Samstag, 7. September 1918

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 7. September 1918Vermehrung des Turnunterrichts. Die Einführung der dritten verbindlichen Turnstunde in den Volksschulen ist jetzt vom Unterrichtsminister für die Mittel- und Oberstufe auch der Volksschulen grundsätzlich angeordnet worden. Die dritte Stunde soll besonders den volkstümlichen Uebungen, Bewegungsspielen, Turnmärschen und anderen Leibesübungen im Freien, Eislauf, Rodeln und dergleichen, zugute kommen. Wo die Schulunterhaltungspflichtigen für Schwimmunterricht sorgen, können dafür auch Turnstunden benutzt werden.

„Ich bin der Dichterfürst und vollständig berechtigt, mir Darlehen zu verschaffen und mir alle Gegenstände anzueignen, wie es mir beliebt, keine Macht der Erde kann mich dafür bestrafen“, erklärte gestern vor der Strafkammer der aus Bonn gebürtige 41 Jahre alte Kellner und „Schriftsteller“ Willy Meurer, der in ganz Deutschland schon unzählige Male wegen Betrügereien und Diebstählen verurteilt worden ist und jetzt eine Gesamtzuchthausstrafe von acht Jahren zu verbüßen hat. Er hatte im Mai 1915 aus der Kleiderablage eines Königswinterer Gasthofes einen Ueberzieher gestohlen und sich im Dezember 1915 im hiesigen Hamburger Hof, wo er als „Dr. Helbig“ abgestiegen war, von der Kellnerin auf einen wertlosen Ring 8 Mark „geliehen“. Beide Straftaten gab er ohne weiteres zu, er blieb aber dabei, ich, dem Dichterfürsten, sei so etwas erlaubt. Er verwahrte sich entschieden gegen die Zumutung, etwas geisteskrank zu sein, seine Dichtungen könnten für seinen gesunden und starken Geist zeugen; als aber dann ein ärztliches Gutachten verlesen wrude, daß er tatsächlich nicht geisteskrank sei, sondern simuliere, und als der Staatsanwalt daraufhin weitere 2½ Jahre Zuchthaus gegen ihn beantragte, behauptete er, es beständen noch drei andere Gutachten, in denen er für geisteskrank gehalten werde, und beantragte, diese Gutachten heranzuziehen. Das Gericht entsprach dem Antrage des Dichterfürsten und vertagte die Verhandlung.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   

Der Bonner Wochenmarkt war gestern verhältnismäßig schlecht beschickt. […] Wie bisher überhaupt, so war auch gestern wieder auf dem ganzen Markt, außer beim städtischen Verkauf etwas beschlagnahmte blaue Pflaumen, kein Obst, keine Zwiebeln und keine gelbe Salatbohnen zu finden. Im allgemeinen war der Verkauf recht flott. Unser Großmarkt auf dem Stiftsplatz hatte auch gestern wieder fast keine Zufuhren. Der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt hatte recht regen Zuspruch, besonders in grünen Bohnen und Weißkohl, die Auswahl an Waren ließ aber auch hier viel zu wünschen übrig. Von Weißkohl wird bis auf weiteres noch jede gewünschte Menge abgegeben, von Woll- und Stangenbohnen dagegen nur zwei Pfund pro Person gegen Warenkarte. Außerdem waren nur noch Karotten, Dillkraut und ausnahmsweise eine kleine Menge beschlagnahmter blauer Pflaumen zu haben, die selbstverständlich im Augenblick vergriffen waren.

Kaffeemühlen dürfen nicht mehr verkauft werden. Nach einer Verordnung des stellv. Generalkommandos und des Herrn Gouverneurs der Festung Köln dürfen Kaffeemühlen aller Art in den Geschäften nicht mehr feilgehalten werden. Die Kaffeemühlen müssen sofort aus dem Verkehr gezogen werden. Zuwiderhandlungen werden mit Gefängnis bis zu einem Jahre, bei mildernden Umständen mit Haft oder Geldstrafe bis zu 1500 Mark bestraft.

Auf einem Rheindampfer hat dieser Tage ein Feldgrauer mehrere 100 große Stücke wohlriechender Seife den Fahrgästen für 4 Mark das Stück verkauft. Erst nachdem er ausgestiegen war, merkte einer der Fahrgäste, daß er mit einem Holzstückchen in einer dünnen Seifenschicht begaunert worden war.

