Sonntag, 13. Oktober 1918

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 13. Oktober 1918„Wer ist so feig, der könnte, der jetzt noch könnte zagen?“ denken mit Recht die Anwohner des Mauspfads, rühmlich bekannt von früheren Gelegenheiten als besondere Vaterlandsfreunde, und haben schon in der zweiten Werbewoche auf die neunte Kriegsanleihe weit mehr gezeichnet als auf die letzte im ganzen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

   

Ist Hamstern wahre Vorsicht?
Die Front der deutschen Truppen ist aus strategischen Rücksichten stellenweise zurückgenommen worden, und die Feinde versuchen weiteres Zurückdrängen so lange es die Jahreszeit noch gestattet. Unsere feldgrauen Helden erschweren ihnen das jedoch mit allen Kräften. Immerhin mag nahe an der Kampfzone wohnenden Deutsche, z. B. solchen an einzelnen Stellen der lothringischen Grenze, der Gedanke gekommen sein, Vorkehrungen zu treffen für den Fall, daß das Kampfgebiet auf sie zurücken sollte. Daß sich solche Leute für den Plan etwaigen zeitweiligen Aufgebens ihrer bisherigen Heimstätte auch bares Geld bereitlegen, ist einigermaßen erklärlich. Dennoch wäre es richtiger, daß auch diese Deutschen weiter im Binnenlande sich Guthaben bei der Sparkasse oder Bank sicherten und nur etwas Reisegeld in bar behielten.
   Trauriges Verkennen des eigenen Interesses und feiges Verhalten läge aber vor, wenn man jetzt sogar anderwärts in der Heimat das Ansammeln von viel barem Geld als größte Weisheit ansähe. Barvermögen behütet man unbedingt am sichersten, schützt es vor Diebstahl und Schaden durch Brand usw., wenn man es nicht im eigenen Heim behält, sondern wirklich vertrauenswürdigen Stellen zum Verwahren und Verwalten übergibt. Dies sind öffentliche Sparkassen, gute Banken (auch die Post mit ihren Postscheckrechnungen) usw.

Anzeige im General-Anzeiger vom 13. Oktober 1918Die August Macke-Ausstellung im Obernier-Museum vermittelt einen guten Ueberblick über das Schaffen des so früh als Opfer des Krieges dahingeschiedenen Künstlers, den wir zu den Unsrigen zählen durften, weil er schon seit den Kinderjahren in Bonn gelebt hat. Eine lyrisch-dekorative Richtung mit gelegentlichen Zugeständnissen an den Impressionismus beherrscht seine Anfänge; wahrscheinlich hat ihm die erste Reise nach Paris 1907 die entscheidenden Anregungen gebracht. Damals begann das Problem der Farbenzerlegung im Sinne des Neo-Impressionismus ihn zu erregen. Später nahm der Kubismus ihn in seinen Bann, freilich, ohne ihn dauernd zu fesseln. Das Liebespaar im Walde von 1912 (Nr. 3) und das Schaufensterbild von 1913 (Nr. 68) gehören in diese Zeit. Bald machte er sich auch hiervon frei, aber es bleibt als Nachwirkung eine bewusste Vereinfachung der Form. Sein eigentliches Lebenselement ist jedoch von Anfang an die Farbe. Hell von der Sonne beleuchtete Gestalten badender Mädchen erscheinen neben tief beschatteten Figuren, sehr suggestiv wirkend, aber durchaus unplastisch empfunden (Nr. 7). Die schönsten Werke entstammen fast durchweg den Jahren 1912 bis 1914, der letzten Schaffenszeit Mackes, die mit Recht besonders reich auf der gegenwärtigen Ausstellung vertreten ist. Als Höhepunkte möchten wir herausheben das träumerische Rokokobild (Nr. 23), das große Triptychon aus dem Zoologischen Garten (Nr. 6), das Haus im Park (Nr. 38). Reiseeindrücke und Dinge des Alltags weiß er durch geheimnisvoll wirkende Beleuchtung und durch Stilisierung der Umgebung aus dem vertrauten Kreise des Beschauers in fremde, ferne Sphären zu entrücken, mit dem poetischen Zauber des Unbekannten zu umkleiden. Fast alle diese Bilder sind von einer nicht definierbaren, verträumten Stimmung erfüllt. Die Geschehnisse vollziehen sich zeitlos, jenseits von Ort und Raum; wir werden in einem gewissen Abstand von den Dingen gehalten. Am nächsten vielleicht bleibt Macke der Natur in seinen Bildern aus Tegernsee von 1910 (Nr. 27, 36, 41,72) und in den leuchtenden Blumenstücken. Wie in den Figurenbildern die Menscheneins sind mit der Umgebung, so wird auch in den Landschaften der gleiche Einklang mit den Lebewesen angestrebt. Die Menschen stehen gleichsam im Banne der sie umgebenden Natur. Von der Vielseitigkeit der Begabung Mackes zeugen die ausgestellten Wandteppiche und Stickereien, wie die plastischen und keramischen Arbeiten. Ohne Zweifel ist durch den frühen Tod dieses jungen Meisters eine der schönsten Hoffnungen der neuen Kunst vernichtet worden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

