Donnerstag, 28. November 1918

  

Truppendurchzug. Von heute ab werden die großen geschlossenen Verbände der 18. Armee durch Bonn über den Rhein ziehen. Es wird nun, nachdem in den letzten Tagen verhältnismäßig wenig Kraftwagen, Fahrzeuge usw. hier durchgekommen sind, in den nächsten acht Tagen einen militärischen Hochbetrieb in Bonn geben. Die von heute ab durchmarschierenden Truppen sind die eigentlichen Fronttruppen, die all den vielen Durchbruchversuchen der Feinde immer wieder standgehalten und dadurch unser schönes Rheinland davor behütet haben, Kriegsschauplatz zu werden. Der Dank dafür mag auch in Bonn zum Ausdruck kommen: durch freundliche Aufnahme der hier einquartierten und herzliche Begrüßung der durchziehenden Truppen.

Die Polizeistunde für das Betreten der Straßen ist auf 11 Uhr, die für Wirtschaften und Vergnügungsstätten auf 10 Uhr ausgedehnt worden.

Englische Besatzungstruppen für Bonn. Die frühere Meldung, daß Engländer die Festung Köln (und damit auch das im Festungsbereich liegende Bonn) besetzen würden, wird bestätigt durch eine Meldung der Nouvelle Correspondance. Danach teilte General March mit, daß die amerikanische Armee Koblenz gegen den 1. Dezember erreichen und diesen Brückenkopf zu diesem Zeitpunkt besetzen werde. Die Engländer würden Köln und die Franzosen Mainz besetzen.
    Staatssekretär Erzberger, der Vorsitzende der deutschen Waffenstillstandskommission, macht bekannt: im linksrheinischen Gebiet laufen unzählige Gerüchte um über die Stärke und Art der künftigen Besatzungstruppen. Alle diese Nachrichten sind falsch, da der Oberbefehlshaber der Alliierten noch keinerlei Entscheidung in dieser für das linke Rheinufer bedeutsamen Frage getroffen hat. Sobald bestimmte Nachrichten vorliegen, werden sie alsbald veröffentlicht werden, wie auch über die Regelung des Personenverkehrs nach den besetzten Gebieten.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

   

Die Lebensmittelvorschriften bleiben bestehen. Der Staatssekretär des Kriegsernährungsamts tritt der vielfach verbreiteten Ansicht entgegen, daß mit dem Eintritt der neuen Regierungsform die bisherigen Lebensmittelvorschriften außer Kraft getreten seien. Er weist demgegenüber darauf hin, daß gerade im gegenwärtigen Augenblick de Einhaltung der Vorschriften über Abgabe von Nahrungsmittel nur gegen Karte, Verfütterungsverbote usw. mit verschärfter Genauigkeit durchgeführt werden müssen, wenn eine Stockung der Lebensmittelversorgung in den wichtigsten Verbrauchsgebieten vermieden werden soll. Es stehe noch in keiner Weise fest, wann die von den Ententeländern in Aussicht genommenen Lebensmittel eintreffen und zur Verteilung kommen würden.

Ein Ahnungsloser. Ein Feldgrauer von der Front trank gestern am Schanktisch eines Lokals an der Bahnhofstraße ein Glas Bier und ließ sich eine Zigarre geben. Harmlos gab er dem Wirt einen Fünfzigpfennigschein. „Was soll ich damit?“, fragte dieser. „Ein Glas Bier macht 35, eine Zigarre 1 Mark.“ Der Soldat stutzte, zahlte dann aber schweigend und ging seiner Wege. Er war der Heimat fremd geworden.

Den Fronttruppen zum Willkomm.
Da es nicht möglich ist, allen durch Bonn kommenden Truppenteilen einzeln den Gruß der Stadt zu entbieten, hat der Oberbürgermeister namens der Bürgerschaft die nachstehende schriftliche Begrüßung an die 8. Armee gerichtet, die nach Vervielfältigung durch Vermittlung der militärischen Kommandostellen jedem Truppenteil zugeht.
An die durch Bonn rückenden Fronttruppen der 18. Armee.
In den nächsten Tagen überschreiten die Divisionen der 18. Armee bei Bonn den Rhein. Die Bürgerschaft der Stadt entbietet den tapferen Kriegern herzlichen Gruß und begeistertes Willkommen. Heißer Dank des Vaterlandes ihnen, die im Jahre langen Kampfe Leben und Gesundheit für die Heimat einsetzten. Unvergessen bleibt deutscher Mut und deutsche Treue in Not und Tod. Schwer lastet auf uns der Druck der Zeit. Doch den Glauben an Deutschlands Zukunft kann ein heldenhaftes Heer und ein aufrechtes Bürgertum nie verlieren!
Der Oberbürgermeister.
Spiritus.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

