Freitag, 1. Januar 1915

 

Neujahr 1915
Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Januar 1915Das neue Jahr, das nun vor uns liegt, beginnt in einer Zeit, die ernst ist, blutig ernst und groß und schwer von Ereignissen. Ernster ist von denen, die jetzt leben, wohl noch niemals ein neues Jahr begonnen worden, als dieses Neujahr 1915. Alle die Glückwünsche, die man sich sonst zum Jahresbeginn mehr oder weniger fröhlich und mehr oder weniger gedankenlos zurief, sie scheinen uns jetzt ohne eigentlichen Sinn und ohne rechte Bedeutung, da wir in diesem Jahre nur einen Wunsch kennen: den Segenswunsch für unser deutsches Vaterland und unsere deutsche Heimat.
   In diesem Wunsche fühlen wir uns alle einig. Vor ihm schweigen die Wünsche, die der einzelne für sein persönliches Glück und Wohlergehen haben möchte. Und wie uns dieser eine heiße Wunsch für Deutschlands Sieg alle zusammenschmilzt und zu einer großen, unbezwinglich festen Gemeinschaft verbindet, so kennen wir jetzt alle auch nur das eine große Streben, zu dem wir uns heute bei Beginn eines Jahres von neuem feierlich bekennen: jeder einzelne muß mit allen Kräften getreu seine Pflicht tun an seinem Platze, auf daß Deutschland den Riesenkampf um seine Existenz siegreich beende.
   Draußen an den Fronten im Westen und Osten, an unseren Küsten, auf unseren Kriegsschiffen stehen Millionen und Millionen, von denen jeder einzelne gern und freudig sein Leben einsetzt, für sein Vaterland.
   An unsere Krieger draußen in den Schlachtfronten denken wir heute mit heißer Liebe und Dankbarkeit. Und wenn wir auch dank bar derer gedenken, die im Lande mit unermüdlicher Aufopferung ihre Pflicht tun, um nichts zu versäumen, was Deutschland in dieser schweren Zeit zum Segen sein könnte, dann ersteht vor uns das Bild eines Volkes, in dem jeder einzelne erwacht ist, zum treuen Pflichtbewußtsein seiner Aufgabe. Und ein unermeßlicher Schatz von Liebe, von Treue und Tapferkeit verklärt dieses Bild, dessen Erhabenheit man ehrfürchtig bewundern würde, auch wenn man nur ein fremder Zuschauer sein würde. Wir aber haben teil an diesem Bild, wir sind mitten drinnen, wir leben es und erleben es und das ist das Große und Herrliche, das den Anfang des Jahres 1915 verklärt und uns auch alles Schwere, Harte, Leidvolle, das so vielen von uns, ja, uns allen noch bevorstehen muß, in einem verklärten Lichte sehen läßt.
   Das Jahre 1915 fängt groß an. Möge es auch groß enden und glücklich!

Der Frauenbund der Deutschen Kolonial-Gesellschaft veranstaltet am 7. Januar 1915, nachmittags 4 Uhr, im Bürgerverein einen Kaffee für eine Anzahl Verwundeter, um denselben durch mancherlei deklamatorische und gesangliche Darbietungen namhafter Künstlerinnen und Künstler einige anregende und fröhliche Stunden zu bereiten. Alle Mitglieder des Vereins und alle Mitbürger Bonns werden auf die heutige Anzeige aufmerksam gemacht und um rege Beteiligung im Sinne der Veranstaltung gebeten.

