligen. Die Bestrebungen des Sprachvereins gingen nicht soweit wie die Absichten der sogenannten Puristen. Fremdwörter sind in die deutsche Sprache gekommen mit den Römern. Da haben die Deutschen sich aber noch die fremden Ausdrücke mundgerecht gemacht, wie es die Soldaten im heutigen Krieg noch tun. Zur Zeit des höfischen Gesanges herrschte der französische Einfluß vor, und im Zeitalter des Humanismus kam ein ganzer Strom lateinischer Wörter in die deutsche Sprache. Unter Ludwig XIV. gehörte es zur Bildung, französisches Wesen anzunehmen. Aus der Zeit stammen auch die vielen Fremdwörter, die wir heute in den verschiedensten Berufen haben, im Heer, in der Diplomatensprache, in der Kunst, in der Buchdruckerkunst, in der Kaufmannssprache. Es ist den Deutschen ja eigentümlich, mit Vorliebe fremdes Wesen in sich aufzunehmen. Doch haben immer wieder Männer gegen das Fremdwörterunwesen geeifert: Opitz, Logau, Lessing, Fichte, die Anzeigen im General-Anzeiger vom 21. April 1915Romantiker, Gebr. Grimm. Durch das Fremdwort wird häufig die Klarheit und Wahrheit verwischt durch falsche Anwendung, ferner daß dem Volke die eigentliche Bedeutung des Wortes unbekannt ist: Stadion, Olympiade, Psyche. Das Fremdwort soll viel schöner sein, sagen die Freunde des Fremdwortes. Dies ist nicht richtig, denn es stellt das erste Grundgesetz unserer Sprache, das Betonungsgesetz auf den Kopf, dadurch, daß es die letzte Silbe betont, wie bei den Wörtern mit der Endsilbe „tät“. Auch die Zwitterwörter halb deutsch, halb fremd, sind vom Uebel. Das Fremdwort drückt den Begriff auch nicht klarer aus als das deutsche. Dann hindert es auch die allgemeine Verständlichkeit durch seine Vieldeutigkeit: Karton, Regal, Komposition usw. Durch diese Vieldeutigkeit leistet das Fremdwort auch der Denkträgheit Vorschub. Es ist auch nicht kürzer als der deutsche Ausdruck, kein unentbehrliches Verkehrsmittel und vor allem kein internationales Bindemittel, denn es hat uns nicht vor diesem Kriege schützen können. Im Gegenteil bringt uns die häufig falsche Anwendung nur Spott und Hohn ein.
   Wie kann das Fremdwort beseitigt werden? Nicht durch Uebersetzung allein, denn in den meisten Fällen kann nur der Sinn wiedergegeben werden. Aus dem so reichen Wortschatz der deutschen Sprache muß ein Wortvorrat geschaffen werden. Da sind vor allem die Mundarten, die Fachsprachen, die reiche Quellen bieten. Alte, früher gebrauchte Worte müssen wieder eingeführt werden, wie es geschehen ist mit Hort, Heim. Durch Neubildung kann zur Bereicherung beigetragen werden, wie die Bildungen mit den Endsilben ling, schaft, heit, keit, ei, sam, haft usw.
   Manches ist schon in der Sprachreinigung geleistet worden, aber jetzt erst ist die rechte Gelegenheit, daß es ernst werden kann damit, jetzt da von unten heraus, da das Volk die Sprachreinigung verlangt. Liebe und Verständnis für unsere deutsche Muttersprache muß immer mehr wachsen; dadurch wird auch das deutsche Volksbewußtsein gestärkt. Der Allgemeine Deutsche Sprachverein mit seinen Sprachberatungsstellen ist der rechte Ort, wo man Rat, Belehrung und Anregung erhält, um zum Ziele zu gelangen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten")

   

Das erste frische Grünfutter wurde in geschützten Lagen in den letzten Tagen bereits geschnitten. Futtergerste und Futterroggen sind 30 bis 35 Zentimeter hoch geworden und stehen recht dicht. Sie bilden für Rindvieh und Ziegen ein begehrtes und milchtreibendes Grünfutter, welches jedoch nicht lange anhält, da die Felder für andere Bestellungen rasch freigemacht werden müssen.