   

Notbrücken für den Rheinübergang der Truppen sind bezw. werden geschlagen bei Mondorf, bei Niederdollendorf, bei Mehlem, bei Brohl und bei Neuwied. Der Oberpräsident der Rheinprovinz als Chef der Rheinstrombauverwaltung macht bekannt: Während des Brückenbaus werden etwa 3 Kilometer oberhalb jeder Brücke Wahrschauer aufgestellt und außerdem 1000 Meter ober- und 500 Meter unterhalb Wachtpontons festgelegt. Die Schiffsführer haben auf den Zuruf und die Flaggenzeichen der Wahrschauer genau zu achten und den Weisungen der Mannschaften des Wachtpontons Folge zu geben. Eine auf den Wachpontons aufgezogene blauweiße Flagge gilt als Zeichen, daß die Brückenstelle nicht durchfahren werden darf. Das Schwenken einer roten Flagge gibt an, daß die Talfahrt frei ist, einer weißen Flagge, daß die Bergfahrt frei ist. Die Durchfahrt durch die Oeffnungen der Brücken darf erst erfolgen, wenn auf der Brücke die für die Durchfahrt durch Rheinbrücken in der Rheinschiffahrts-Polizeiverordnung vorgeschriebenen Flaggenzeichen gegeben werden. Die Oeffnungszeiten der Brücken werden noch bekannt gegeben werden. [...]

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)

Die maßgebenden Stellen unseres Bonner Apparates werden gebeten, nachstehende Ausführungen einer geneigten Ueberprüfung unterziehen und Abhilfe schaffen zu wollen.
1. In der Infanterie-Kaserne der Argelanderstraße liegen unzählige Werte militärischer Ausrüstungsgegenstände frei herum und werden tagtäglich von der Bonner Jugend in Gegenwart der Soldaten fortgeschleift. Spaten, Pickelhacken. Patronentaschen, Seitengewehre, ja selbst scharfe Patronen sind im Besitze der Jugend! Auf dem Kasernenhof fahren Lastautos über letztere, sodaß häufig genug auf diese Weise höchstgefährliche Entladungen vorkommen. Erstens der Gefahr und zweitens der Werte wegen müßte hier sofort eingeschritten werden. Und bei dieser Gelegenheit möchte ich die Frage aufwerfen: Was bezweckt die regelmäßige Schießerei in dieser Gegend? Selbst abends nach 9 und 10 Uhr fallen oft scharfe Schüsse, die häufig dann vom Venusberg aus anscheinend beantwortet werden. Was kann ein einziger Schuß, der auch aus jugendlichem Leichtsinn abgegeben wird, für die Stadt Bonn bedeuten, ist in 14 Tagen die Besatzung da? Man erinnere sich gewisser Vorgänge in Belgien und ziehe die Konsequenzen – ab sofort und rücksichtslos!
2. Dringlichst genug kann nicht empfohlen werden, für die Instandsetzung aller Straßenlampen jetzt schon zu sorgen. Je nachdem man uns mit einer Besatzungsart beehrt, müßten die Straßenbeleuchtungen zum Schutze der Zivilbevölkerung beitragen. Andererseits läßt sich bei eintretender Dunkelheit der Verkehr – auch für Frauen – nicht einstellen, auch nicht, wenn der Feind da ist.
3. Jetzt schon müßte m. E. auf das energischste eingeschritten werden gegen den Unfug, Kinder und – ja, ich nenne es absichtlich in einem – Mülleimer nach eingetretener Dunkelheit auf der Straße zu dulden. Deshalb warne ich Beide in einem, weil man nicht mehr sagen kann, welcher Unfug hier der größere ist. Unerwachsene suchen in der Dunkelheit wahrlich nichts gutes mehr auf der Straße und müßten von der Bürgerwehr einfach durchweg zur Anzeige gebracht werden. In einigen Tagen hörte die Belästigung Erwachsener auf! Und jeder, der seinen Mitbürger durch Stehenlassen des Mülleimers gefährdet, müßte durch entsprechend hohe Strafe dazu gebracht werden, sich jetzt schon mit dem Gedanken vertraut zu machen, was es für ihn und die betr. Straße bedeuten kann, geschieht durch die Nachlässigkeit eines Bonners einem der Herren der Besatzung ein Leid.
[...] Sch.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)