Samstag, 12. August 1916

   

Web-, Wirk- und Strickwaren. Nach einer neuen Verordnung ist es nicht mehr gestattet, Stofflängen bis zu zwei Metern ohne Bezugsschein zu verkaufen. Maße von Woll- und Baumwollstoffen dürfen ohne Bezugsschein nicht mehr abgegeben werden.

Ein Schuhmachermeister hatte seine Schuhmacherwerkstätte „Hans Sachs“ an der Brüdergasse Liebespärchen als Absteigequartier zur Verfügung gestellt. ER war vom Schöffengericht wegen mangelnder Beweise freigesprochen worden, wurde aber gestern von der Strafkammer zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. – Sechs Monate Gefängnis erhielt ein hiesiger Eiskutscher, der ein neunjähriges Mädchen mit auf den Venusberg gelockt und sich dort an ihr vergangen hatte.

Weil sie ihr Brotbuch, um mehr Brot zu bekommen, fünfmal gefälscht hatte, wurde eine Frau gestern von der Strafkammer zu der Geringststrafe von einem Tag Gefängnis verurteilt. Sie soll zur bedingten Begnadigung empfohlen werden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

    

Kinderaufführung in den Lazaretten. Am Mittwoch erfreute eine kleine Schar Kinder unter Leitung einer jungen Bonner Dame die verwundeten Soldaten in den hiesigen Lazaretten durch eine Aufführung. Der Anfang wurde im Erholungsheim Koblenzerstraße gemacht, dann fing es zum Friedrich Wilhelm-Stift, zur Beethovenhalle und zum Leoninum. Mit Freude wurden die Kleinen empfangen. Ein echtdeutsches Gedicht mit rheinischem Nixenzauber wurde von einem kleinen Mädchen mit Ausdruck zum Vortrag gebracht. Lieder, Gedichte, feinsinnig und lustig in ihrer Art, wechselten ab. Der Glanzpunkt der Aufführung war ein künstlerisch eingeübter Phantasietanz, dem ein Menuettmotiv zu Grunde lag. Den Schluß bildete eine Liebesgabenverteilung von Zigarren, Blumen und Photographien durch die kleinen Künstler. Die Freude der Verwundeten war groß, und der Dank sprach aus all den leuchtenden Soldatenaugen, denen die kleine Welt geholfen hat, ihre Leiden für ein paar Stunden zu vergessen. Und Dank auch denen, die sich die Mühe nicht verdrießen ließen, die Soldaten durch diese Unterhaltung zu erheitern. Hoffentlich wiederholen sich solche schönen Stunden des öfteren in den Lazaretten.

Einen Fluchtversuch machte gestern morgen ein Mann, der durch einen Kriminalbeamten der Hauptwache in der Rathausgasse zugeführt werden sollte. Kurz vor der Tür nahm er Reißaus und lief über die Stockenstrasse durch den Hofgarten. Eine große Anzahl von Menschen schlossen sich dem nacheilenden Beamten an und rannten über die Hofgartenwiese den Flüchtigen nach. Jenseits der Wiese kam der Ausreißer zu Fall und wurde von den Verfolgern eingeholt. Da es dem Beamten nicht möglich war, den besinnungslos daliegenden wegzubringen, wurde er mit Hülfe mehrerer Umstehender zur Wache getragen.

    (Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Kriegsküche in der Sandkaule. Der vorgestrige Speisezettel brachte Weißkohl mit Kartoffeln und Wurst. Die Beschaffenheit der Speisen ließ an sich nichts zu wünschen übrig. Leider war das Essen wieder einmal angebrannt. Das verriet nicht nur der Geschmack, sondern auch die im Essen befindlichen verbrannten (schwarzen) Teile des Gemüses. Ueber die anderen Küchen ist in der letzten Zeit nicht geklagt worden, was wir umso lieber feststellen, als wie wir auch schon in den letzten Besprechungen über die Kriegsküchen sagten, daß etwaige Klagen über diese Küchen unberechtigt gewesen seien. Das gestrige Essen in der Sandkaule: Graupen mit Kartoffeln und Fleisch war gut zubereitet, man vermisste aber die Sorgfalt bei der Vorbereitung. Die Graupen dürfen nicht direkt aus dem Sack in den Kessel geschüttet werden, sondern müssen vorher sorgfältig verlesen und event. auch gewaschen werden. Geschieht dies, so erhält man reine Graupen ohne andere Körner, wie Unkrautsamen und Körnerhülsen etc., wie es sich im gestrigen Essen vorfand.

Einsammeln der Sonnenblumenstengel. Infolge des Krieges ist die Einfuhr geschnittener Schalbretter, die im Bauwesen als Holzschalung für Decken und Fachwerkwände Verwendung finden, stark beeinträchtigt. Als Ersatz hierfür eignen sich, wie von fachkundiger Seite der Rohmaterialstelle des preußischen Landwirtschaftsministeriums mitgeteilt wird, die Sonnenblumenstengel, die bisher nur als Brennmaterial dienten. Durch Verwendung der Sonnenblumenstengel im Bauwesen würde nach Angabe Sachverständiger eine beträchtliche Mehreinnahme beim Sonnenblumenanbau erzielt werden können.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)