   

Ansprache an die Bürgerschaft.
Vor Eintritt in die Tagesordnung der gestrigen Stadtverordnetensitzung richtete Oberbürgermeister Spiritus an die Versammlung folgende Ansprache: „Die Tagesordnung, die ich Ihnen heute vorlege, gibt ein Bild der großen Aufgaben, mit denen diese Stadtverordneten-Versammlung sich in dieser schweren Zeit zu befassen hat. Unter anderem werden Sie gebeten, Mittel zu bewilligen, um unseren heldenmütigen Kriegern, auf die wir mit heißem Danke und unerschütterlichem Vertrauen blicken, die Grüße der Heimat zum Weihnachtsfeste zu bringen. Für die segensreiche Einrichtung des Bonner Lazarettzuges wird eine weitere Zuwendung gesucht. Die auf allen Gebieten der Lebenshaltung bestehende große Teuerung erfordert dringend, daß den städtischen Beamten, Angestellten, Lehrern und Arbeitern abermals erhebliche Zulagen gewährt werden. Wichtige Fragen der Lebensmittelversorgung und der städtischen Kriegsküchen werden Ihrer Entscheidung unterbreitet. Ich weiß, daß die Stadtverordneten-Versammlung dieser Tagesordnung mit Verständnis und Wohlwollen gegenübertreten wird und daß ihre Beschlüsse gefaßt werden in Liebe zum Vaterlande und mit der Einmütigkeit, die Sie, meine Herren Stadtverordneten, in wichtigen Fragen während des Krieges stets bekundet haben.
   Vaterlandsliebe und Einigkeit sind aber im gegenwärtigen Augenblicke für alle Bürger der Stadt mehr wie je von nöten. (Bravo.) Ungemein ernst ist die Zeit. Nur engster Zusammenschluß aller, Unterdrückung unnötigen Kleinmuts und unangebrachter Verzagtheit, Vertrauen zu unserem tapferen Heere und feste Entschlossenheit zum Durchhalten können uns über diese Zeit hinwegbringen. (Bravo.) Gern hätte ich bei der geplanten vaterländischen Versammlung in diesem Sinne Worte an die Bürgerschaft gerichtet, aber wegen der Erkrankung der für den Abend gewonnenen Redner, der Herren Dr. Jörg und Rudolf Herzog, kann leider die Veranstaltung am Dienstag nicht stattfinden. Ich wende mich daher von dieser Stelle aus an meine Mitbürger in der sicheren Hoffnung, daß die Tage spannungsvoller Erwartung, und was nach ihnen auch kommen mag, in Bonn eine Bürgerschaft finden, die fest entschlossen ist, in Zuversicht und Stärke alles Denken und Handeln einzusetzen für das Vaterland. (Bravo.)

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)