Mittwoch, 19. August 1914

Russische Truppen dringen nach der Schlacht von Gumbinnen weiter nach Ostpreußen vor.

 

Die Königliche Regierung zu Köln hat angeordnet, daß die Volksschulen und die ihr unterstellten mittleren Schulen nach Schluß der Sommer- resp. Herbstferien wieder geöffnet sind.

Ein Speisehaus für Frauen und Mädchen aus den mittleren Ständen, die durch den Krieg stellenlos oder sonst wie in Not geraten sind, beabsichtigt die Bonner Soziale Wohlfahrtseinrichtung zu gründen. Für 20 Pfg. erhalten hier die Frauen und Mädchen ein kräftiges, nahrhaftes Mittagessen. (...)

Von unserem Husarenregiment Nr. 7 ist der Husar Severin Decker (Söven) gefangen genommen worden. Die Patrouille, zu der er gehörte, wurde von Franktirörs unter Feuer genommen.

Ein hiesiger Frisör, Herr Rödel, hat sich bereit erklärt, alle in einem hiesigen Krankenhause untergebachten Verwundeten unentgeltlich zu bedienen.

Französischen Schaumweine in Verruf. Der Voss. Zeitung wird aus Ofenpest gemeldet, daß dortige Wirte sich verpflichtet haben, französische Schaumweine sowie französische Weine und Spirituosen nicht mehr zu führen.

Das bürgerliche Leben beginnt wieder. Vom Rhein wird gemeldet, daß die Stille, die die Mobilmachung notgedrungen dem Handel und Verkehr auferlegt hat, allmählich aufhört. Der Eisenbahnverkehr ist zwar immer noch wegen der Militärtransporte minimal, aber der Verkehr auf der Rheinstraße hat sich in den letzten Tagen ansehnlich gehoben. (...) Es wird immer ein glänzendes Zeugnis für die Stärke unserer Volkswirtschaft und die bewunderungswürdige Kraft deutsches Volksgeistes bleiben, daß diese Zeit, die viele Hunderttausende unserer kräftigsten Männer wie mit einem Schlage der Erwerbstätigkeit entzog, fast keinen Rückschlag auf die Sicherheit unseres bürgerlichen Lebens ausüben konnte. Daß es rasch wieder in normale Bahnen einlenken würde, sobald ihm durch die Freigabe der öffentlichen Straßen auch nur die Möglichkeit eröffnet wurde, erscheint fast selbstverständlich.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Die neue Verlustliste Nr. 4 veröffentlicht den schon berichteten Tod des Kommandeurs der 9. Kavalleriedivision, Generalmajor v. Bülow. (…) Husar Decker von Söven bei Hennef ist nicht gefallen, sondern gefangen.

Mehrere hundert Amerikaner sind gestern und heute im Extrazug durch Beuel gefahren. Es sind Vergnügungsreisende, die über Amsterdam die Heimreise antreten.

Im Friedrich-Wilhelm-Stift besuchte Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe gestern unter Führung des Herrn Professor Bohland die Verwundeten und unterhielt sich längere Zeit mit ihnen.

Die Korps-Studenten bitten alle Korps, ihre Häuser dem Roten Kreuz unverzüglich als Kriegslazarette zur Verfügung zu stellen.

Unsere öffentlichen Anlagen. Die herrliche Trauerweide in den Rheinanlagen, nahe der Landebrücke der Köln-Düsseldorfer Dampfschiffahrts-Gesellschaft scheint auch unter den Kriegsnöten zu leiden zu haben. Durch die mangelnde Aufsicht haben sich Schulkinder und namentlich junge Bürschchen die Anlage als Tummelplatz ausersehen. Zu Anzeige im General-Anzeiger vom 19. August 1914Dutzenden hängen sie sich oft an die fast zur Erde reichenden Aeste, die natürlich dadurch geknickt und abgebrochen werden. Als ein Herr gestern abend einem jungen Burschen dies verwies, wurde er in der ärgsten Weise beschimpft und bedroht. Eine gehörige Maulschelle war die Antwort, aber es hätte nicht viel gefehlt, dann wäre die prompte Justiz dem Herrn verhängnisvoll geworden, denn eine Anzahl Altersgenossen nahmen Partei für den jungen Burschen. Es wäre zu wünschen, daß ein städtischer Beamter ein wachsames Auge auf die Anlagen haben würde, namentlich in den Abendstunden. Ein Einschreiten von Zivilpersonen ist nach den bisherigen Erfahrungen nicht ratsam. Auch aus anderen, hier kaum andeutbaren Gründen, empfiehlt sich die schärfere Bewachung der öffentlichen Anlagen in den Abend- und Nachtstunden.

