Donnerstag, 15. April 1915  

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 15. April 1915Der Ausschuß zur Verteilung von Lesestoff im Felde und in den Lazaretten (Geschäftsstelle Berlin, Reichstagsgebäude) teilt uns mit, daß immer mehr Ansprüche an ihn gestellt werden. Der Gesamtausschuß hat nach der Befriedigung aller Stellen in der Heimat jetzt sein Augenmerk darauf gerichtet, die Versorgung der Truppen im Felde fort- und durchzuführen. Gibt es doch kein besseres Mittel, um die Nerven, die in diesem Kriege in allererster Linie angegriffen, ja abgenutzt werden, zu beruhigen und zu erhalten und zugleich unsere wackeren Kriegern, die Leben und Gesundheit für uns in die Schanze schlagen, reichen Gewinn für Leib und Seele, Herz und Verstand mitzugeben, als die Darreichung guter Bücher, an denen sie sich erquicken und erbauen, aus denen sie aber auch lernen und sich weiterbilden können. Noch fehlen aber die Mittel, um die in Betracht kommenden Bücher zu den bereits in Aussicht gestellten Vorzugspreisen vom Buchhandel abzukaufen. So bittet denn der Gesamtausschuß zurr Verteilung von Lesestoff (Geschäftsstelle Berlin, Reichstagsgebäude) recht herzlich und dringend um Ueberlassung recht vieler und recht reichlicher Spenden zur Durchführung dieser seiner so bedeutsamen Liebes- und Kulturarbeit.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   

Die ersten Schwalben sind da. Gestern und vorgestern konnten vereinzelte über den Feldern und Gärten unserer Umgegend beobachtet werden. In früheren Jahren sah man schon Ende März lockere Flüge, besonders über den Flüssen und Bachniederungen unserer Heimat. Mitte April waren dann auch meist die Hauptschwärme da. Das trifft nach allgemeinen Beobachtungen für dieses Jahr nicht zu. Die Rückkehr der Schwalben hat sich dieses Jahr zweifellos verspätet.

Anzeige im General-Anzeiger vom 15. April 1915Die letzten Nebelkrähen haben uns verlassen. Noch in der vorigen Woche konnte man vereinzelte dieser Graukrähen in den Feldern am Rhein abwärts beobachten, wie sie noch scheinbar ungerührt vom Hauch des Frühlings ihrer Nahrung nachgingen. Auch sie hat jetzt der Heimattrieb in ihre Lande östlich der Elbe und nach dem Norden geführt – zum Nestbau und Familienleben.

Aerztliche Atteste bei kranken Schulkindern. Man schreibt uns: Da in diesen Tagen ein neues Schuljahr seinen Anfang nimmt, so entstehen auch gar leicht wieder die bekannten Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten über die Rechtsfrage ärztlicher Zeugnisse kranker Schulkinder gegenüber. In Beantwortung dieser Frage ist festgestellt, daß über die Zulässigkeit ärztlicher Atteste für längere oder kürzere Zeit andauernde Befreiung der Schulkinder vom Unterrichte bezw. über die Entschuldigung stattgehabter Schulversäumnisse die lokale Schulbehörde, also Schuldeputation oder Schulvorstand zu befinden hat. Ebenso erfolgt die Zurückstellung von Schulkindern vom Schulbesuche infolge von Schwächen und Gebrechen gleichfalls durch den Schulvorstand, nicht etwa durch den Arzt, da ersterer die gesetzliche Behörde, letzterer nur eine Privatperson darstellt. Der Arzt, in der Regel der Hausarzt, stellt aufgrund seiner Untersuchung das Zeugnis der Unfähigkeit des Kindes aus, aber nur die Lokalschulbehörde kann die rechtliche Entbindung oder einstweilige Zurückstellung des Kindes vom Schulbesuche ausstellen. Selbst da, wo ein besonderer Schularzt amtiert, wie dies in größeren Städten fast regelmäßig der Fall ist, bleibt auch für die rechtliche Wirkung seiner Verordnung die Schulbehörde zuständig, wenn auch beide, wie es gewöhnlich der Fall ist, Hand in Hand gehen.

