Montag, 20. Juli 1914

Etwa seit Mitte des Monats verschwindet das Thema "Sarajewo" allmählich aus den Schlagzeilen. Stärker als mit der drohender Kriegsgefahr beschäftigen sich die Bonner Zeitungen mit dem Prozeß gegen Frau Caillaux, der am 20. Juli im Pariser Justizpalast begann. Frau Caillaux wurde beschuldigt ,Herrn Calmette, Direktor der Pariser Zeitung „Le Figaro", in seinem Büro mit einer Pistole tödlich verletzt zu haben. Calmette hatte in seiner Zeitung den Politiker Caillaux massiv angegriffen, aber auch die Liebesbriefe, die die noch verheiratete spätere Frau Caillaux an ihren Liebhaber, eben jenen Politiker, geschrieben hatte, veröffentlicht. Bis zu ihrem Freispruch am 29. Juli des Jahres war der Prozeß gegen Frau Caillaux Gegenstand ausführlicher Berichterstattung, der bisweilen mehr Raum gegeben wurde als den Nachrichten über die politische Lage in Serbien und Österreich-Ungarn. In Berliner amtlichen Kreisen, so berichtet die Bonner Zeitung am 20. Juli, rechne man jedoch mit einer kriegerischen Auseinandersetzung, hoffe aber auf eine „Lokalisierung des Konflikts".

 

Steckbrieflich gesucht wird von hier aus die 41-jährige Näherin Elisabeth Neuenhäuser wegen Diebstahl im Rückfalle.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Der Artillerie-Verein Bonn veranstaltete gestern nachmittag in den Gartenanlagen der Restauration Hülsmann zu Ippendorf ein Sommerfest, an dem etwa 500 Mitglieder mit ihren Familien teilnahmen. Der Vorsitzende, Kamerad Henden, begrüßte die alten Schwarzkragen und deren Angehörige recht herzlich und wünschte allen frohe Stunden. Für die Kinder war in ausgiebiger Weise durch Unterhaltungsspiele gesorgt. Bei einer Polonaise durch die Anlagen wurden die Kleinen mit Fahnen und Süßigkeiten beschenkt. Für die Großen waren Schießbuden usw. errichtet. Ein Trompeterkorps sowie die Sänger des katholischen Gesellenvereins sorgten für die musikalische Unterhaltung. Bei Eintritt der Dunkelheit begaben sich die Teilnehmer bei Lampionbeleuchtung zurück nach Bonn, wo im Hähnchen eine fröhliche Nachsitzung abgehalten wurde.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Wichtig für Auslandsreisende. Deutsche Reisende sind wiederholt im Auslande in große Unannehmlichkeiten geraten, weil ihnen die dort bestehenden Waffenverbote nicht bekannt waren oder weil sie sich über ihre Person nicht genügend ausweisen konnten. Es kann darum nicht dringend genug geraten werden, sich vor Antritt einer Auslandsreise mit einem Reisepaß zu versehen, mit dem man sich als deutscher Reichsangehöriger ausweisen und somit erforderlichenfalls den Schutz des nächsten deutschen Konsulats in Anspruch nehmen kann. Nähere Auskunft über die im Auslande bestehenden Waffenverbote erteilen die mit der Ausstellung von Reisepässen betrauten Behörden.

Allgemeines Aufsehen erregten dieser Tage in unserer Stadt zwei jugendliche Neger aus Kamerun, die in Postuniform von Haus zu Haus Telegramme abgaben. In denselben wurde auf das neue Nahrungsmittel „Melban“ (Das Mehl der Banane) aufmerksam gemacht. Den Sitten ihrer Heimat entsprechend sind die Neger trotz ihrer 17 und 19 Lenze schon verheiratet und haben Frau und Kind zu Hause zurückgelassen, um sich bei uns nützlich zu machen. Der jüngere der beiden Neger hat in Kamerun die deutsche Schule besucht und versteht es, sich in unserer Sprache geläufig auszudrücken.

 

Die Vaterländischen Festspiele haben gestern in den Gronauanlagen und auf dem Rhein zum siebenten Male stattgefunden. (…) Um 2 ½ Uhr nachmittags versammelten sich die Vereine auf dem Arndtplatz und marschierten um 3 Uhr in einem langen Festzug mit Musik am Rhein vorbei zur Gronau. Dort angekommen, hielt der Vorsitzende der Vaterländischen Festspiele, Herr Beigeordneter Dr. v. Gartzen folgende Ansprache:

„Mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen sind wir wieder hinausgezogen zum friedlichen Streit auf der weiten Au und den Wogen des Rheins. Hurtige Jünglinge und kraftvolle Männer treten wieder hinaus auf den Plan zum selbstlosen Kampf um den schlichten Kranz. Männer und Frauen, Knaben und Jünglinge aus allen Kreisen der Stadt, doch einig im Streben nach dem gemeinsamen Ziel: durch zielbewußte Leibesübungen ein wehrhaft Geschlecht zu erziehen.

Männer voll Arbeitslust und Arbeitskraft und, wenn es nottut, zum Schutze von Heim und Herd; furchtlos und treu, wenn auch die Wetterwolken drohen im Osten und Westen. Und sollte einst Feindeshand das zu zerstören wagen, was lange Friedensarbeit gebaut, dann werden auch Bonna’s Krieger kraftvoll sich um ihren Kaiser scharen, zu schützen der Väter stolzes Erbe; freudig bereit, zu siegen und zu sterben für ihr Vaterland und für ihren Kaiser, in dessen Sinne wir alle arbeiten an der Erstarkung unseres Volkes, der uns allen ein leuchtendes Vorbild selbstloser Hingabe und freudiger Arbeitskraft ist. Und wie alljährlich eilen wir auch heute zu den Endkämpfen, begeistert durch den Ruf: Unser Kaiser und König: Hurra!“

Hurra! Hurra! Hurra! Und „Heil Dir im Siegerkranz“ brauste es aus vielen hundert jungen Kehlen über den Rhein.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)