Schüler als Truppenverpfleger. Eine Anzahl Gymnasiasten haben es sich zur Aufgabe gemacht, die in den verschiedenen Stadtteilen auf Posten stehenden Soldaten mit Kaffee und Butterbroten zu versorgen. Auf einem Handwagen fahren sie den Proviant an die verschiedensten Standorte und verteilen dann aus einer großen Kanne, in der sich der dampfende Kaffee befindet, das erquickende Getränk an die Soldaten. Auch mit den Butterbroten wird nicht geknausert; jeder erhält so viel er nur haben will. Namentlich in den frühen Morgenstunden wird der heiße Kaffee von den Soldaten, die die Nacht über Wache gestanden haben, dankbar begrüßt. Bis nach Beuel fährt die kleine Proviantkolonne, um die Wachen der Rheinbrücke zu bewirten. Auch die Mannschaften, die auf dem Dach des Städtischen Gymnasiums stehen, werden von den jungen Leuten nicht vergessen. Nicht nur die Soldaten, auch das Publikum hat seine helle Freude an dem Liebeswerk der wackeren Jungen.

In den ländlichen Volksschulen wurde am Dienstag der Unterricht wieder aufgenommen. Die dringendsten Erntearbeiten, bei welchen Schulkinder Verwendung finden können, sind jetzt fast überall erledigt. In Ausnahmefällen können auch jetzt noch Kinder der letzten Schuljahre für halbe Tage beurlaubt werden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Einquartierung. Es wird uns mitgeteilt: „Ein in den weitesten Kreisen als Städtischer Hyperpatriot bekannter Herr erhielt dieser Tage zwei Mann Einquartierung. Entrüstet beklagte er sich am folgenden Tag über dieses ganz unverständliche Ereignis, da er Besuch habe und dieser wegen der Einquartierung „nicht habe schlafen können“. Er erhielt hierauf 2 Offiziere Anzeige in der Deutschen Reichszeitung vom 19. August 1914und 2 Burschen als Einquartierung. Empört über eine solche Zumutung, wies er dieselben kurzer Hand ab. Wie man sieht, sind Partiotismus und Einquartierung zwei ganz verschiedene Dinge.“ Wer dieser Herr ist, können wir nicht ahnen, vielleicht kann man seinen Namen auf dem Einquartierungsbureau erfahren.

Hebt die Zeitung auf! An alle unsere Leser richten wir die dringende Mahnung, die Zeitung während der Kriegsdauer aufzuheben. Die Ereignisse, die sich in den letzten Wochen abgespielt haben und die in der nächsten Zeit bevorstehen, sind welthistorische Vorgänge. Jede einzelne Zeitungsnummer ist ein geschichtliches Erinnerungsstück an die großen Tage. Versäume daher niemand, die Zeitung aufzubewahren, insbesondere werden Euch auch die aus dem Kriege zurückkehrenden Angehörigen dafür sehr dankbar sein. Auch sie wollen über die Vorgänge in der Heimat und auf dem Gesamtkriegsschauplatze unterrichtet sein; für die heranwachsende Generation wird die Zeitung ein interessantes Geschichtswerk sein und nur wenige aus dem Volke sind in der Lage, sich späterhin das Generalstabswerk oder ähnliche Zeitschriften zu beschaffen.

Dankbarkeit. Ein Kölner Krieger, der auf dem hiesigen Bahnhof von den Damen des Hilfsausschusses bewirtet worden ist, sendet uns nachstehende Feldpostkarte mit der Bitte um Veröffentlichung: „Ein junger Vaterlandsverteidiger, den die Damen von Bonn auf der Durchreise mit Speise und Trank erquickt haben, gestattet sich auf diesem Wege seinen Dank auszusprechen. Solche Opferwilligkeit der Zurückgebliebenen spornt jeden Krieger zur höchsten Tapferkeit an, und es soll keinem Feinde gelingen, jemals eine deutsche Frau zu belästigen. Indem ich die Damen der Stadt Bonn bitte, dieses Zeichen meiner Dankbarkeit gnädig entgegen zu nehmen, schließt mit einem dreifachen Hoch auf die Damen ein dankbarer Kölner.“

Die freie Beförderung von Einberufenen wird von heute ab auf den Strecken der Köln-Bonner-Kreisbahnen wie von der Staatsbahn nur am Tage der Einberufung geschehen. Sonst berechtigen nur die vorschriftsmäßigen Militärfahrscheine, und die dafür gelösten Fahrkarsten zur Benutzung der Rheinufer- und Vorgebirgsbahn.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten