Samstag, 16. November 1918

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 16. November 1918Universität. Der Rektor macht bekannt: Das Gerücht, daß die Universität geschlossen wird, ist unrichtig. Die Universität bleibt geöffnet, der Unterricht wird fortgeführt. Nur werden die Vorlesungen und Uebungen, die bisher in den Hörsälen des Universitätsgebäudes gehalten worden sind, ab von Montag, den 18. November ab für einige Wochen in andere Räume verlegt werden, da die Hörsäle nach einer eingetroffenen Verfügung zu Einquartierungszwecken frei gemacht werden müssen. Die Anzeige, welches die neuen Vorlesungsräume sind, wird an den schwarzen Brettern der Portale des Universitätshauptgebäudes – eilige Anschläge – und des Westflügel dieses Gebäudes, sowie in einem Schaufenster der Buchhandlungen Fritz Cohen und Ludwig Röhrscheid bekannt gemacht werden.

Bonner Stadttheater. Das Stadttheater wird in der kommenden Woche wiedereröffnet. Der Spielplan vom 18. bis 25. November lautet: Donnerstag, Reihe A: „Matthäus Dreibuchen“, ein Stück aus dem Volke von Waldemar Weber und Paul Bourfeind, Freitag, Reihe B: „Der Bibliothekar“, Schwank von Moser. Beide Vorstellungen beginnen wahrscheinlich um 6 Uhr.

Der Meisterverein für das Maler- und Anstreichergewerbe in Bonn bittet die Mitbürger, in und an ihren Häusern die notwendigen Anstreicherarbeiten ausführen zu lassen, damit die heimkehrenden und vom Hilfsdienst freigewordenen Meister und Gesellen Arbeit erhalten.

„Groß-Bonn“ am Markt hat vom heutigen Samstag ab einen vollständig neuen Varietéspielplan.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

   

Neues Operettentheater. Welch ungeminderte Zugkraft die reizende Operette Schwarzwaldmädel ausübt, mag aus dem Umstande hervorgehen, daß die Direktion am Montag den 18. d. M. in der Lage ist, die 25. Ausführung dieses sympathischen Werkes anzusetzen. Als nächste Aufführung bereitet die Direktion die auch in Bonn geschätzte romantische Operette „Die Glocken von Corneville“ vor.

Einquartierung. Der Oberbürgermeister veröffentlicht im Anzeigenteil unseres Blattes die Beträge, die für die Einquartierung bezahlt werden. Die Quartierleistung erfolgt ohne Verpflegung. Matratzen und Stroh werden der Bürgerschaft für die Einquartierung nicht geliefert.

Der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat beschloß in seiner gestrigen Sitzung, die Sperrstunde für den Aufenthalt auf den Straßen auf 10 Uhr abends zu verlängern. Im Interesse der Arbeiter wurde weiterhin beschlossen, das Begehen der Straßen in den frühen Morgenstunden bereits um 4 ½ Uhr statt bisher um 5 Uhr zu gestatten. Gastwirtschaften, Theater, Kinos usw. müssen um 9 Uhr schließen. Der Ausschank von Branntwein und Likören wird gänzlich verboten. Zuwiderhandlungen werden mit Schließung der Lokale bestraft. Die Bescheinigungen zum Betreten der Straßen zur Nachtzeit werden von jetzt ab von der Polizei ausgestellt. Mit dem heutigen Tage wirkt die Bürgerwehr mit der Polizei in Uniform wieder zusammen. Der Sicherheitsausschuß ist die oberste Instanz in Sicherheitsangelegenheiten. Die Exekutive liegt in den Händen der Bürgerwehr und der Polizei, die gleichberechtigt nebeneinander zusammen arbeiten. [...] Zivilpersonen und Soldaten ist das Tragen von Waffen verboten. Militärwaffen und Munition sind von der Bürgerschaft bis zum 20. d. M. mittags 12 Uhr, im Polizeirevier abzuliefern. [...]
   Ueber den Umfang der Diebstähle, die in der Nacht zum 9. November in vier militärischen Depots verübt wurden, macht Bahnhofskommandant Guilleaume Mitteilung. Der Wert der gestohlenen Sachen belaufe sich auf etwa 3 Millionen Mark. Es wurden u. a. gestohlen: Eine halbe Million Zigarren, 1 Million 500.000 Zigaretten, 20.000 Tönnchen Kautabak, 100.000 Stück Toilettenseife, 1000 Pakete Kunsthonig, 6500 Flaschen Bordeaux usw. usw. Allein um den Bordeauxwein abtransportieren zu können, wären drei Rollwagen nötig. Es sei unbedingt erforderlich, daß Umschau nach diesen Riesenbeständen gehalten werde, die teils von den Spitzbuben in den umliegenden Ortschaften versteckt worden seien. Polizeikommissar Burckardt teilte mit, daß die Kriminalpolizei in Gemeinschaft mit anderen Sicherheitsbeamten zur Wiedererlangung des geraubten Gutes fieberhaft tätig sei und auch bereits Erfolge aufzuweisen habe.
   Der Vorstand des Einquartierungsausschusses Beigeordneter Schultze teilte mit, daß über Bonn eine ganze Armee, 500.000 Mann, abtransportiert werde. Der Bürgerschaft sei zu empfehlen, sich auf Einquartierung von Truppen einzurichten, da mit einem täglichen Durchmarsch von 20-25.000 Mann gerechnet werden kann. Sämtliche Schulen werden geräumt und auch die Landwirtschaftliche Akademie hat ihre Räumlichkeiten für die Einquartierung zur Verfügung gestellt.
   Als Führer der Truppen in den einzelnen Quartieren sind Schüler der oberen Klassen bestimmt worden. Die hier durchziehenden Truppen gehen über Endenicherstraße, Viktoriabrücke, Ringstraße, Kölnstraße, Stiftsplatz zur Rheinbrücke. Während des Durchmarsches sind diese Straßen für Fuhrwerke gesperrt, und auch die Straßenbahnen und Vorortbahnen werden nur dann in Betrieb bleiben, wenn dies ohne Störung geschehen kann. Außerdem werden die Abzugsstraßen besonders bewacht. Der Abtransport wird von Offizieren geleitet. Um einen möglichst glatten Uebergang über den Rhein bewerkstelligen zu können, soll noch eine zweite Brück, und zwar eine Pontonbrücke, über den Rhein geschlagen werden. Der Vorschlag, die Rheinbrücke zu Ehren der Truppen mit Tannengrün usw. zu schmücken, fand allseitigen Beifall. Von jetzt ab tagt der Einquartierungs-Ausschuß, der auf 14 Mitglieder erhöht worden ist, in der Kaiserhalle. Dort wird auch über Einquartierungs-Angelegenheiten Auskunft erteilt.
[...]
Oberbürgermeister Spiritus fand zum Schluß seiner Darlegungen warme Worte der Anerkennung für unserer braven Feldgrauen. Heute oder morgen seien bereits die ersten Truppen hier zu erwarten. Ehrenpflicht eines jeden Bonner Bürger sei es, den Truppen einen warmen Empfang zu bereiten. Ueber vier Jahre hätten sie gekämpft, um den Feind aus der Heimat fernzuhalten und unbesiegt und ungebrochen kehrten sie wieder zu uns zurück. Nicht nur die Rheinbrücke, sondern auch die Straßen, die die Truppen passierten, sollten zum Empfang ein festliches Gewand tragen.
[...]
Wie Hauptmann Arimond mitteilt, bittet der Kommandeur der zweiten Gardedivision die Bonner Bürgerschaft, die von ihm befehligten Truppen, die noch königstreu seien, bei ihrem Durchmarsch durch Bonn nicht durch rote Abzeichen, Fahnen usw. aufzureizen. Heute habe er seine Truppen noch in der Hand. Er könne aber für nichts einstehen, wenn er die Herrschaft über sie verliere. Es handle sich bei seinen Truppen nur um Durchmarsch, nicht um Einquartierung. [...]

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Sitzung des Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrates der Stadt Bonn vom 14. November.
Vorsitzender: Dr. Krantz.
Hauptmann Arimond teilte mit, daß die Mitglieder des Soldatenrates vom Bataillon 160 gestern ihr Amt niedergelegt hätten, weil Stimmen laut wurden, als seien die bisherigen Mitglieder nicht vom volle Vertrauen ihrer Kameraden getragen. Es seien sieben neue Mitglieder gewählt worden. Er danke den bisherigen Mitgliedern für ihre überaus eifrige Tätigkeit.
   Beschlossen wurde, im Rathause eine Auskunftsstelle für die Entlassung der Soldaten einzurichten.
[...]
    Ueber Einquartierungen berichtete Geheimrat Schultze: Ueber Zahl von ankommenden Truppen, über die Dauer ihres Aufenthaltes usw. ist noch nichts bekannt. In einer besonderen Sitzung werde mit der Militärbehörde über den Verteilungsplan beraten. Der Einquartierungsausschuß wurde durch den Bahnhofskommandanten Guilleaume erweitert.
   Der Vorsitzende teilte die Anregung des Hauptvorstandes mit, die Sperrzeit abends bis 10 Uhr auszudehnen, für Wirtschaften, Kinos usw. bis 9 Uhr. Der Sicherheitsausschuß solldei Frage auch noch prüfen. Es soll dann morgen darüber entschieden werden. Ein Soldat beantragte, die Kinos noch früher zu schließen mit Rücksicht auf den Kohlenmangel. [...]

Der Zivilbevölkerung ist das Verlassen des linksrheinischen Gebietes und des 10 Kilometer breiten Streifens östlich des Rheins, wie der Oberbürgermeister im Auftrage des Staatskommissars für Demobilmachung bekannt macht, verboten.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)