Donnerstag, 20. August 1914

 

Am 19. August hatten deutsche Truppen Brüssel besetzt. Die belgische Regierung war nach Antwerpen ausgewichen.
Die Bonner Zeitungen bejubelten dieses Ereignis auf den Titelseiten. Der Rückzug der 8. Armee aus Teilen Ostpreußens fand dagegen keine Erwähnung.

 

Eine Zentralstelle für Auskunftserteilung und für Hilfe jeder Art während der Kriegszeit wird im städtischen Anzeige im General-Anzeiger vom 20. August 1914Verwaltungsgebäude, Franziskanerstraße 91, Zimmer 23, Montag den 24. August eröffnet. Sprechstunden 9 – 12 und 3 – 5 an allen Wochentagen. Um die zahlreichen bereits bestehenden Fürsorgeeinrichtungen jeglicher Art zu gemeinsamer Arbeit zusammenzufassen und um alle Fälle der Kriegsfürsorge sachgemäß behandeln zu können, ist die Errichtung einer Zentralstelle ein dringendes Erfordernis. (...) Vereinigungen aller Art, Familien und Einzelpersonen, wetteifern, vorhandene oder vermeintlich vorhandene Not zu lindern. Alle in bester Absicht, doch vielfach ohne die nötige Vorsicht. Der missbräuchlichen Benutzung der Hilfsquellen ist damit Tür und Tor geöffnet. In zahlreichen Fällen ist sie bereits festgestellt worden. (...)

Eine Kriegsschreibstube ist in der Beethovenhalle für die dort untergebrachten verwundeten und erkrankten Soldaten eingerichtet worden. Hier werden vor allem Feldpostkarten, Feldpostbriefe und Feldpostanweisungen mit Aufschriften versehen, ferner werden Briefe für solche Personen geschrieben, die im Schreiben wenig geübt oder durch ihre Verwundung gehindert sind.

Erschossen wurde vorgestern nacht am Bahnhof ein Mann, der dem mehrmaligen Anruf des Postens nicht folgte. Er hatte sich der Aufforderung eines Bahnbeamten, den Bahnhof zu verlassen, widersetzt und versuchte nachträglich, als der Bahnbeamte den Stationsvorsteher rief, zu entfliehen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Holzdiebstähle. In den letzten Tagen haben im Wald, der zum größten Teil Privatbesitz ist, die Holzdiebstähle – es ist Anzeige im General-Anzeiger vom 20. August 1914Diebstahl, aus fremdem oder öffentlichem Eigentum Holz zu holen – derart zugenommen, daß es notwendig sein wird, den Wald besonders zu beaufsichtigen. Auch wird fortgesetzt über die Zunahme von Felddiebstählen geklagt. Wir machen darauf aufmerksam, daß die Diebe, wenn sie zur Anzeige gelangen, nach den Kriegsgesetzen bestraft werden.

Schüler als Truppenverpfleger. Zu unserer gestrigen Notiz über die Verpflegung der Wachtposten durch Gymnasiasten schreibt uns der Leiter der am Bahnhof tägigen Pfadfinder, daß die Versorgung vom Hülfsausschuß für durchfahrende Truppen geschieht. Während die Verteilung des Proviants am Morgen die Schüler vornehmen, wird sie abends und in der Nacht durch Pfadfinder ausgeübt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Gefühlsroheit. Man schreibt uns: Als gestern die Verwundeten möglichst behutsam aus der Straßenbahn zum Johannishospital gebracht wurden, lachte ein in den Jahren schon fortgeschrittenes Fräulein hell auf. Alle Umstehenden waren darob empört. Eine ältere Frau machte das Fräulein auf sein ungezogenes Benehmen aufmerksam, erhielt aber die freche Antwort, kümmern Sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten. Kommentar überflüssig.

Erschossen. Ueber den Vorgang am hiesigen Bahnhof in der vorletzten Nacht, bei dem der Arbeiter A. Bickel aus Poppelsdorf erschossen wurde, wird uns folgendes mitgeteilt: Der Gelegenheitsarbeiter hatte im Wartesaal des Bahnhofes einen Bahnsteigschaffner belästigt und bedroht. Der Schaffner ging zu einem diensttuenden Landwehrmann und bat ihn, er solle auf den Mann so lange acht geben, bis er den zuständigen Stationsbeamten geholt habe. Nachdem sich der Schaffner entfernt hatte, ergriff der Gelegenheitsarbeiter die Flucht. Der Landwehrmann folgte ihm, und da der Mann auf wiederholten Anruf nicht stehen blieb, gab der Soldat einen Schuß auf ihn ab. Der Schuß ging in die Brust und der Tod trat auf dem Transport zum Garnison-Lazarett ein.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Mehr Mitgefühl. Wenn man abends durch die Straßen geht, hört man Klavierspielen und Gesang; nicht patriotische Lieder, sondern Operettenschlager und Bänkellieder werden bei offenem Fenster gespielt und gesungen. Wir leben doch sicher in einer sehr ernsten Zeit, der jeder gefühlvolle Mensch Rechnung trägt. Die, bei denen das nicht der Fall ist, sollte man polizeilich zur Ruhe zwingen können. Ein Bonner.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)