Sanitätshunde. Nachdem schon viele Sanitätshundeführer mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet worden sind, hat nun auch ein Bonner Führer, Herr Hotelbesitzer Theodor Lauer aus Königswinter diese Auszeichnung erhalten. Aus dem Bericht über die Leistungen der Bonner Führer und Hunde bei seiner Sanitätskompagnie kann folgendes mitgeteilt werden.
  
Im heftigsten feindlichen Feuer suchten wir das Sturmgebiet ......... ab. „Coro“ rettete zwei Schwerverwundeten das Leben. Dieselben lagen schon 18 Stunden abseits und wären wohl nicht oder zu spät gefunden worden. Es war eine besondere Freude, daß ein „Bonner Hund“ sich so auszeichnete, denn die Rivalität ist ziemlich scharf. Lobend muß anerkannt werden, daß die „Bonner“ in Bezug auf Achtung und Ansehen an erster Stelle stehen.
   Auch von anderen Sanitätskompagnien sind solche lobenden Anerkennungen bei der hiesigen Meldestelle eingegangen, die den Führern, aber auch der Leitung das beste Zeugnis ausstellen.
   Leider sind die meisten Bonner Führer infolge des Stellungskrieges noch zur Untätigkeit gezwungen, aber auch diese hoffen, ihre langersehnte Tätigkeit noch zu finden.

 (Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Kinder in Uniform. Ich befinde mich auf einem Erholungsurlaub in meiner Heimat Bonn, nachdem ich acht Monate direkt im Felde gestanden habe. Am ersten Tage meines Hierseins fiel mir sofort auf, daß sehr viele Kinder in Uniform, sogar solche mit Offizierachselstücken, herumlaufen. Als altgedienter Mann ist es ganz selbstverständlich, daß jeder Vorgesetzte gegrüßt werden muß. Aber wie beschämend ist es für einen alten Soldaten, wenn er z. B. einem solchen verkleideten Offizier plötzlich seine gewohnte stramme Ehrenbezeugung erweist und hinterher ausgelacht wird.
   So trete ich denn in ein Lokal und erblicke einen jungen Offizier. Ich war in einer peinlichen Verlegenheit, denn diesmal war es wirklich ein Offizier. Es wäre wirklich Zeit, daß diese Unsitte verboten würde. Unteroffizier M.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 15. April 1915Zwei Bitten! Eine Militär-Radfahrer-Abteilung auf dem westlichen Kriegsschauplatz, die ausschließlich aus rheinischen Soldaten besteht, bittet uns, bei unseren Lesern anzufragen, wer ihnen zur Verkürzung ihrer Mußestunden im Felde eine Geige und einige Niten geschenkweise überlassen würde. Sendungen werden an den Radfahrer Paul Serwotka, Radfahrer-Abteilung der 51. Reserve-Division, 26. Reserve-Armeekorps, erbeten.
  
Ein alter Landsturmmann bringt seine Bitte um Schutz gegen „himmlische Nässe“ in folgenden Vers: Hören Sie bitte mal bei Ihren verehrten Abonnenten, - Ob sich vielleicht der eine oder andere fände, - Der noch hätte in seinem Kleiderschränklein – Ein abgelegtes wasserdichtes Gummimäntelein.
   Wer den Wunsch des alten Soldaten erfüllen kann, wende sich an die Unteroffiziere des Wachtkommandos Lucherberg bei Düren.

Wenn man das Geld vertrinken wollte. Ein Bayer hat in der Liller Kriegszeitung ausgerechnet, daß der Betrag der Kriegsanleihe in Bier umgesetzt, das Glas zu 20 Pfg. gerechnet, 45.300.000.000 Glas Bier geben würde. Wenn ein Mann in einer Viertelstunde ein Glas Bier trinkt, müßte eine kriegsstarke Kompagnie (250 Mann) 5171 Jahre und 85 Tage trinken, um dieses Biermeer zu vertilgen. Als er diese Zahl vor sich sah, sagte er: Da mach’ ich erst gar nicht mit.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)