Montag, 21. Januar 1918

   

Deutsche Vaterlandspartei. Die von der Ortsgruppe Bonn und Umgebung auf gestern morgen in dem Bonner Bürgerverein einberufene „feierliche Kundgebung deutschen Einheitsgedankens und Siegeswillen“ war außerordentlich zahlreich besucht. Sie begann sehr stürmisch. Als der Vorsitzende, Geheimrat Litzmann, die Versammlung eröffnet und begrüßt hatte, erhob sich ein Mitglied des in größerer Anzahl erschienenen Bundes der Kriegsbeschädigten und ehemaligen Kriegsteilnehmer, verwahrte sich gegen die Ziele der Deutschen Vaterlandspartei und verlangte freie Aussprache. Der Vorsitzende verweigerte die freie Aussprache unter Hinweis auf den in der Einladung angegebenen Zweck der Veranstaltung. Nun begann ein großer Lärm. Man schrie und pfiff. Der Vorsitzende forderte die Ruhestörer auf, den Saal zu verlassen, es seien nur Mitglieder und Freunde eingeladen worden. Etwa ein halbes Hundert Personen verließen dann, von der Polizei gedrängt, unter lärmendem Widerspruch und Hochrufen auf den „Scheidemannfrieden“ den Saal.
   
Als wieder Ruhe eingetreten war, nahm Geheimrat Litzmann das Wort. Es sei bedauerlich, daß Brüder deutscher Zunge und deutschen Stammes in dieser Stunde gegen vaterländische Kundgebungen und vaterländisches Empfinden Widerspruch erheben. Aus dem Kreise der noch im Saal befindlichen Kriegsbeschädigten sei ihm eine feierliche Verwahrung dagegen zugegangen, daß in dieser Weise gerade die Männer, die für das Vaterland gekämpft haben, auf dem Boden des Vaterlandes gegen das Vaterland aufstehen. (Lebhafter Beifall.) Geheimrat Litzmann hielt dann ohne jede weitere Störung seine vorgesehene Ansprache. Er erinnerte daran, daß vor 47 Jahren, am 18. Januar 1871, im Spiegelsaal von Versailles das neue deutsche Reich gegründet wurde. In der jetzigen großen Schicksalsstunde Deutschlands müssen wir uns fragen: wie können wir uns des großen Erbes von 1871 würdig erweisen. Die Zeichen der Zeit sind wirr und schwer zu deuten. Viele wissen nicht, ob sie hoffen dürfen oder fürchten müssen. Es gibt nur einen Weg: wir müssen unsere Seelen füllen mit der Gesinnung, die sich in den Dichterworten ausspricht: Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr, und: Nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr alles setzt an ihre Ehre. (Beifall.) Diese Gesinnung jedem Deutschen, auch den Brüdern, die jetzt gegen uns stehen, ins Herz zu geben, dazu und zu keinem anderen Zweck ist die Deutsche Vaterlandspartei ins Leben gerufen worden. Ueber alles steht ihr das Vaterland. Die Deutsche Vaterlandspartei bittet den Kaiser: Landgraf, werde hart! [...] Auch wir ersehnen mit heißer Inbrunst den Frieden; aber der Friede muß uns die Gewähr dafür bieten, daß Kaiser und Volk weiterhin imstande sind, im Sinne der kaiserlichen Botschaft vom 18. Januar 1871 „Mehrer des Reiches zu sein an Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung“. [...] Das Recht, für alle das Wort zu führen, geben der Deutschen Vaterlandspartei das Vaterland und Hindenburg. Was Hindenburg will, das wollen wir auch. Und Hindenburg will. Gott sei gedankt, daß wir ihn haben, den Mann, der will und kann. (Lebhafter Beifall.) Hindenburg vertraut auf uns, er hofft auf uns, das im festen Siegeswillen zusammengeschlossene deutsche Volk. So lange wir den von Hindenburg und Ludendorff festgelegten Kurs halten, so lange sind wir sicher, daß wir den Hafen eines Friedens erreichen, der der gebrachten Opfer wert ist. [...]
   Die Versammlung bekundete durch Erheben von den Sitzen einmütig ihr Einverständnis mit den Ausführungen des Geheimrats Litzmann und mit der vorgeschlagenen Entschließung. Sie sang dann zum Schluß die erste Strophe von „Deutschland über alles“.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

     

Vortrag der Vaterlandspartei. Im großen Saale des Bonner Bürgervereins hielt gestern Mittag Geheimrat Litzmann einen zündenden Vortrag in Erinnerung des Gründungstages des Deutschen Reiches. Freilich gelangte er erst zu seinen Auseinandersetzungen, nachdem die Ruhestörer anderer Gesinnungen aus dem Lokal entfernt worden waren. [...]
   
Auch in Köln kam es gestern in der Vaterlandspartei zu störenden Auftritten. Die dortige Ortsgruppe der Deutschen Vaterlandspartei hatte auf Sonntagvormittag 11 Uhr eine Versammlung im großen Saal des Fränkischen Hofes einberufen, wo Kaplan Schopen aus Godesberg über das Thema „Von Bismarck bis Hindenburg“ sprechen sollte. Schon um 10 Uhr war der geräumige Saal nebst Galerie bis auf den letzten Platz gefüllt, und immer strömten noch neue Menschenmengen zu. Den weitaus größten Teil der Versammlungsbesucher hatte die Sozialdemokratie gestellt. Um 11 Uhr verkündete der Versammlungsleiter, daß der Referent am Erscheinen verhindert sei. Das Telegramm sei gestern abgesandt, aber durch ein Versehen erst jetzt eingetroffen. Als die Versammlung für geschlossen erklärt wurde, erhob sich ein großer Lärm. Man wollte von der Sozialdemokratie einen Redner stellen bei vollständiger Redefreiheit. Der Einberufer drohte, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen. Man schrie. „Nieder mit Tirpitz – hoch der Friede“, und dann erscholl aus Hunderten von Kehlen die Arbeitermarseillaise, während sich der Saal langsam leerte.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

      

Zu einem bedauerlichen Zwischenfall kam es gestern in der Kundgebung der Deutschen Vaterlandspartei für Bonn und Umgebung im Bürgerverein. Geheimrat Litzmann hatte zu Beginn der Versammlung die „Mitglieder und Freunde“ der Vaterlandspartei begrüßt und die Tagesordnung bekannt gegeben. Bevor er zu seiner Ansprache kam, verlangte ein Kriegsbeschädigter im Namen der anwesenden Kriegsbeschädigten die Zulassung einer Aussprache, die auf der Tagesordnung nicht vorgesehen war. Geheimrat Litzmann verwies auf die Tagesordnung sowie darauf, daß nur „Mitglieder und Freunde“ zugelassen seien. Wer das nicht sei, möge den Saal verlassen. Dagegen erhoben die anwesenden Kriegsbeschädigten lauten Protest. Sie wurden darauf aus dem Saal gewiesen, gingen aber nicht sofort, sondern erst, nachdem die Polizei einschritt. Dabei ging es nicht ruhig ab. Man hörte Zwischenrufe wie Geht in den Schützengraben! – Wir haben unsere Knochen fürs Vaterland geopfert! – Fuhrmann! – Ihr Kriegsverlängerer! usw. Nachdem wieder Ruhe eingetreten war, nahm die Versammlung den beabsichtigten Verlauf, worüber wir noch berichten werden.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)