Handtücher für unsere Kämpfer im Felde. Unsere Truppen sind bisher mit Handtüchern noch nicht planmäßig ausgerüstet worden. Wie der Chef des Sanitätswesen vom Großen Hauptquartier mitteilt, ist es erwünscht, die Liebestätigkeit auch auf diesen Gebrauchsgegenstand auszudehnen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Zum neuen Jahr. Wir sind stiller geworden, seitdem uns das große Prüfungsjahr 1914 geschüttelt, geläutert hat. Das Unruhige, Flackernde, das heftige Indentagleben, das wir – nicht ohne fremdländischen Einfluß – angenommen hatten, haben wir abgestreift wie einen Handschuh. Wir besinnen uns wieder auf uns selbst. Das spezifisch-deutsche Wesenselement ist in uns wieder wach geworden mit seiner besinnlichen Nachdenklichkeit, ruhigen Gleichmäßigkeit und hehren Festigkeit, die uns die Dinge, die an uns herantreten, - mögen sie gut oder böse sein – aus der richtigen Entfernung sehen, erfassen und beurteilen läßt. So geläutert, verabschieden wir uns von dem denkwürdigen Jahr 1914 und treten gefaßt ein in das neue Jahr.
   Was bringt uns das Jahr 1915? Von all den tausend heißen Wünschen, die dem neuen Jahr voranfliegen, hebt sich der eine brennende Wunsch klar hervor: der Wunsch nach Frieden. Kein fauler, vorschneller Friede, der uns vorübergehend in zweifelhafte Sicherheit einlullen könnte, sondern ein ehrenvoller Friede, der uns in alle Zukunft vor nachbarlichem Neid und Haß sichert. Ehe wir diesen Frieden nicht haben, wollen, werden und müssen wir aushalten, mag da kommen, was will. So lange wollen wir freudig jedes Opfer bringen, bis der letzte Feind niedergerungen ist. – All das kostbare Blut – wir denken an unsere Väter, Brüder, Söhne, an unsere Freunde, an alle, die uns nahestehen – darf nicht umsonst geflossen sein.
   So treten wir in das neue Jahr mit der felsenfesten Zuversicht, daß sich unsere deutschen Waffen, die sich bis jetzt so glänzend bewährt haben, auch fernerhin behaupten werden und daß unsere feldgrauen Helden trotz Not und Tod immer neuere, schönere Siege an ihre Fahnen heften werden, bis zu ruhmvollen Rückkehr aus Feindesland.
   So treten wir mit stolzer Zuversicht in das neue Jahr ein. Möge Gotte unsere Waffen segnen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 1. Januar 1915Zwangsweise Durchführung der Sparsamkeit mit Brotgetreide. Da in den Weihnachtstagen beobachtet werden konnte, daß die an die Bevölkerung gerichtete Mahnung, den Verbrauch der Backwaren zu beschränken, nicht die gebührende Beachtung gefunden hat, so sollen die bisher getroffenen Maßnahmen zur sogenannten Streckung unserer Getreidevorräte, wie wir hören, eine Verschärfung erfahren, insbesondere sowohl hinsichtlich des Zusatzes von Roggen- bzw. Kartoffelmehl zu Backwaren, als als auch hinsichtlich der stärkeren Ausmahlung des Mehles. Unbedingt erforderlich erscheint es außerdem, daß jedermann sich die strengste Sparsamkeit mit dem Brot zu Gewohnheit macht, namentlich seinen Verbrauch an Weißbrot und Kuchen einschränkt oder ganz darauf verzichtet.

Durch den Sturz eines Pferdes entstand heute vormittag in der Franziskanerstraße eine größere Verkehrsstörung. Fünf Wagen der elektrischen Straßenbahn und eine Anzahl Fuhrwerke mußten warten, bis die Feuerwehr (die sich wieder einmal als Mädchen für Alles bewährte) dem Gaul auf die Beine geholfen hatte.

Vaterländische Reden und Vorträge. Prof. Dr. Schumacher sprach am siebzehnten Abend über „Volksernährung und Krieg“. Die Aula des städtischen Gymnasiums war bis auf den letzten Platz besetzt.
   Es handelt sich heute um die wirtschaftliche Existenz des deutschen Volkes. Je glänzender die Erfolge des deutschen Volkes. Je glänzender die Erfolge unserer Waffentaten an der Ost- und Westgrenze sind, um so rücksichtsloser und frecher gehen unsere Feinde unter der Führung Englands ans Werk, alle Handelsbeziehungen Deutschlands zum Ausland zu unterbinden. Heute sind wir vom Weltmarkte sozusagen vollständig abgeschnitten und stehen in der Produktion unserer Lebensmittel ganz auf eigenen Füßen. (…) Die Forderungen, die Prof. Schumacher in 1 ½ stündiger, glänzender Rede für die Verselbständigung unserer Produktion erhob und auf Grund seiner hervorragenden volkswirtschaftlichen Kenntnisse begründete, lassen sich in folgende Punkte zusammenfassen: Urbarmachung des Heide- und Oedlandes und großer Anbau von Kartoffeln, Getreide und Gemüse, Massen-Herstellung von Dauerware, (…) Ausnutzung des Brotgetreides bis zu mindestens 75 Prozent, Sammlung und Verwertung von Küchenabfällen und Speiseresten für die Viehzucht, besonders für die Schweinezucht, Sparsamkeit in dem Verbrauch von Nahrungsmitteln, deren Rohstoffe uns durch den Krieg nicht mehr in den großen Mengen der Friedenszeit zugänglich sind. (…)
   Die Schwierigkeiten dieses Unternehmens verkennt Prof. Schumacher nicht. Er ist aber der Meinung, daß sie nicht allzu schwer zu überwinden sind, wenn sich mit dem guten Willen der Hausfrau und der Züchter der gute Wille der Behörde vereinigt. (…)
   Nur wenn alle Zuhausegebliebenen, besonders die Hausfrauen, sich der großen Bedeutung der Forderungen und Aufgab en dieser Kriegszeit bewußt sind und ihre Lebensweise entsprechend umgestalten, können wir beruhigt sein; Deutschland wird dann diesen Krieg wirtschaftlich ohne fremde Hilfe bestehen. Vielleicht wird dadurch der Krieg zu einer kleinen Entfettungskur an unserem Volk. Aber das wäre kein Nachteil. Unser große Fettverbrauch ist ja schon von medizinischer Seite als der Gesundheit nicht zuträglich beklagt worden. (…)

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)