Bei dem Gewitter, das gestern nachmittag über unsere Gegend zog, sind auf der Landstraße zwischen Mehlem und Rolandswert vier Kinder, die sich unter einen Baum geflüchtet hatten, vom Blitz getroffen worden. Dabei wurden ein Junge und zwei Mädchen getötet. Ein Kind ist schwer verletzt in das Kloster Maria Hilf nach Mehlem gebracht worden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

  

Die bargeldlose Zahlung, eine Forderung der Stunde. Die Ortsgruppe Bonn zur Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs schreibt uns: Die Veredelung der Zahlungssitten steht an Bedeutung in nichts nach der Goldsammelbewegung oder der Kriegsanleihepropaganda; denn „der einzige Vorsprung, den England sich vor unserer Geldwirtschaft im Kriege bewahrt hat, liegt auf dem Gebiete des Umlaufs der papierenen Zahlungsmittel“. […]

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)

 

  

Fleisch.
Am Samstag dieser Woche werden in den Metzgergeschäften Rindfleisch, Kalbfleisch, Leberwurst und Blutwurst verkauft.
   Die Woche vom 9. bis 15. September d. Js. ist fleischlos. Am Samstag der kommenden Woche wird infolgedessen Fleisch nicht ausgegeben.
   In Gast-, Schank- und Speisewirtschaften dürfen Fleisch und Fleischwaren, die der Anrechnung auf die Fleischkarte unterliegen, in der fleischlosen Woche nicht abgegeben werden.
   Kranke erhalten Fleisch, wie in der letzten fleischlosen Woche, in dem Geschäfte des Metzgermeisters Fendel, Sternstraße Nr. 33, während den Krankenanstalten das Fleisch durch ihre bisherigen Metzger zugewiesen wird.
Fett.
Auf die Abschnitte Butter und Fett der Speisefettkarte werden in der kommenden Woche insgesamt 50 Gramm Butter verteilt. […]
Die Abmeldung der Dienstmädchen
vom Lebensmittelbezuge muß auch dann geschehen, wenn anstelle der ausgetretenen Person sofort wieder eine neue tritt. Die Meinung, die Abmeldung erübrige sich, wenn die in der Lebensmittelkarte eingetragene Personenzahl die gleiche bleibt, ist irrig. Die Umschreibung ist vielmehr unbedingt notwendig, denn das fortziehende Mädchen muß eine Bescheinigung über sein Ausscheiden aus der Lebensmittelversorgung der Stadt Bonn haben, weil es sonst anderwärts nicht versorgt wird. Das eintretende Mädchen muß in der Kartenausgabestelle durch eine Bescheinigung nachweisen, daß es die Lebensmittelkarten in seinem früheren Wohnort abgegeben hat. Ueberhaupt müssen alle Veränderungen im Hausstand in der Kartenausgabestelle unverzüglich angegeben werden.
Schuhwaren.
Wiederholt sind in letzter Zeit berechtigte Klagen über Mißstände im Schuhwarenhandel und über Schuhausbesserungen laut geworden. Schuhwaren, die auf der Ware selbst oder auf einem mit der Ware festverbundenen Begleitschein den Namen oder die Firma sowie den Ort des Herstellers, den Kleinverkaufspreis, den Monat und das Jahr der Anbringung vorgenannter Angaben nicht enthalten, dürfen unter keinen Umständen zum Verkauf gestellt werden. Bedarfsscheinpflichtiges Schuhwerk darf an den Verbraucher nur gegen Abgabe eines Schuhbedarfsscheines überlassen werden. Schuhwarenhändler sind verpflichtet, das auf den Schein bezeichnete Schuhwerk solange sie es in Besitz haben, zu den festgesetzten Kleinverkaufspreisen abzugeben. Ein Tauschhandel, der an die Hergabe von Schuhwaren gegen Lieferung von Speck, Eiern, Butter u. dergl. gebunden ist, ist verboten. Es ist bei Schuhwarenhändlern die Meinung aufgetaucht, daß derartige Dinge als „Geschenke“ entgegengenommen werden dürfen. Dies trifft durchaus nicht zu. Bei solchen Tauschgeschäften setzt sich der Schuhwarenhändler oder die Verkäuferin der Gefahr einer Bestrafung aus. Jeder Schuhwarenhändler ist ferner verpflichtet, vor Ueberlassung bedarfsscheinpflichtigen Schuhwerks von dem Empfänger die Vorlegung eines Ausweises über seine Person zu verlangen und zu prüfen.

(Volksmund, Rubrik „Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.“)