Wegen Uebertretung der Bäckereiverordnung hatten sich gestern wieder 28 Bäcker und Mehlhändler aus Bonn und Umgegend vor dem Schöffengericht zu verantworten. Die meisten hatten die alle 10 Tage einzureichende Bestandanzeige nicht gemacht. Ein Bäcker hatte Brot, das bekanntlich 24 Stunden alt sein muß, schon vorher verkauft. Er wurde mit einer Geldstrafe von 60 Mark belegt. Die übrigen kamen meistens mit einer Geldstrafe von 30 – 40 Mark davon. Mehrere Frauen, deren Männer im Felde stehen, wurden unter Berücksichtigung dieses Umstandes zu Geldstrafen von 10 Mark verurteilt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Godesberg, 20. April. Der Milchpreis ist jetzt hier trotz der sehr günstigen Futteraussichten sogar auf 26 Pfennig pro Liter gestiegen. Bei Beginn des Krieges stand der Preis auf 20 Pfennig.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und fern“)

Friesdorf. Die offene kleine Glashalle an der Haltestelle Friesdorf bietet keinen genügenden Schutz gegen Straßenstaub und kalte Winde, und die Arbeiter der Fabriken an der Friesdorferstraße, dem Schlachthause und dem Güterbahnhofe haben auch Anspruch auf eine Bedarfhaltestelle an der Wurzerstraße. Der Wunsch möge an zuständiger Stelle berücksichtigt werden. Ein Freund der Arbeiter.

Teure Briketts. Daß jetzt viele Lebensmittel und Gebrauchsartikel teurer sind als in Friedenszeiten, ist bekannt, daß aber in anderen Bezirken viele Sachen billiger sind als hier, dazu liegt doch meines Erachtens kein Grund vor. So z.B. die Briketts. Hier in Bonn verlangt man augenblicklich für den Zentner 95 Pfg. und sogar 1,00 Mark. In Köln wird der Zentner Briketts für 80 Pfg. frei ins Haus geliefert. Man sollte doch sagen, daß das, was die Kölner Händler können, auch den Bonnern möglich sein muß. An höherer Fracht kann dieser Mehrpreis doch nicht liegen, denn die Entfernung der Braunkohlewerke ist von Bonn fast gerade so weit, wie auch von Köln. J.B.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

  

Die Viktoria-Lichtspiele haben bis heute 12.450 Mark Goldgeld gesammelt und gegen Papiergeld bei der Reichsbank und anderen Bankinstituten eingetauscht. Jeder Besucher, der mit einem Goldstück bezahlte, erhielt einen Platz frei, gleichwohl manches Programm mit ganz erheblichen Kosten bezahlt worden ist, und besonders an Sonntagen durch die Fortgabe solcher Freiplätze mancher Platz durch zahlende Besucher nicht besetzt werden konnte.

Schenkt leere Obsteimer, Steinkruken und Gläser! Man schreibt uns:
   An die Hausfrauen Bonns ergeht hiermit die Bitte, durch Schenkung obiger Artikel es zu ermöglichen, daß neue Marmelade eingekocht werden kann, die dem bald fühlbar werdenden Mangel an Apfel- und Pflaumenkraut abhelfen soll. Es ist dies eine aus Apfelsinen und Möhren hergestellte Marmelade, welche in Köln sich eines großen Absatzes erfreut und zum niedrigen Preis von 0,45 Mk. bezogen werden kann. Der Vorstand „der hauswirtschaftlichen Kriegshilfe“ will daher diesen Versuch machen und bittet die Hausfrauen um ihre tatkräftige Unterstützung, zunächst in der Mobilmachung von Eimern, Kruken und Gläsern, sodann um den nötigen Absatz.
   Die leeren Behälter sind an das Volksheim (Thomastraße 1) abzuliefern, wo auch der Verkauf stattfindet.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten")